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Millionenschaden im Buchholzer Freibad

Radreise Stelle-Würzburg
Mit 83 Jahren auf großer Radtour

Service
Foto: Helena GARCIA@AdobeStock.com

JOBS und KARRIERE

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Radreise Stelle-Würzburg 19. April bis 26. April 2023

Vor 44 Jahren war ich 39. Als ein Orthopäde meine Kniebeschwerden mit normalem Verschleiß in diesem Alter erklärte, entstand ein lebenslanges gestörtes Verhältnis zu Orthopäden und der Wille, eine schon immer gewollte größere Fahrradtour zu starten. Ich bepackte mein normales 5-Gang-Rad mit viel zu viel Gepäck und fuhr in 7 Tagen 600 km bis Bayern. Danach funktionierten meine Knie einwandfrei.

Jetzt sind meine Knie wirklich irreparabel geschädigt und Laufen geht nur mit Stock oder Gehwagen. Jetzt habe ich ein E-Bike und kann wenigstens noch Rad fahren.

Wie im Alter üblich, kommen nostalgische Erinnerungen hoch. Wie schön wäre es, dieses unbeschreibliche Gefühl einer Fahrradtour ins Blaue noch ein letztes mal zu haben. Diese Mischung aus Freiheitsgefühl, Kampfgeist, Lebensfreude und Stolz.

Das Rad wird also wieder mit zu viel Gepäck beladen (weiß man natürlich erst hinterher),Luft aufgepumpt und jetzt auch vernünftigerweise ein Helm aufgesetzt.
Abfahrt 19.4.23 10 Uhr. Die Sonne scheint, aber es ist kühl und windig. Der alte Radfahrerspruch stimmt: Der Wind kommt immer von vorn.

Das Ziel bleibt zunächst unklar, außer dass es Richtung Süden geht.
Stelle, Salzhausen, Amelinghausen, Suderburg. In der Alten Schule im Museumsdorf Hösseringen bekomme ich Quartier. Im Schulhaus ist das eine Klassenzimmer Cafe und Bistro, wird auf einer Seite von einer riesigen Bücherwand begrenzt und ist liebevoll dekoriert. Im zweiten Klassenzimmer ist der urige Tante-Emma-Laden mit detailgetreuer Ausstattung von anno dazumal. Die Zimmer sind einfach, aber originell ausgestattet.

Die Route wurde unfreiwillig länger als nötig, da gut gemeinte Fahrradumleitungen die Radfahrer von der Autostraße locken wollen.
Das ist mir schon mehrfach passiert: Zunächst verführt glatter Asphalt zur Akzeptanz. Allmählich wird daraus ein Schotterweg, dann ein unebener löcheriger Sandweg. Hinzu kommen unnötige Steigungen.
Wenn man dann endlich die wenig befahrene Straße wieder erreicht, hat man viel Zeit und Kraft unnötig verbraucht.
Für Tagestourenfahrer mögen diese Umleitungen nützlich sein, zumal sie manchmal zu Sehenswürdigkeiten führen. Streckentourenfahrern rate ich aber davon ab. So wurden am 1. Tag schon 90 Kilometer gefahren. Gibt Bettschwere schon ab 20 Uhr.

Am 2. Tag wird es noch kühler und windiger. Von Hösseringen geht es an die B4. Nach vielen Kilometern auf einem parallel verlaufenden Radweg hört dieser unvermittelt auf. Jetzt rauschen Autos aller Größenordnungen an mir vorbei und versuchen, mich in ihren Sog zu ziehen. Dank meines Rückspiegels halte ich in brenzligen Situationen am äußersten rechten Straßenrand an. Versuche, Umleitungen über Dörfer zu fahren, führen zu fatalen Irrwegen. Also weiter mit schlotternden Knien und konzentriertem Blick in den Rückspiegel.

Hösseringen, Sprakensehl, Gifhorn, Meine, Braunschweig. Nach 100 km im vom ADFC empfohlenen Bett und Bike Hotel ein Zimmer im 2. Stock. Das Treppensteigen mit Gepäck ist fast mühsamer als die Tagesetappe.
Abends gibt es als Belohnung ein gutes Essen und Bier.

Apropos Essen: Mittags gibt es außer einem Energieriegel grundsätzlich nichts. Richtiges Essen macht müde und außerdem ist die Vorfreude auf ein schönes Abendessen ein zusätzlicher Antrieb, durchzuhalten. Wie die vorauseilende Wurst beim Hunderennen.

Der 3.Tag führt Richtung Goslar. Es ist sonnig und deutlich wärmer.
Von Braunschweig nach Wolfenbüttel und weiter durch viele unbekanntere Orte immer bergauf, bergab, bergauf, bergab im Harzvorland. Ich habe Respekt vor meiner damaligen Leistung ohne Akku. Aber auch mit Akku braucht man Kraft und Ausdauer. Spruch des Tages:
„Wer den Berg sich aufwärts schindet, wäre froh, wenn der verschwindet. Wenn er aber runterfährt, denkt er eher umgekehrt.“

Von Goslar geht es dann hoch zur Okertalsperre und weiter nach Altenau.
Die Steigung bis dahin ist leichter geschafft, als zu erwarten war. Das Tagesziel ist jetzt Osterode. Jetzt beginnen heftigere Steigungen an viel befahrener Straße. Radfahrempfehlungen durch den Wald werden aus erwähnten Gründen verschmäht.
Die geplante Abfahrt über Riefensbeek ist gesperrt. Weitere Steigung bis Clausthal-Zellerfeld. Der Akku ist fast leer. Meiner auch. Zum Glück geht es mit leerem Akku jetzt nur noch bergab. Nach 94 km wird in einem netten Hotel in Osterode übernachtet. Spargelessen im Ratskeller. Wieder um 20 Uhr ins Bett.

