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War Johann Bossard ein Nazi?
Was das Vorgutachten über die Weltanschauung des Jesteburger Künstlers verrät

Privatdozent Dr. Tobias Hof präsentierte in der Kunststätte Bossard die Ergebnisse seiner Vorstudie. Er untersucht das Verhältnis von Johann und Jutta Bossard zum Nationalsozialismus
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Der Künstler Johann Bossard soll mit den Nationalsozialisten sympathisiert haben. Jetzt wurde an der Kunststätte Bossard ein Gutachten vorgestellt, in dem sein Verhältnis zur NS-Zeit untersucht wurde. 

as. Jesteburg. Es ist kompliziert - so lassen sich die ersten Ergebnisse der Forschung zum Verhältnis von Johann und Jutta Bossard zum Nationalsozialismus zusammenfassen. Privatdozent Dr. Tobias Hof vom Institut für Zeitgeschichte sollte ein Vorgutachten erstellen und hat im Rahmen der Reihe "Reden wir über Bossard" in der Kunststätte Bossard jetzt die ersten Ergebnisse seiner Forschung vorgestellt. Wer zur Präsentation des Gutachtens gekommen war, in der Hoffnung eine eindeutige Aussage über mögliche Verstrickungen Johann Bossards mit dem Nationalsozialismus zu erhalten, wurde enttäuscht. So einfach ist es nicht. Doch der Künstler ist auch weit entfernt von einem Freispruch. "Bossards Position ist ambivalent zu sehen", fasste Tobias Hof die Ergebnisse seiner Vorstudie zusammen.

Okkult, völkisch und national-konservativ
Einerseits sei Bossards völkisch-mythisches Weltbild in hohem Maße anschlussfähig an entsprechende Vorstellungswelten im Nationalsozialismus. Seine Weltanschauung speist sich aus okkulten, völkischen und national-konservativen Strömungen. Bossard habe seit 1930 Interesse an der nationalsozialistischen Bewegung gezeigt. Er habe gehofft, dass die Nationalsozialisten das "deutsche Volk" zu "neuer Größe" führen würden - ein Prozess, an dem er sich 1933/1934 auch selbst aktiv beteiligen wollte. "Bossard hoffte auf Aufträge für seine Kunst und die Umsetzung seiner utopischen Vorstellung des Landlebens, biederte sich den neuen Machthabern an und wurde enttäuscht, als er erkennen musste, dass seine Kunst nicht gewollt war", erklärte Tobias Hof. Für seine Zeitgenossen habe Bossard als Künstler nach 1910 eher eine untergeordnete Rolle gespielt.

Andererseits gibt es keine Belege, dass Bossard jemals Mitglied in der NSDAP war, zudem konnten laut dem Historiker in den untersuchten Dokumenten weder Anzeichen gefunden werden, dass Johann Bossard den rücksichtslosen Ausbau zur Diktatur noch eine Vernichtung der jüdischen Bevölkerung - und damit einen der Kernpunkte nationalsozialistischer Ideologie - befürwortete. Bossard war kein aktiver Unterstützer der NS-Vernichtungspolitik, blieb aber seiner völkisch, national-konservativen Weltanschauung verbunden, in der laut Hof auch antisemitische Tendenzen üblich waren.

Johann Bossard war kein Einzelfall
Johann Bossard sei kein Einzelfall, sondern vielmehr Teil einer völkischen Generation, einer Personengruppe völkischer Künstler gewesen, die wie Bossard an ihr Sendungsbewusstsein glaubten, sich aber in ihrer Kunst nicht an die Vorgaben des Regimes anpassten. "Er repräsentierte eine Gruppe von Personen und Künstlern, die aufgrund ihrer völkischen und deutsch-nationalen Gesinnung zunächst den Ersten Weltkrieg als Bestimmung des 'deutschen Volkes' und als einzige Möglichkeit zur Wiedergeburt des 'neuen Menschen' werteten. Während der Weimarer Republik propagierten sie eine republikfeindliche Haltung, lehnten die moderne Kunst ab und verstiegen sich nicht selten in krude Verschwörungserzählungen", schreibt Hof in der Vorstudie.

