Amtsinhaber kommt aus dem Landkreis Harburg
WOCHENBLATT-Interview mit Andreas Kirschenmann, dem neuen Präsidenten der IHK Niedersachsen

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(bim). Andreas Kirschenmann, der seit Februar 2019 die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Region als Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg vertritt, wurde jetzt zum Präsidenten der IHK Niedersachsen ernannt.

Zur Person
Andreas Kirschenmann, Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Gastroback GmbH aus Hollenstedt im Landkreis Harburg, ist seit 2019 Präsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg. Zuvor engagierte sich der 53 Jahre alte Diplom-Kaufmann als ehrenamtlicher Prüfer in der IHK. Er ist darüber hinaus Mitglied im Mittelstandsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Im WOCHENBLATT-Interview spricht er über sein Ehrenamt, seine Ziele und die Herausforderungen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft.

WOCHENBLATT: Herr Kirschenmann, Sie waren nun fast drei Jahre lang Präsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg. Welche Anliegen der Unternehmen konnten Sie umsetzen?
Andreas Kirschenmann: Ich stehe als Präsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg zwar an der Spitze des ehrenamtlichen Unternehmerparlaments, aber mit mir bestimmen 99 weitere Mitglieder der IHKLW-Vollversammlung die Ziele. Gemeinsam haben wir den Fokus auf die Digitalisierung und die Zukunftsfähigkeit unserer Region gelegt. Dazu gehörte auch, die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern und die Unternehmen bestmöglich durch diese Krise zu begleiten. Als IHK Lüneburg-Wolfsburg haben wir direkt zu den ersten Soforthilfen eine digitale Beratungsoffensive gestartet. Dazu gehören neue Informationsformate wie ein Corona-Newsletter, mit dem wir 15.000 Abonnenten über aktuelle unternehmensrelevante Neuigkeiten zur Corona-Pandemie informieren bis hin zu digitalen Veranstaltungsformaten. Gleichzeitig haben wir den direkten Kontakt zur Wissenschaft gesucht und uns vom Helmholtz-Zentrum in Braunschweig beraten lassen. Zudem stehen wir in engem Austausch mit der Landesregierung. Viele unserer Formate, wie Expertentipps für Soloselbstständige, Azubi-Speeddatings oder Online-Betriebsbesichtigungen zur Berufsorientierung haben wir digital umgesetzt und dafür sehr gutes Feedback bekommen. Gleichzeitig hat das mobile Arbeiten gezeigt, wie wichtig eine lückenlose und leistungsfähige digitale Infrastruktur ist. Hierfür setzen wir uns seit Jahren ein und freuen uns, dass Niedersachsen in diesem Punkt viel besser geworden ist. Andererseits ist jeder weißer Fleck einer zu viel. Insofern bleiben wir weiter dran an dem Thema.

"Bereichsübergreifend Interessen stärker bündeln"

WOCHENBLATT: Als Geschäftsführer des Unternehmens Gastroback sind Sie zeitlich bereits stark beansprucht. Wie viel Zeit investieren Sie pro Woche ins Ehrenamt, und was sind Ihre Aufgaben?
Andreas Kirschenmann: Die Themen und Aufgaben, die mit diesem Amt verbunden sind, sind sehr vielfältig. Gerade in dieser Zeit sind wir als IHK gefordert, wie eigentlich niemals zuvor. Mein Ziel ist es, dass wir den Unternehmen in der Corona-Krise die beste Unterstützung geben, die wir überhaupt mit unserer Organisation leisten können, und das gilt natürlich auch für mich als Präsident. Deshalb ist der Zeiteinsatz schon erheblich und es gab Wochen, in denen ich eigentlich die ganze Woche IHK-Themen bearbeitet habe oder in Meetings von Gremien oder Gesprächen mit der Politik war. Aber auch hier haben die digitalen Möglichkeiten geholfen, weil dann eben keine Reisezeiten erforderlich sind.

