WOCHENBLATT im Gespräch mit langjährigen Mitarbeitern / Über 200 Arbeitsplätze betroffen
Pella Sietas: Letzte Hoffnung ist ein neuer Investor

Betriebselektriker Gerald Schröder (li.) und Betriebsratsvorsitzender Georg Netuschil sind zwei langjährige Pella-Sietas-Mitarbeiter, die hoffen, dass ihr Arbeitsplatz in Neuenfelde erhalten bleibt | Foto: sla
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  • Betriebselektriker Gerald Schröder (li.) und Betriebsratsvorsitzender Georg Netuschil sind zwei langjährige Pella-Sietas-Mitarbeiter, die hoffen, dass ihr Arbeitsplatz in Neuenfelde erhalten bleibt
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sla. Neuenfelde. Gespenstische Stille auf der Traditionswerft Pella Sietas in Neuenfelde. Bis vor Kurzem haben hier 222 Beschäftigte gearbeitet, die nun in Kurzarbeit sind oder von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen und nicht zur Arbeit kommen, weil sie über zwei Monate keinen Lohn erhalten haben. Ebenfalls betroffen sind weitere 1.500 Mitarbeiter in Zuliefererfirmen. Wie berichtet, sind die Kassen leer. Das teilte der Insolvenzverwalter Achim Ahrendt am vergangenen Donnerstagvormittag bei der kurzfristig anberaumten Betriebsversammlung den Mitarbeitern mit.
In der riesigen Werkshalle stehen Brücke, Vor- und Seitenschiff einer Hybridfähre, die noch nicht fertiggestellt ist. Aber ohne Lohn wird hier keiner mehr arbeiten. Denn auch die Existenzen der Beschäftigten sind bedroht. Betriebselektriker Gerald Schröder und Betriebsratsvorsitzender Georg Netuschil sind zwei der langjährigen und wenigen Mitarbeiter von Pella Sietas, die derzeit noch auf dem Gelände arbeiten. Der 57-jährige Betriebselektriker ist mit kurzer Unterbrechung seit 27 Jahren bei Pella Sietas. Georg Netuschil hat hier bereits 1983 Schiffbau-Technik gelernt. Seit 1. August ist er Betriebsratsvorsitzender, sein Vorgänger hat aus finanziellen Gründen gekündigt. Schröder und Netuschil haben bereits 2012 die erste Insolvenz von Pella Sietas miterlebt, berichten sie im WOCHENBLATT-Gespräch. "Das war ein richtiger Schlag in den Nacken", sagt Schröder. Es habe ihn hart getroffen und er sei in Depressionen verfallen. Denn damals war die Insolvenz nicht absehbar und kam plötzlich. Nach Übernahme des russischen Investors Pella sei er gefragt worden, ob er nicht zurückkommen wolle. Trotz geringeren Lohns habe er gleich zugesagt, denn als Neuenfelder hängt er an dem Werft-Standort.
Einen kleinen Strohhalm zur aktuellen Rettung der Werft sieht Georg Netuschil in der Hybrid-Fähre, wenn man diese für den Auftraggeber, die Reederei Norden-Frisia, fertigstellen könnte. Die Reederei will allerdings jetzt von ihrem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch machen, da sie nicht mit einer rechtzeitigen Fertigstellung rechne. "Mit diesem Auftrag wäre schon mal Zeit gewonnen, um nach einem neuen Investor zu suchen", so Netuschil. Von der Muttergesellschaft in St. Petersburg sei keine Hilfe zu erwarten, da sie selber in finanziellen Schwierigkeiten stecke. Durch die Spezialisierung auf besondere Schiffe wie Fähren, Saugbagger und Eisbrecher habe sich die Pella-Sietas-Werft nach ihrem früheren Containerschiffbau über Wasser gehalten, erzählt Netuschil. Doch der Schiffbau befindet sich in rauer See, immer mehr kleine Werften werden von größeren geschluckt. Die Auftragslage mit vier Spezialschiffen ist für Pella Sietas grundsätzlich gut, aber einzig von der Norden-Frisia-Reederei sei Hilfe zu erwarten. Für die Bodenseefähre für die Stadtwerke Konstanz, einen Laderaumsaugbagger für den Bund sowie einen Eisbrecher für die russische Muttergesellschaft sei nicht mit Unterstützung zu rechnen.
Tragisch: Auch für das Verschlickungsproblem im Hafenbecken in Neuenfelde, das der Pella Sietas schon länger hohe Kosten bereitet hat, sei eine Lösung in Sicht. Für eine Spülleitung fehlen lediglich noch ein bis zwei Genehmigungen, so Netuschil. Durch die Corona-Pandemie verursachte Liquiditätsengpässe und die dramatische wirtschaftliche Situation im deutschen Schiffbau hätten zur Zahlungsunfähigkeit der Werft geführt, heißt es im Insolvenzantrag. Seit 29. Juli ist der Insolvenzverwalter an Bord und versucht, das Ruder herumzureißen. Ohne frisches Kapital ist die Traditionswerft am Ende. Den Preis müssten letztlich die Arbeitnehmer zahlen, die noch immer auf einen Fortbestand hoffen. Ansonsten würde ihr spezieller Wissensschatz verloren gehen.
• Pella Sietas, 1635 gegründet, ist die älteste noch bestehende Werft Deutschlands und zählt zu den ältesten noch aktiven Schiffsbaubetrieben weltweit. Von 1635 bis Anfang 2009 war das Unternehmen neun Generationen lang ununterbrochen im Familienbesitz. Der Familienname Sietasch wurde gegen Mitte des 18. Jahrhunderts zu Sietas verkürzt.

Betriebselektriker Gerald Schröder (li.) und Betriebsratsvorsitzender Georg Netuschil sind zwei langjährige Pella-Sietas-Mitarbeiter, die hoffen, dass ihr Arbeitsplatz in Neuenfelde erhalten bleibt | Foto: sla
Alles steht still auf der Pella-Sietas-Werft in Neuenfelde | Foto: sla
Redakteur:

Susanne Laudien aus Buxtehude

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