Drei Monate lang hat Tobias Hof Quellen wie das Schriftgut im Archiv der Kunststätte, den Bibliotheksbestand Bossards und seine Korrespondenz ausgewertet. Allerdings hegt der Historiker Zweifel an der Vollständigkeit des Nachlasses: Das Material aus den späten 1930er / 1940er Jahre sei im Vergleich zu den anderen Jahren im Nachlass Bossards deutlich unterrepräsentiert.

Weitere Forschung ist notwendig
Die Weltanschauung und das Wirken Johann Bossards müsse in einen breiteren Kontext eingebettet werden, um seine Verbindung zum Nationalsozialismus abschließend erforschen zu können. Der Historiker schlägt deshalb vier weitere Forschungsschwerpunkte vor, die zukünftig untersucht werden sollen: einerseits u.a. die Forschung zum Privatleben des Ehepaares Bossard im Nationalsozialismus, um aus dieser Perspektive heraus ein Verständnis von der nationalsozialistischen Diktatur zu gewinnen, andererseits und die Einordnung, welche Rolle Bossards schweizerische Abstammung für sein Weltbild und seine Beurteilung politischer Ereignisse hat. Eine weitere Forschungsperspektive wäre die Erweiterung des Quellenmaterials zu Bossards Netzwerk um seine Freunde Wohlthat und Offergeld und die Untersuchung zu Künstlern und Bossard im Besonderen als Teil einer völkisch geprägten Generation.

Neues Konzept für die Kunststätte Bossard
Tobias Hof entließ das Publikum mit einer Handlungsempfehlung: Es sei dringend geboten, über die historisch-kritische Vermittlung der Person und der Kunst Johann Bossards nachzudenken und die Kunststätte neu zu konzipieren, deren Grundlage die Ergebnisse der weiteren Forschung sein sollen. Wie der Stiftungsratsvorsitzende und Landrat des Landkreises Harburg, Rainer Rempe, bestätigt, wird die Forschung weitergeführt, orientiert an den von Dr. Hof vorgeschlagenen Schwerpunkten.

"Wir stellen uns diesem Thema"
"Wir sehen uns in der Verantwortung, mit diesem Thema richtig umzugehen und es richtig zu vermitteln. Aber wir sehen uns nicht in der Verantwortung dafür, was ein Johann Bossard gedacht und geschaffen hat", betonte Heike Duisberg-Schleier, Leiterin der Kunststätte Bossard. Sie kündigte an, sich: "Wir haben den Anspruch, uns diesem Thema zu stellen, es zu vermitteln und auszustellen, aber das wird seine Zeit brauchen." Dafür will sich die Kunststätte weitere Fachleute an die Seite zu holen.

Zurzeit prüft das Team der Kunststätte die Fördermöglichkeiten und Umsetzungschancen. Bis dahin wird die Ausstellung „Reden wir über Bossard“ im Seecontainer auf dem Gelände der Kunststätte überarbeitet und präsentiert die Ergebnisse der Vorstudie. Ein Umbau ist bis zum Sommer geplant. Des Weiteren wird die Beschilderung auf dem Gelände auf die neuen Forschungsergebnisse angepasst und auch die Themenführungen im Museumsalltag werden um die neuen Erkenntnisse ergänzt. Auch die Diskussionsreihe „Reden wir über Bossard“ wird fortgeführt.

Die Vorstudie von Dr. Tobias Hof ist unter www.bossard.de als Download und in gedruckter Form an der Museumskasse erhältlich.

Hintergrund
Bereits 2018 hatte Dr. Gudula Mayr, die damalige Leiterin der Kunststätte, erste Rechercheergebnisse zu Bossards Verhältnis zum Dritten Reich präsentiert, die damals jedoch keine große Diskussion auslösten. Das änderte sich, als 2019 die Pläne, die Kunststätte zu erweitern, bekannt wurden - und dass dafür rund 11 Millionen Euro an Fördermitteln in Aussicht gestellt werden (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach). Ein Artikel von Dr. Martin Doerry im "Spiegel" brachte die Debatte schließlich in die nationale und internationale Presse, die Studie von Gudula Mayr wurde als verharmlosend kritisiert. Ein Hakenkreuz im Mosaikboden des von Johann Bossard geschaffenen Edda-Saals befeuerte die Diskussion. Der Landkreis Harburg sowie die Stiftung der Kunststätte Bossard beauftragten schließlich das Institut für Zeitgeschichte mit einem neuen Gutachten.

Redakteur:

Anke Settekorn aus Jesteburg

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