Tag 4. Sonnig und warm.
Das Harzvorland-Süd ist noch anstrengender als das Harzvorland-Nord. Außerdem ist offenbar mein Handyakku defekt und ich kann nur nach Gefühl und Sonnenstand fahren. Wie hinterher zu sehen war, ging es in gewaltigem Zickzack über Heiligenstadt an die Werra. In Bad Soden-Allendorf nach 95 km gibt es Quartier in einem Hotel mit Fahrstuhl !
Blicke von Gästen auf der Terrasse lassen erkennen, dass Radfahrer hier nicht so recht hinpassen. Nach gründlicher Umkleide lassen die Blicke nach und ich werde sogar interessiert angesprochen. Sehr frühes Schlafen ist und bleibt jetzt die Regel.

Tag 5. Morgens kühl, später mäßig warm. Windig.
Von Bad Soden-Allendorf bis Eschwege geht es mühelos auf dem Werratal-Radweg voran. Dann bis Sontra durchs Wehretal und weiter mit beträchtlichen Steigungen hinüber nach Rotenburg an der Fulda. Auf dem Fuldaradweg über Bebra , Bad Hersfeld nach Niederaula. Zum zweiten mal genau 100 km.
In einem kleinen einfachen Hotel bin ich einziger Gast. Die Wirtin, aus dem Kosovo stammend, erzählt einen Teil ihrer Lebensgeschichte, während ich versuche, anständigerweise mein trockenes Schnitzel bis zum Ende zu essen.

Tag 6. Kühl, windig und später heftige Regenschauer.
Das Ziel ist heute Jossa. Da das Gasthaus schon von früher bekannt ist, wird das Zimmer schon morgens gebucht. Das Fahren ist nur zeitweise angenehm und bis Fulda noch nach Plan. Später folge ich dann einer als richtig angenommenen falschen Fahrradroute.
Nach Befragung eines Anwohners in Steinau ist der Irrtum schnell klar. Jetzt hätte ich im Regen und bei heftiger Steigung noch 18 km Umweg fahren müssen. Der Versuch scheitert. Nach wenigen Minuten ist der Akku leer. Zum Glück lässt es sich nach Steinau zurückrollen.
Der Ort hat zwar ein Tourismusbüro, aber kein Hotel. Schließlich wird ein Taxi gerufen und mit viel Glück auch bekommen. Das Rad und Gepäck passen hinein, und es geht mit dem Taxi im Regen nach Jossa. 82 km mit dem Rad + 18 km mit Auto. Abends schon wieder Schnitzel. Gibt nix anderes.

7.Tag. Kühl aber trocken.
Durchs schöne Sinntal und ab Gemünden dann auf dem Mainradweg bis Würzburg 75km.
Insgesamt leichtes Fahren. Hotel direkt im Zentrum (mit Fahrstuhl) Abends im Juliusspital gespeist und schönen Frankenwein genossen. Das Minimalziel ist erreicht.

Die Wetteraussichten für die nächsten Tage sind nicht gut und mein Wochenausflug mit 636 km wird spontan beendet.

Diese eine Woche mit täglich mindestens 6 Stunden in Bewegung tut der Seele gut. Man reduziert seine Probleme auf Wesentliches: Hab ich genug zu trinken, hält das Wetter, bekomme ich Quartier. Die Weltprobleme sind ausgeblendet, die Gedanken sind meditationsähnlich und es besteht eine ständige Konzentration auf den eigenen Körper. Man nimmt bewußt die allmählichen Veränderungen der Landschaft und des Stils wahr. Vom Backstein zum Fachwerk, vom Protestantischen zum Katholischen, vom Bier zum Wein.

Fazit: Es war wieder da, das Gefühl, ein Abenteuer zu bestehen, die Freude, an frischer Luft durch schöne Landschaften zu radeln, der Stolz in manchen Situationen, den inneren Schweinehund zu besiegen und überhaupt den Willen gehabt zu haben, das noch einmal zu schaffen.

Bei zeitweiligen Gesprächen mit Passanten, die nach dem Weg gefragt wurden, tauchte zunächst die Frage auf nach dem Woher und Wohin und dann folgte fast immer die Frage „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“
Die darauf folgenden Kommentare schwankten zwischen „Sie sind ja verrückt“, „Warum tun Sie sich das an“ und „Ne, das wär nix für mich“
Wenn man will, kann man das auch als indirekte Bewunderung verstehen. Jedenfalls trug es zur weiteren Motivation bei.

Zugegeben, es war eine ziemliche Schnapsidee, aber insgesamt gut umgesetzt.

Die letzte? - Wer weiß.

Leserreporter:

Klaus Bremer aus Stelle

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