Von der Back- in die Waschstube: Marlies Olbrich führt ein Geschäft, von dem viele gar nicht wissen, dass es das gibt
mum. Jesteburg. Manchmal kommt es vor, dass plötzlich jemand in Marlies Olbrichs (64) Geschäft am Ziegeleiweg in Jesteburg steht, weil er einfach nur wissen möchte, was das ist - eine Heißmangel. „Die meisten jungen Leute kennen das gar nicht mehr“, sagt sie lächelnd. Die Heißmangel ist eine große Bügelmaschine, die mit einer Rolle Textilien einzieht. Und die Rolle ist, wie es der Name schon andeutet, heiß. Sehr heiß. „Wenn wir Baumwolle mangeln, kann man die Rolle nicht anfassen“, sagt Marlies Olbrich. Am häufigsten gemangelt wird Bettwäsche, gefolgt von Tischdecken und Vorhängen.
Um mithilfe einer Heißmangel ein gutes Ergebnis - sprich schöne glatte Wäsche - zu erzielen, muss man ein geschicktes Händchen haben. Marlies Olbrich hat dieses Talent. Seit 1993 wohnt die gebürtige Leipzigerin mit ihrem Mann Hans-Peter in Jesteburg. Seit 2000 führt sie das Geschäft, das schon seit 35 Jahren besteht. Ihre Vorgängerin, Liesbeth Keller, war eng mit Franziska Röder, Seniorchefin des „Jesteburger Hof“, befreundet. Als dort das Aufkommen an Bett- und Tischwäsche aufgrund steigender Übernachtungszahlen immer größer wurde, schlug Franziska Röder ihrer Freundin vor, sich mit einem Heißmangel-Service selbstständig zu machen. Viele Jahre machte diese Kooperation fast 80 Prozent der Aufträge aus. „Das hat sich inzwischen geändert“, sagt Marlies Olbrich. Der „Jesteburger Hof“ setze nun auf Leihwäsche. Der engagierten Frau ist es aber gelungen, mit vielen Privatkunden die Lücke zu schließen. „Am Ende des Monats bleibt auf jeden Fall Geld übrig.“
Marlies Olbrich hätte sich am Anfang ihrer Karriere nicht vorstellen können, einmal in der Wäschebranche anzukommen. Ihre Eltern besaßen eine Bäckerei. Also erlernte sie zunächst das Konditor-Handwerk. Danach studierte sie Lebensmitteltechnik. „Ich war in Dresden für die Qualitätskontrolle des Weihnachtsstollen verantwortlich“, erinnert sich die sympathische Frau. Nach der Wende arbeitete sie für eine große Hamburger Bäckerei als Bezirksleiterin. „Ich war für eine bestimme Anzahl von Filialen zuständig.“ Doch als sie merkte, dass der Beruf sie auslaugte, entschied sie sich für den Wechsel. Durch eine Zufall erfuhrt Marlies Olbrich, dass die Heißmangel zu haben war - und griff zu.
Anfangs sei es seltsam gewesen, die Bettwäsche fremder Menschen zu mangeln. „Aber irgendwann macht man sich darüber keine Gedanken mehr“, so die Inhaberin, die noch vier Mitarbeiterinnen beschäftigt.
Das Gewerbe hat sich verändert. Die jüngere Generation lege kaum noch Wert auf glatte Bettwäsche. Und Tischdecken, früher auch eine typisches Wäschestück für die Mangel, seien derzeit ohnehin aus der Mode. Dennoch gibt es immer noch genug Menschen, die auf die Heißmangel nicht verzichten wollen. Da sei zum Beispiel eine Frau, die regelmäßig bis zu 100 Stofftaschentücher bringt. Längst bietet Marlies Olbrich auch einen Wäscheservice an.
Wer noch einmal eine Heißmangel in Aktion erleben möchte, sollte sich sputen. Marlies Olbrich wird zu Pfingsten in den Ruhestand gehen. „Ich würde mein Geschäft gern in jüngere Hände geben“, sagt sie. Aber bislang habe sich noch niemand gefunden. Interessenten können sich an Marlies Olbrich unter der Telefonnummer 04183 - 500603 wenden.
Marlies Olbrich freut sich auf ihre Rente. „Ich möchte viel Reisen und mich mit dem Internet beschäftigen“, sagt sie. Außerdem viel Zeit mit den vier Enkelkindern verbringen.
Ein Blick in die Geschichte:
Schon seit jeher schätzten die Menschen glatte Wäsche - diesen Luxus konnte sich in früheren Zeiten allerdings nur die Oberschicht leisten.
Ohne Hitze: Mit viel Kraftaufwand, aber noch ohne Hitze, glättete man in Europa vom Mittelalter bis zum Teil ins 20. Jahrhundert mit großen hölzernen Wäschemangeln. Dazu wurden auf zwei Rundhölzer die Wäschestücke gewickelt. Die Wäscherollen wurden mit einer Lade beschwert, die mit Steinen gefüllt war. Diese wurde so lange hin und her geschoben, bis die Wäsche glatt war.
Anfang des 20. Jahrhunderts: Für Großwäschereien wurden Mangeln aus Metall produziert, die mit Dampf beheizt wurden. Im Privathaushalt standen bis in die 1950er Jahre Mangeln aus Gusseisen mit Holzwalzen. Der Pressdruck wurde über eine Stahlfeder erzeugt. Die elektrischen Hausgeräte erleichterten die Reinigung der schmutzigen Wäsche erheblich. Davor waren viele Handgriffe nötig: Sortieren, einweichen, kochen, schlagen, schwenken, reiben, bürsten, spülen und wringen. Mit der Elektrizität in den Haushalten kamen die ersten elektrisch beheizten und betriebenen Heißmangeln auf.
Die ersten Mangeln: Um 1928 entwickelten einige Hersteller die elektrische Heißmangel, die zunächst in kleineren Wäschereien, Gemeinschaftswaschanlagen und Pensionen zum Einsatz kam.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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