Als Blinder der Bürokratie ausgeliefert
Günter Drögemüller (90) kämpft um Eintrag in Schwerbehindertenausweis

Günter Drögemüller benötigt dringend den "Blind"-Eintrag in seinem Schwerbehindertenausweis | Foto: ce
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"Blind ist nicht gleich blind. Da wird leider mit zweierlei Maß gemessen", sagt Ursel Drögemüller (81) aus Buchholz, die mit ihrem extrem sehbehinderten Ehemann Günter (90) dafür kämpft, dass ihm seine Beeinträchtigung im Schwerbehindertenausweis offiziell bescheinigt wird. Dabei erleben beide, dass oft starre Bürokratie statt des normalen Menschenverstandes regiert.

"Ich bin auch gehbehindert und benötige den Eintrag im Ausweis dringend, damit meine Frau, wenn sie mich zu Ärzten oder Behörden fährt, auf Behindertenparkplätzen stehen kann und uns lange, mühevolle Wege erspart werden", betont Günter Drögemüller gegenüber dem WOCHENBLATT.

Im Februar - ein ganzes Jahr nach der Antragstellung und anschließenden langwierigen Verhandlungen - hatte er vom zuständigen Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie einen Termin im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus bekommen. Dort sollte das Sehvermögen des Buchholzers von einem ärztlichen Gutachter festgestellt werden. Aufgrund einer altersbedingten Makuladegeneration, einer Netzhauterkrankung, die die Sehschärfe massiv reduziert, erkennt Günter Drögemüller seine Umwelt nur noch schemenhaft und ist - wie er dem WOCHENBLATT gegenüber gesteht - "oft total hilflos". Als blind im streng formalen Sinne des Sozialamtes gelten jedoch Menschen nur, wenn ihre Sehschärfe den sogenannten Visus-Wert von 0,02 (entspricht einer Sehschärfe von zwei Prozent) nicht übersteigt. Bei Drögemüller stellte der Gutachter einen Wert von 0,016 (also gut ein Prozent) fest und schickte dieses Ergebnis an das Sozialamt.

Als Ursel Drögemüller gut drei Wochen nach dem Arzttermin noch immer keinen Bescheid von der Behörde hatte, hakte sie dort nach, warum die Antwort so lange auf sich warten lasse. "Daraufhin erklärte man mir, die ärztlichen Sachverständigen der Behörde hätten das letzte Wort in der Angelegenheit und ihre Entscheidung noch nicht getroffen", berichtet sie.

"Wir warten händeringend auf die hoffentlich positive Antwort, denn erst wenn in meinem Schwerbehindertenausweis endlich das 'Bl' für 'Blind' steht, kann auch das Blindengeld vom Landkreis Harburg gezahlt werden", betont Günter Drögemüller. "Das Geld brauchen wir auch dringend, um Handwerker und Gärtner bezahlen zu können für die Arbeiten, die ich aufgrund meiner Blindheit nicht mehr selbst ausführen kann."

Das WOCHENBLATT hakte beim Landessozialamt nach. Dessen Pressesprecherin Sabine Allewelt erklärte: "Wir bemühen uns, die Angelegenheit schnellstmöglich im positiven Sinne zu klären."

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Kommentar: Menschliche Schicksale verkommen zu bloßen Zahlen

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"Der Mensch ist das Maß aller Dinge", hat der antike griechische Philosoph Protagoras gesagt. Dies scheint heute bei vielen Behörden nicht mehr zu gelten, wofür das Schicksal von Günter Drögemüller ein trauriges Paradebeispiel ist.
Dass der Senior blind und oft hilflos ist, erkennt jeder, der ihn trifft, sofort. Wenn das Landessozialamt trotzdem die Entscheidung, ob Drögemüller die Blindheit im Schwerbehindertenausweis bescheinigt bekommt, von einem kaum nachvollziehbaren Zahlenwert abhängig macht, ist der Mensch nicht mehr das Maß aller Dinge, sondern wird zum Opfer bloßer Maßeinheiten.
Hier muss in den Ämtern endlich umgedacht werden. Menschen wie Günter Drögemüller sind durch ihre Behinderung schon genug gestraft. Ihre Schicksale und Anliegen dürfen nicht unter einem immer größer werdenden Haufen mehr oder weniger sinnvoller bürokratischer Vorschriften begraben werden!
Christoph Ehlermann

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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