Intelligentes Mehrwegsystem
Ein Jahr "Rebowl" und "Recup" in Buchholz - eine Bilanz

Oktay Gündogdu: "Es müssten mehr bei dem System mitmachen" | Foto: Helms
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JOBS und KARRIERE

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nw/os. Buchholz. Jeder kennt das: Der Magen knurrt, die Lust zu kochen hält sich in engen Grenzen und außerdem will man ja auch mal Gutes tun, zum Beispiel in Coronazeiten die lokale Gastronomie stützen. Schon hängt man am Telefon und ordert. Beim Griechen, Inder, Imbiss, Italiener, Türken, Gastronomen ums Eck - wo auch immer. Spätestens wenn nach dem leckeren Schmaus mal wieder der Gelbe Sack von Plastik-, Styropor- und Aluresten überquillt, meldet sich das schlechte Gewissen: Schon wieder so viel Verpackungsmüll!
Tatsächlich wächst nach einer Studie des Naturschutzbundes Deutschland der Verbrauch durch Take-away-Essen oder To-go-Getränke kontinuierlich. Laut der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), die die Daten im Auftrag des NABU erhoben hat, fielen 2017 in Deutschland 346.419 Tonnen an Abfall für Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen an. Über 60 Prozent der Abfälle aus Papier, Pappe und Karton sowie die Hälfte der Kunststoffabfälle fallen auf den Verbrauch von Einwegtellern, Einwegboxen und ähnliches für Speisen: Hier fielen 2017 über 155.000 Tonnen Abfall an, darunter knapp 50.000 Tonnen für Pizzakartons. Die Bundesregierung schätzt, dass In Deutschland täglich allein etwa 770 Tonnen Verpackungsmüll durch Take-away-Einwegverpackungen entstehen.
Doch es geht auch anders. Dank des im Buchholzer Klimaforum aktiven Klima-Teams Konsum und Ernährung hat sich der Take-away-Essen- und To-go-Getränke-Müllberg in der Nordheidestadt in den vergangenen Monaten zumindest etwas reduziert. Wir berichtet, hat sich das Team zum Ziel gesetzt, intelligente Mehrweg-Lösungen für Cafés, Imbissstuben und Restaurants zu etablieren, die es Konsumenten und Gastronomiebetreibern leichter machen, sich auch bei To-go-Produkten klima- und umweltfreundlich
zu verhalten. Die Mittel der Wahl heißen "Rebowl" und "Recup".
Bei "Rebowl" ersetzen wiederverwendbare Schalen die üblichen aufwendig produzierten und Müllberge erzeugenden Verpackungen für Take-away-Essen. "Recup" ist das Mehrwege-Pendant für die Einweg-Coffee-to-go-Becher. Schale und Becher werden von Gastronomen gegen fünf bzw. ein Euro Pfand an die Kunden ausgegeben. Sie halten mehrere Hundert Spülgänge aus, bestehen aus recyclebaren Polypropylen – und amortisieren sich im Falle der Mehrweg-Schale für die ausgebenden Gastronomen im Vergleich zu Einwegverpackungen bereits ab vier Essen pro Tag.
„Die Idee ist richtig gut“, sagt Oktay Gündogdu, der in seinem „Migo-Café“ seit Mai vergangenen Jahres Recup-Becher nutzt. „Wir bieten das unseren Kunden immer mit an“, betont der 39-Jährige. Die Resonanz darauf sei allerdings durchwachsen. Viele wollten die Becher nicht mitnehmen, nicht zuletzt, weil sie zu Hause zwar einen hätten, den aber - leider, leider - nicht dabei hätten. „Es müssten viel mehr bei dem System mitmachen“, analysiert der Schneverdinger. „Dann würden die Leute den Recup-Becher annehmen, ihn austrinken und könnten ihn danach einfach beim nächsten Systempartner wieder abgeben.“ Mehr Aufklärung über die durch Einwegverpackungen entstehenden Müllberge könnte auch nicht schaden. „Das schärft das Bewusstsein.“
Das ist bei Freundinnen und Freunden der asiatischen Cuisine schon recht ausgeprägt. Hoai Nguyen von „Lyly’s“ in der Poststraße schätzt, dass er seit Mai vergangenen Jahres etwa 600 bis 700 "Rebowls" im Umlauf hat. Regelmäßig Gebrauch davon machten etwa die Hälfte seiner Gäste. „Die bringen sogar ihre eigenen Beutel mit“, sagt der Buchholzer. „Viele sind von dem System begeistert.“ Freilich nicht alle. Ein Teil lehnt das vergleichsweise günstige Pfandsystem ab. Zu mühsam, zu umständlich. „Wir müssen die Menschen überzeugen, die Bowls zu nutzen, damit es weniger Müll gibt“, betont Nhuyen, der jeden Tag mit einem Aufsteller Werbung für das umweltfreundliche System macht. Es schade nichts, wenn man mehrere Sets nutzt - für zu Hause und fürs Büro. Auch der 50-jährige Gastronom ist davon überzeugt: „Je größer das Netz, desto besser.“
