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Berliner Testament
Bindung des länger lebenden Ehegatten

Rechtsanwältin Anke im Masche  | Foto: Gleis 11 / Schierenbeck
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Alle Menschen haben den Wunsch, dass nach ihrem Tod Frieden in der Familie herrscht und der Erbfall miteinander im Guten geregelt wird. Eine beliebte und bekannte Form der Testamentsgestaltung ist in Deutschland nach wie vor das sogenannte Berliner Testament. In diesem setzen sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und als Erben auf den letzten Todesfall die gemeinsamen Kinder als Schlusserben zu gleichen Teilen.

Wie sieht die Bindungswirkung aus?

Schwierigkeiten gibt es leider immer wieder wegen der oft unbekannten Bindungswirkung dieser Testamente nach dem Tod des zunächst versterbenden Ehepartners. In den letzten zwölf Monaten sind acht obergerichtliche Entscheidungen (der Oberlandesgerichte München, Berlin, Frankfurt a.M., Düsseldorf, Saarbrücken und Stuttgart u.a. im Rahmen von Erbscheinsverfahren) zu den Fragen ergangen, ob der länger lebende Ehegatte an das gemeinsame Testament gebunden ist und ob er zu Lebzeiten Vermögen verschenken kann.

Nach dem ersten Todesfall

Wenn der erste Todesfall eingetreten ist, entwickelt sich das Leben weiter. Die bei gemeinsamer Testamentserrichtung vorausgesetzte Situation verändert sich: Nur ein Kind pflegt und versorgt den länger lebenden Elternteil und soll dafür schon die Immobilie übertragen bekommen, diese ist aber mehr wert als die Pflegeleistungen. Oder eins von mehreren Kindern, die gleichbehandelt werden sollen, investiert für den wenig solventen, länger lebenden Elternteil in dessen Immobilie, ist vor Ort, kümmert sich, bekommt dann die gesamte Immobilie zu Alleineigentum überschrieben, baut an und lebt auf dem Grundstück. Oder der länger lebende Elternteil entschließt sich, erneut zu heiraten.

Früheres Testament

Längerlebende Elternteile, die neu heiraten wollen, können mit dem neuen Partner einen gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht abgeben, wenn ein früheres Testament mit einem vorverstorbenen Ehegatten gewürdigt und respektiert werden soll.

Es kann bei dem länger lebenden Ehegatten aber auch der Wunsch entstehen, neu zu testieren. Die Kinder bekommen Angst um „ihr Erbe“.

Der Längerlebende ist nicht mehr frei, neu zu testieren, wenn ein gemeinschaftliches Ehegattentestament aufgrund wechselbezüglicher Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden Bindungswirkung entwickelt hat. Spätere entgegenstehende Verfügungen bzw. Testamente sind unwirksam.

Der Längerlebende kann von einem bindend gewordenen Testament nur frei werden, wenn er die Erbschaft nach dem Erstversterbenden ausschlägt, das Testament wegen Hinzutretens eines Pflichtteilsberechtigten (z.B. neuer Ehegatte) anficht oder die Kinder in notarieller Form einen (teilweisen oder vollständigen) Zuwendungsverzicht erklären.

Wie soll die Bindung bestehen?

Schon bei Testamentserrichtung sollte man daher die Frage klären, ob und in welchem Ausmaß der Längerlebende gebunden sein soll. Dem Längerlebenden kann über eine Öffnungsklausel die Möglichkeit eingeräumt werden, neu oder teilweise neu zu testieren, z.B. nur zwischen den gemeinsamen Abkömmlingen. Es kann auch bestimmt werden, welche Verfügungen wechselbezüglich sein sollen, d.h., welche Verfügungen miteinander stehen und fallen sollen.

In Patchwork-Situationen kann es gewünscht sein, dass der Längerlebende hinsichtlich der Kinder des Erstversterbenden gebunden ist, hinsichtlich seiner eigenen Kinder/Verwandten aber frei sein soll, neu oder anders zu verfügen.

Kinder als Schlusserben

Die Kinder als Schlusserben haben erst juristische Ansprüche, wenn das letzte Elternteil verstorben ist. Bis dahin können die Eltern zu Lebzeiten in der Regel frei über ihr Vermögen entscheiden und verfügen. Erst nach dem Tod des letzten Elternteils können die einzelnen Verfügungen juristisch überprüft werden.

Der Längerlebende kann zu Lebzeiten zwar über das Vermögen verfügen (es sei denn, es ist Vor- und Nacherbschaft angeordnet), aber Schenkungen können dem Schlusserben gegenüber unwirksam sein. Als Konsequenz muss zum Beispiel die an eins von drei Kindern verschenkte Immobilie nach dem Tod des Letztversterbenden zu je einem Drittel an die anderen zwei Kinder aufgelassen werden. Alle drei Kinder werden damit zu je einem Drittel als Miteigentümer ins Grundbuch eingetragen. Oder die dem neuen Ehegatten geschenkte Immobilie muss an die Kinder aus erster Ehe übereignet und herausgegeben werden.

Die Schenkung

Voraussetzung hierfür ist, dass die Schenkung durch den testamentarisch gebundenen Elternteil in Beeinträchtigungsabsicht hinsichtlich der Schlusserben vorgenommen wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt dies i.d.R. nicht vor, wenn der Schenker ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Ein solches kann z.B. bestehen, wenn der Schenker ein Kind zur Versorgung und Pflege an sich binden möchte oder dem neuen Ehegatten Dank und Ausgleich für Verdienstausfall wegen langjähriger Pflege gewähren möchte.

Jeder Fall ist verschieden. Eine umfassende juristische Beratung ist unerlässlich, um den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden und im Einzelfall eine gute Lösung zu entwickeln.

Anke im Masche, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, www.erbrecht-immasche.de

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Redakteur:

Axel-Holger Haase aus Buchholz

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