Immer noch eine Seltenheit: Ein Mann als Erzieher
Sein Beruf galt lange als "Frauenjob": Hannes Morgenstern arbeitet im Kindergarten in Ahlerstedt
jd. Ahlerstedt. Früher galt er als der klassische Frauenberuf schlechthin: Kindergärtnerin. Auch wenn sich die Berufsbezeichnung geändert hat, ist diese Tätigkeit noch immer eine Frauendomäne. Bundesweit gibt es nur sechs Prozent männliche Erzieher. Einer von ihnen ist Hannes Morgenstern. Der 29-Jährige, der seit Kurzem eine kleine Kita in Ahlerstedt leitet, ist froh darüber, dass sich die Einstellung unserer Gesellschaft in Bezug auf Männer in "Frauenjobs" mittlerweile im Wandel befindet. Er muss nicht mehr gegen Vorurteile ankämpfen. Morgenstern hat in seinem Berufsleben bisher durchweg positive Erfahrungen gemacht.
Auch wenn die Anzahl der Männer im Erziehungsurlaub in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist: Die Betreuung von Kleinkindern ist weiterhin überwiegend Frauensache. Männer tauchen im Alltag von vielen unter Sechsjährigen - abgesehen von den Wochenenden - nur als Randpersonen auf, die man allenfalls abends vor dem Zubettgehen noch kurz sieht. An dieser Situation ändert sich für die meisten Kinder durch den Kita-Besuch nichts.
Ganz anders jetzt in Ahlerstedt: Dort ist nach Ostern eine Zwei-Gruppen-Kita an den Start gegangen. Für die Kinder in der Elementargruppe (Drei- bis Sechsjährige) war es bereits nach wenigen Tagen selbstverständlich, dass sie von einem Mann betreut werden. "Ich arbeite im Prinzip nicht anders als meine fünf Kolleginnen", sagt Morgenstern. Er würde mit den Kindern genauso basteln, ihnen Bücher vorlesen oder sie trösten, wenn sie sich wehgetan haben. "Die Kinder akzeptieren mich und haben kein Problem damit, dass ich ein Mann bin."
Im Gegenteil: Ihm falle es wahrscheinlich leichter als weiblichen Beschäftigten, auch mal auf jungenspezifische Bedürfnisse einzugehen. Damit meine er nicht nur raufen, klettern oder herumtoben, sondern beispielsweise den Umgang mit Werkzeugen wie Hammer, Säge oder Bohrer. "Handwerkliche Betätigung macht mir Spaß und diesen Spaß versuche ich auch an die Kinder weiterzugeben", sagt Morgenstern.
Dabei gehe es ganz und gar nicht darum, klassische Rollenmuster zu pflegen. Schließlich vermeide er es auch bewusst, sich in der Kita nur auf männertypische Aufgabenbereiche festlegen zu lassen. "Ich steh mit den Kindern auch gern mal in der Küche, um ihnen deutlich zu machen, dass das ganz normal für einen Mann ist." So können frühzeitig Klischees aufgebrochen werden. Ganz unabhängig von irgendwelchen Theorien zum Thema Geschlechterrollen setze er ohnehin darauf, den Kindern möglichst viele Freiheiten zu lassen. Er habe sich als Erlebnispädagoge schulen lassen und dabei gelernt, dass man den Kindern die Chance geben müsse, sich auszuprobieren, Fähigkeiten zu entwickeln und nicht alltägliche Erfahrungen zu sammeln. "Das muss nicht immer ganz hochpädagogisch sein", meint Morgenstern. "Hier zählt oftmals einfach nur das Erlebnis."
Der Kita-Leiter möchte junge Männer dazu ermuntern, über eine Ausbildung zum Erzieher nachzudenken. "Dieser Beruf ist nicht nur spannend, sondern bereitet auch viel Freude, weil einem die Kinder so viel an Begeisterung zurückgeben." Und Vorbehalte seitens der Eltern gebe es schon lange nicht mehr. "Ich habe bislang nur positives Feedback erhalten." Allerdings werde er an und ab noch von Vätern angesprochen, die ihm mit mitleidsvoller Miene erklären: "Ich könnte so etwas nicht."
Männeranteil liegt unter zehn Prozent
Auch in der Region sind Männer im Erzieherberuf eher selten. Das WOCHENBLATT hat sich bei Kita-Trägern in den Landkreisen Harburg und Stade umgehört. Demnach bewegt sich die "Männerquote" bei den pädagogischen Mitarbeitern (Erzieher, Sozialassistenten) überall unter der Zehn-Prozent-Marke.
So liegt der Männeranteil bei den 380 Kita-Beschäftigten des DRK-Kreisverbandes Stade bei acht Prozent. Die Stadt Stade beschäftigt acht Männer in ihren Kitas und kommt damit auf eine Quote von fünf Prozent. Noch geringer ist die Quote beim evangelischen Kita-Verband des Kirchenkreises Buxtehude, wo auch Hannes Morgenstern angestellt ist: Bei 129 weiblichen und nur fünf männlichen Beschäftigten beträgt der Männeranteil nicht einmal vier Prozent.
Nur wenig höher ist die Quote in den evangelischen Kita-Verbänden der Kirchenkreise Winsen und Hittfeld (Kreis Harburg). Dort machen männliche Erzieher knapp sechs Prozent der Beschäftigten aus.
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