Heidebahn
"Start"-Ausfälle und -Verspätungen vergraulen Bahnpendler

Die "Start"-Züge verkehren zwischen Handeloh, Buchholz und Hamburg so unzuverlässig, dass manche Pendler lieber wieder aufs Auto umsteigen | Foto: bim
  • Die "Start"-Züge verkehren zwischen Handeloh, Buchholz und Hamburg so unzuverlässig, dass manche Pendler lieber wieder aufs Auto umsteigen
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JOBS und KARRIERE

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Carla Hoffmann, Inhaberin des Café und Restaurants Der Schaftstall in Handeloh-Wörme, ist sonst eine sehr entspannte und zurückhaltende Frau. Wenn man sie allerdings auf das Thema Zugverkehr anspricht, wird sie richtig böse: "Beim Erixx ging es noch, die Ausfälle und Verspätungen der 'Start'-Züge sind unterirdisch", sagt sie zum Bahnangebot auf der Heidebahnstrecke zwischen Handeloh, Buchholz und Hamburg.

Zwei bis drei
Stunden Fahrtzeit

"Ich weiß nicht, wie ich Geld verdienen soll, wenn ich am Bahnsteig warte. Keinen meiner Mitarbeiter, der mit der Bahn fährt, kann ich zuverlässig einteilen", klagt die Unternehmerin. Sie könne es zudem nicht verantworten, wenn ihre Tochter oder eine junge Mitarbeiterin aus Harburg am Bahnhof Buchholz "stranden". Ohnehin müssten ihre Bahn-fahrenden Mitarbeiter zwei bis drei Stunden Fahrtzeit jeweils für Hin- und Rückweg einplanen.

Wie mehrfach berichtet, hatte die Start Deutschland GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn, die Strecke Buchholz - Hannover von der Erixx-Eisenbahngesellschaft zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 übernommen. Die Ironie: Mit der damit verbundenen Zusammenführung der beiden Bahnnetze "Heidekreuz" und "Weser-/Lammetalbahn" wollte die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) Zugausfälle verringern. 

Umstieg zurück
aufs Auto

"Ich fahre nicht mehr mit der Bahn, weil die Züge zu unregelmäßig verkehren, das ist unattraktiv geworden", sagt Carla Hoffmann. Sie sei deswegen wieder aufs Auto umgestiegen, was der von der Politik beschworenen Klimafreundlichkeit widerspreche. Die Politik müsse eingreifen, um das Bahnfahren zuverlässig zu gestalten, fordert Carla Hoffmann.

Auch Matthias Stötzel aus Handeloh, musikalischer Leiter an verschiedenen Theatern und Professor an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, ärgert sich über "Start". "Ich pendele seit fast 14 Jahren von Handeloh nach Hamburg - je nach Saison monatelang sieben Mal die Woche. Beide Jobs erfordern absolute Pünktlichkeit. Am Theater sowieso - ohne mich fängt die Vorstellung nicht an, aber auch an der Hochschule: Ich habe Vorbildfunktion, Pünktlichkeit ist eine Frage des Respekts gegenüber unseren Studierenden. Außerdem ist unser Lehrplan dermaßen voll, dass ein zeitnahes Nachholen ausgefallener Stunden, zum Beispiel durch Zugausfälle oder Verspätungen, so gut wie unmöglich ist", berichtet er.

Schlechte
Informationspolitik

Größtes Problem neben den "täglichen Ausfällen und krassen Verspätungen" sei die schlechte Informationspolitik: "Erst letzte Woche brauchte ich knapp drei Stunden (!) von Handeloh nach Barmbek. Der Start verspätete sich um 30 Minuten, die Anschlüsse in Buchholz konnte ichentsprechend nicht erreichen. Es gab allerdings keine Durchsage und keinen Hinweis auf dem Anzeiger. Auch die Nachfrage im Stellwerk ergabsich: Die wesentliche Information kommt beim Kunden nicht an", ärgert sich Matthias Stötzel.

