Unentdeckter Tumor führte ihn in die Depression
Ein Schiffshorn im Ohr

Heute kann er wieder lachen: Der Neu Wulmstorfer Kai Bach lebte jahrelang mit einem unentdeckten Tumor in der Hörschnecke  | Foto: Christoph Weber
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JOBS und KARRIERE

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Alles begann mit einem Piepsen im Ohr: Was anfangs nach einem einfachen, stressbedingten Tinnitus aussah, entwickelte sich für den Neu Wulmstorfer Kai Bach zu einer jahrelangen Tortur. Heute spricht der 50-Jährige über seine Leidensgeschichte, seinen Weg aus der Depression und was ihm neuen Lebensmut gab.

2010 stand Kai Bach mitten im Leben, startete beruflich gerade international durch und galt als Shootingstar in der IT-Branche. Privat und beruflich verlief alles so, wie Kai Bach es sich immer vorgestellt hatte. Bis zu einem Freitagabend, nach einer stressigen Arbeitswoche, als es plötzlich anfing: Das Piepsen im linken Ohr. Die Diagnose lautete zunächst Burnout - eine verordnete Reha half vorübergehend, bis der Tinnitus und der einhergehende Hörverlust erneut auftraten. Erst ein- oder zweimal im Jahr, dann monatlich, dann wöchentlich, später sogar täglich. Helfen konnte ihm niemand. Die Ärzte waren ratlos, entdeckten sie doch keinerlei Hinweise auf den Ursprung seines Leidens.

Keine Hilfe in Sicht

"Sie haben nichts. Gehen Sie in die Psychiatrie", habe ein Arzt Kai Bach an den Kopf geworfen. "Das war ein derart niederschmetterndes Erlebnis", so Bach, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit sieben Jahren mit den Symptomen lebte und nirgendwo langfristige Hilfe erhielt. Er habe sich in dieser Zeit unverstanden gefühlt und sei verzweifelt gewesen - ein normales Leben war mit seinem Leiden nicht zu führen. Bei der Arbeit fand er sich schnell auf dem Abstellgleis wieder, von seiner aufsteigenden Karriere war nichts mehr übrig. "Der Ton war so unvorstellbar laut und tief. Es war wie ein Schiffshorn direkt in meinem Ohr", erinnert sich Kai Bach, der versuchte den Tinnitus mit Kopfhörermusik zu übertönen. "Ich bin damals wie ein Zombie durch die Gegend gelaufen." Eine Situation, die für die ganze Familie Bach extrem belastend war.

Kai Bach musste das Hören mit einem Cochlea-Implantat neu lernen | Foto: Bach
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Tiefpunkt und Lichtblick nah beieinander

Seinen Tiefpunkt erreichte Kai Bach dann an einem Dezembertag im Jahr 2017. Bisher kam der Tinnitus zwar täglich, jedoch nur abends. Doch an diesem Tag, während eines Spaziergangs, war der Ton plötzlich auch tagsüber da. Da sei es Bach klar gewesen: "Ich werde mir jetzt das Leben nehmen. Ich kann nicht mehr."
Und dann kam der erlösende Anruf: Endlich ein Fund. Endlich eine Diagnose. Nachdem ihm jahrelang niemand helfen konnte, fanden zwei HNO-Experten aus Hann-over einen winzig kleinen Tumor in seiner linken Hörschnecke. "Das war wie ein Weihnachtsgeschenk. Das hat mir neuen Mut gegeben", sagt Kai Bach, der nach dem Anruf noch ein weiteres halbes Jahr auf die Operation warten und somit täglich mit dem lauten Ton im Ohr leben musste. Der winzig kleine Tumor saß so tief, dass er bislang von niemandem entdeckt worden war.
Nach der lang ersehnten OP im Jahr 2018 musste Bach dann das Hören durch ein Cochlea-Implantat neu erlernen. "Anfangs hört man nur ein Krachen, das Ohr muss erst neu trainiert werden, bis man wieder Worte verstehen kann", erklärt Bach.