WOCHENBLATT: Sie fordern mehr Tempo bei Infrastruktur, Digitalisierung und Bürokratieabbau. Wie sollen diese Ziele erreicht werden?
Andreas Kirschenmann: Es geht darum, dass Unternehmen sich allzu oft durch komplexe Regulierungen, langwierige Verfahren und praxisferne Vorgaben ausgebremst fühlen. Die Landesregierung hat schon einiges auf den Weg gebracht, um die Situation zu verbessern. Mir ist es wichtig, einmal den tieferen Ursachen für die vielfältigen ‚systemischen Blockaden‘ und ‚Bremsklötze‘ auf den Zahn zu fühlen. Woran liegt es eigentlich wirklich, dass wir so viel Zeit verlieren?
Der Internet- und Digitalisierungsaktivist Sascha Lobo hat in einem Interview, das ich gestern gelesen habe, von systemischer Dysfunktionalität in Bezug auf viele Langzeitprojekte gesprochen. Das kann ich nur bestätigen, wenn ich zum Beispiel an die Umsetzung des Digitalpaktes in den Schulen denke. Hier liegen seit Jahren Mittel unabgerufen rum und die Schulen hängen dem digitalen Zeitalter hinterher.
Gerade jetzt, beim Weg aus Corona, kommt es besonders auf gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Geschwindigkeit an. Damit meine ich schnelles und entschlossenes Handeln. Deshalb lautet das Jahresthema für die IHKN auch ‚Niedersachsen muss schneller werden‘. Dafür braucht es viele Partner – aus Politik, Verwaltung und auch aus der Wirtschaft. Die IHKs in Niedersachsensen vertreten gemeinsam die Interessen von rund 495.000 Unternehmen. Wir sprechen also mit starker Stimme und wissen aus dem engen Kontakt zu unseren Mitgliedsunternehmen, wo der Schuh drückt.

WOCHENBLATT: Und wie genau soll der Bürokratieabbau gelingen?
Andreas Kirschenmann: Das enorme Entlastungs- und Modernisierungspotenzial, das digitale Angebote und Lösungen für Gesetzgebung und Verwaltung eröffnen, wird bislang nicht ausreichend genutzt. Wir möchten die Blockaden, die unsere Wirtschaft immer wieder behindern und viel Zeit kosten, identifizieren und lösen. Als IHKLW-Präsident möchte ich mittelfristig einen interdisziplinären ThinkTank einrichten, der das Problem von vielen Seiten betrachtet. Und auf Landesebene gibt es bereits einen Anfang: So hat die Landesregierung vor rund einem Jahr eine Clearingstelle errichtet, die die Aufgabe hat, Gesetzesentwürfe auf ihre Auswirkungen auf den Mittelstand hin zu prüfen und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Das bezieht sich zwar nur auf neue Gesetzesvorhaben, aber hier hilft auf jeden Fall, weitere Belastungen abzuwenden. Wichtig dabei: die Clearingstelle sitzt nicht in einem Ministerium, sondern bei der IHK Niedersachsen. So wird der tägliche Austausch zwischen Politik und Praxis gefördert.

WOCHENBLATT: Inwieweit werden Sie diesbezüglich die Politik einerseits und die Unternehmen andererseits in die Pflicht nehmen?
Andreas Kirschenmann: Die Wirtschaft braucht jetzt einen spürbaren Investitions- und Wachstumsschub. Aufgabe der Politik ist es, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die Unternehmen entlasten und Beschäftigung sichern. Es freut mich, dass die neue Bundesregierung die Beschleunigung von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren auf ihre Agenda gesetzt hat und damit eine langjährige Forderung der IHK-Organisation aufgreift. Wichtig sind außerdem technologisch und wirtschaftlich realistische Anforderungen beim Klimaschutz. Natürlich wollen wir als Unternehmerinnen und Unternehmer unseren Beitrag für eine gute Zukunft unseres Landes leisten. Aber wir müssen den Weg in Richtung Klimaneutralität gehen, ohne unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu riskieren. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die wichtigsten Wirtschaftsblöcke der Welt sich endlich auf gemeinsame Standards verständigen. Natürlich nehmen wir die Politik hier in die Pflicht und formulieren, was unsere Unternehmen brauchen. Es muss doch allen klar sein, dass unser Land nur mit einer funktionierenden Wirtschaft die Zukunft gestalten kann.