„In Hamburg läuft das System bereits sehr gut“, weiß Mohammad Fuzel, der gemeinsam mit seiner Frau 2020 das „Nila“ in der Neuen Straße eröffnet hat. „Wir bieten das allen unseren Gästen an“, berichtet der 40-Jährige. Insbesondere junge Leute freuten sich über das Angebot und nähmen es auch an. „Leider fragen die Menschen aber nicht danach“, bedauert Fuzel. Er wünscht sich deshalb, dass das System offensiver beworben und Gastronomen seitens des Systemanbieters der Einstieg leichter gemacht wird. Etwa durch kostenlose Probemonate. „Das würde die Akzeptanz erhöhen.“
„Mehrwegbehälter setzen sich immer mehr durch“, ist Klaus-Jörg Bode überzeugt. In seinem Imbiss „Snacks a la carte“ - im Volksmund auch „Schiebetür“ genannt - nutzen 50 bis 60 Kunden "Rebowl" regelmäßig. „Die sind etwa für Suppen und Salate optimal.“ Mit den neuen Zwei-Kammer-Behältern könne man mit Gerichten noch besser arbeiten. Müllvermeidung ist für Bode schon lange ein Thema. Deshalb war er sofort dabei, als "Rebowl" in Buchholz startete, hat aber auch eigene Mehrwegbehälter in Petto. Mehr noch: Wer möchte, bekommt auch schon mal seine Pommes auf einem Teller kredenzt, obwohl die nicht im Imbiss, sondern auf der Bank auf der anderen Straßenseite genossen werden sollen.
Unterm Strich ist in Sachen Mehrweg für Essen und Trinken zum Mitnehmen in Buchholz gleichwohl noch viel Luft nach oben. Das sieht auch Thorsten Dreyer nicht anders. In seinem Reformhaus mit Ausschank an der Neuen Straße hat er zwar auch "Recup" im Angebot. Die Nachfrage sei aber gering. Der Buchholzer sieht deshalb vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht. „Als Plastiktüten plötzlich Geld kosteten, hat sich deren Verbrauch drastisch reduziert - die Kunden haben sich schnell umgestellt.“
Die Legislative hat den Ruf offenbar gehört. Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants laut Verpackungsgesetz verpflichtet, auch Mehrwegbehälter als Alternative zu Einwegbehältern für Essen und Getränke zum Mitnehmen und Bestellen anzubieten. Das gilt dann übrigens EU-weit. Eine Ausnahme soll es lediglich für kleine Betriebe geben - etwa Imbissbuden - mit maximal fünf Beschäftigten und maximal 80 Quadratmetern Verkaufsfläche. Diese sollen ihrer Kundschaft Speisen und Getränke auch in mitgebrachte Behälter abfüllen können - und diese deutlich auf diese Möglichkeit hinweisen.
„In Buchholz müssen wir nicht bis 2023 warten“, sagt Manuela Zink vom Klimateam Konsum und Ernährung. „Wir können schon heute bei der Bestellung explizit danach fragen, ob wir unser Take-away-Essen oder To-go-Getränke im Mehrwegbehälter bekommen können.“ Zink ist überzeugt: „Je mehr und je öfter Menschen darum bitten, desto mehr Gastro-Betriebe werden dieser Bitte auch nachkommen.“ Und das tut nicht nur der Umwelt gut. Denn spätestens wenn nach dem leckeren Mahl der Gelbe Sack auf der Rolle bleibt, meldet sich auch das gute Gewissen: Schon wieder jede Menge Verpackungsmüll gespart!
Übrigens: Gastronomiebetriebe, die sich bis zum 31. März für ein Jahr bei Rebowl/Recup anmelden, bekommen sechs Monate Systemgebühr geschenkt. Drei Monate vom Systemanbieter, drei weitere vom Klimaforum der Stadt Buchholz.

Sie haben "Rebowl" und/oder "Recup" im Angebot

Buchholz endlich unverpackt (Recup)
Bäckerei Weiss (Recup)
Cafe Migo (Recup)
Caspari (Rebowl)
Gelateria De Vita (Recup)
Cafe Schafstall (Recup/Rebowl)
Henry‘s (Recup/Rebowl)
Lyly´s (Rebowl)
Nila Afghanische Küche (Rebowl)
Shell und Aral Tankstellen (Recup)
Snacks à la carte (Recup/Rebowl)

Oktay Gündogdu: "Es müssten mehr bei dem System mitmachen" | Foto: Helms
Sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen: Thorsten Dreyer vom Reformhaus Dreyer | Foto: Helms
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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