Auch das Gehen musste er aufgrund des Gleichgewichtssinns, der im Ohr sitzt, neu lernen. Mit Schwindel hat er bis heute zu kämpfen. Trotz seines jahrelangen Kampfs darum, ernstgenommen zu werden und endlich Hilfe zu bekommen, kann Bach mit seiner Leidensgeschichte langsam Frieden schließen. Dabei hilft ihm nicht nur seine Familie, sondern auch seine neue Leidenschaft - das Hörbuchsprechen.

Mit neuem Lebensmut startete er die "Hörbuchecke": Kai Bach | Foto: Christoph Weber
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Eine neue Leidenschaft

Nachdem dann die erlösende Diagnose und die langersehnte OP seinem Leiden ein Ende setzten, fasste der Familienvater neuen Lebensmut und ging endlich auch seiner Leidenschaft nach: dem Hörbuchsprechen. Daraus entstand schnell die Idee der "Hörbuchecke". Einer Plattform, auf der Bach von ihm eingesprochene Kurzgeschichten größtenteils kostenlos zur Verfügung stellt. Hierfür kooperiert Kai Bach mit Autoren, die ihre Kurzgeschichten gerne professionell eingesprochen hätten und für die Webseite zur Verfügung stellen. Eine Win-win-Situation für alle.

Begonnen hat alles mit seinem YouTube-Kanal, auf dem Kai Bach PC-Programmier-Videos in "einfachere" Sprache übersetzt. Der in der IT-Branche tätige Bach hatte den Kanal gestartet, um einen Ausgleich zu finden, denn auf der Arbeit geriet er durch sein Leiden schnell auf das Abstellgleis. "Tolle Stimme!" lautete das einhellige Feedback seiner mittlerweile auf 6.000 Follower angestiegenen Fanbase.

Durch die Unterstützung angespornt, besann Bach sich zurück auf einen Teil von ihm, der fast in Vergessenheit geraten war: "Ich habe schon immer gerne Geschichten erzählt, habe es geliebt, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Rückblickend hätte mir eine Schauspielausbildung wohl mehr gelegen."

Kai Bach in seinem heimischen Tonstudio | Foto: pm
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In der "Hörbuchecke" stöbern

Zum Schauspieler wurde der Neu Wulmstorfer nicht, doch Kai Bach entschied sich dazu, eine Sprecherausbildung in Hamburg zu absolvieren, wurde beispielsweise für ein Projekt von Levis gebucht und besprach die Telefonanlage der Bußgeldstelle Hamburg. Mit der "Hörbuchecke" (hoerbuchecke.de) erfüllte Bach sich dann einen Traum: "Ich finde es einfach spannend, mir die verschiedenen Figuren zu erschließen und ihre Gefühle zu interpretieren." Von Philosophischem und Historischem über Abenteuer-, Liebes- und Kindergeschichten bis hin zu Realerzählungen und eigens Verfasstem, spricht Kai Bach alles ein, "einfach weil es mir Spaß bringt", sagt er. Die "Hörbuchecke" soll zum Stöbern, Träumen und Zuhören einladen.

Hierfür ist Kai Bach auf der Suche nach weiteren Autoren, die ihre Kurzgeschichten vertont haben möchten und sie für die "Hörbuchecke" zur Verfügung stellen würden. Informationen hierzu sowie kostenlose Hörbücher finden sich unter https://www.hoerbuchecke.de/.

Trotz seiner Leidensgeschichte geht Kai Bach positiv durchs Leben: "So tief das Tal auch war, durch das ich wegen des Tumors gehen musste, so schön ist die neue Perspektive, die ich dadurch gewonnen habe." Er weiß, dass auf Schatten immer auch Licht folgt.

Kai Bach hatte einen Tumor in der Hörschnecke | Foto: Christoph Weber
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Pauline Meyer aus Neu Wulmstorf

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