WOCHENBLATT: Im WOCHENBLATT-Interview 2019 war ein drohender ungeordneter Brexit eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Seit zwei Jahren und bis heute ist es die Corona-Pandemie. Was sind die größten Probleme bzw. Herausforderungen für die Unternehmen?
Andreas Kirschenman: Nach Berechnungen des DIHK hat Corona uns hierzulande bisher fast 400 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung gekostet. Kein Wunder also, dass die rasante Verbreitung der Omikron-Variante Unternehmen verunsichert. Ein weiterer Lockdown muss unbedingt verhindert werden. Risiken jenseits der Pandemie sind außerdem steigende Energiepreise, Rohstoffengpässe und der Fachkräftemangel. Auch die immer noch verstopfte Schifffahrt und die steigenden Preise insgesamt machen mir im Moment etwas Bauchschmerzen. Ich hoffe aber, dass die Volkswirte Recht behalten und sich diese Effekte im Laufe diesen Jahres wieder einpendeln und sich die Märkte wieder normalisieren. Eines ist jedoch klar: Weitere Krisen kann die Weltwirtschaft im Moment nicht gebrauchen.

"Zahlreiche Betriebe stehen am Abgrund"

WOCHENBLATT: Welche Branchen sind am schwersten von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen?
Andreas Kirschenmann: Besonders betroffen sind das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel und das Veranstaltungsgewerbe. Inzwischen sind durch die Lieferkettenprobleme, die sich quasi aus der Corona-Lage ergeben haben, fast alle Branchen des produzierenden Gewerbes oder des Handels- und auch des Handwerks mehr oder weniger betroffen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der schon vor der Corona-Krise ein gravierendes Problem für die niedersächsische Wirtschaft war und sich durch die Pandemie ebenfalls verschärft hat.

WOCHENBLATT: Rechnen Sie damit, dass die Wirtschaft sich nach der Pandemie wieder soweit erholt wie vor Pandemie-Zeiten?
Andreas Kirschenmann: Gerade in und nach der Krise sind unsere Kompetenzen als Unternehmer gefragt. Improvisationstalent, die Bereitschaft Risiken zu tragen, schnelles Umschalten und Umdenken und die Reduktion von komplexen Entscheidungssituation auf die wichtigsten Aspekte hin zu schnellen und pragmatischen Lösungen – das ist es was unseren Erfolg ausmacht. Allerdings ist die Aufholstrecke noch lang. Insofern gehe ich davon aus, dass wir das Vorkrisenniveau wohl erst gegen Ende 2022 erreichen könnten.

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WOCHENBLATT: Aus welchem Grund wurden die Gebühren für die Ausbildung erhöht?
Andreas Kirschenmann: Die Vollversammlung hat in der Sitzung im vorigen Dezember den Beschluss aus dem Jahr 2015 mit großer Mehrheit bestätigt, dass Ausbildungsgebühren eine Kostendeckung von 50 Prozent haben sollen. Das heißt, dass alle Leistungen im Rahmen der Eintragung und Prüfungsdurchführung zur Hälfte aus dem allgemeinen IHK-Haushalt bezuschusst werden. Die ausbildenden Betriebe werden damit weiterhin solidarisch entlastet – seit 2015 bereits mit mehr als neun Millionen Euro.
Die regelmäßige Überprüfung der Betreuungsgebühren hat ergeben, dass der beschlossene Deckungsgrad von 50 Prozent insgesamt deutlich unterschritten wird. Die Gründe dafür sind vielfältig, so machen auch wegen des demografischen Wandels weniger junge Menschen eine Ausbildung, wir haben aber auch erhöhte Aufwendungen bei der Organisation und Durchführung der Prüfungen. Viele Ausbildungsberufe wurden in den letzten Jahren modernisiert und neue komplexere Prüfungsstrukturen eingeführt – z.B. gestreckte Abschlussprüfungen. Durch den damit einhergehenden höheren Zeitaufwand für unser Ehrenamt sind auch die erforderlichen Aufwandsentschädigungen deutlich gestiegen. Eine vom Gesetzgeber verfügte 20prozentige Erhöhung der Entschädigungssätze kommt hinzu.
Um den Zieldeckungsgrad von 50 Prozent wieder zu erreichen, ist eine Anpassung der Gebühren erforderlich. Sie erhöhen sich je nach Beruf zwischen 22 und 39 Euro pro Ausbildungsjahr. Die letzte Gebührenerhöhung fand vor sechs Jahren statt.

IHK-Präsident kommt aus dem Landkreis
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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