"Das alles verursacht Stress, verbrennt Geld und mentale Ressourcen. Meine Taxi-Rechnungen sind astronomisch. Ich habe Jobs absagen müssen, weil einfach öffentlich nicht hinzukommen war, ich verlege Unterricht in die Ferien, weil ich meinen Stundenplan unter Benutzung des ÖPNV schlicht nicht verlässlich einhalten kann." Die Bahn sei allgemein in einer schweren Krise. Diese sei zwar hausgemacht, dennoch könne man sehr viel kundenorientierter handeln: "Wieso gibt die Bahn nicht einen Fahrplan 'raus, den sie unter Kontrolle hat? Dann fahren halt weniger Züge täglich, diese aber verlässlich und pünktlich", fragt Matthias Stötzel.

Fahrradmitnahme
nicht garantiert

Matthias Stötzel spricht noch Regelungen im Tarifsystem bei "Start" an: "Um einigermaßen flexibel zu bleiben, steige ich öfter aufs Fahrrad um. Vor allem nachts ist es extrem ärgerlich, wenn der letzte Zug ausfällt und man müde nur noch nach Hause möchte. Für die Fahrradbox in Buchholz zahle ich natürlich auch. Und für die Mitnahme des Fahrrads im Zug muss ich auch zahlen, auch wenn ich das Fahrrad ausschließlich wegen eines früheren Zugausfalls auf dem Hinweg dabei hab. Und dann leistet sich 'Start' noch den Hinweis darauf, dass die Zugbegleitung die Fahrradmitnahme je nach Lage im Zug auch verweigern kann - trotz Extrafahrkarte."

Lob für
das Personal

Stötzel lobt aber ausdrücklich das Personal: "Das Personal vor Ort ist weitgehend freundlich, hilfsbereit und schafft es immer wieder, durch Humor die Stimmung im Zug zu entspannen. Keine leichte Aufgabe." Erst letzte Woche rannte eine Zugbegleiterin im Spurt durch den Zug, um einem stark seh-beeinträchtigten Mann beim Einstieg zu helfen. Ein schönes Beispiel für Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft."

Alle Züge fallen aus

Vom 15. bis 23. Juli 2023 fallen nun auch noch alle Züge auf der RB 38 zwischen Buchholz und Hamburg-Harburg aus. Der Grund sind Arbeiten an der Eisenbahnüberführung am Zollkanal und am Überwerfungsbauwerk Meckelfeld. Fahrgäste ab Buchholz sollten den RE 4 nutzen.

LNVG: "Erhebliche Probleme bei der Fahrzeugverfügbarkeit "

"Derzeit gibt es ganz erhebliche Probleme bei der Fahrzeugverfügbarkeit im Dieselnetz Niedersachsen-Mitte. Deshalb fallen Züge aus oder fahren stark verkürzt. Die Gründe für die aktuellen Probleme liegen im Wesentlichen in der Instandhaltung der Fahrzeuge. Für eine funktionierende Wartung braucht es genügend Werkstätten, Personal und Ersatzteile. Dafür muss Start sorgen. Die volle Verantwortung für die Instandhaltung der Fahrzeuge liegt also bei 'Start'", informiert LNVG-Pressesprecher Dirk Altwig.

Für das Netz Niedersachsen-Mitte stünden üblicherweise 36 Fahrzeuge zur Verfügung, "Start" nutze außerdem zwei weitere Fahrzeuge aus der LNVG-Reserve, also 38. "Damit sind Flotte und Reserve ausreichend geplant. Im täglichen Betrieb werden nur 28 Fahrzeuge gebraucht", so Altwig.

"Es geht hier um Züge, von denen viele hundert in Deutschland fahren, deshalb müsste auch die DB-Tochter 'Start' den Betrieb reibungslos schaffen. Wenn eine Werkstatt im Betrieb eingeschränkt ist, ist es Angelegenheit von 'Start', diese Lücken durch Aufträge an Dritte zu schließen."

Die LNVG stehe "Start" auf den Füßen: Externe Experten würden im Auftrag der LNVG in der kommenden Woche die Abläufe bei der Instandhaltung prüfen. Die LNVG wolle „Start“ so Impulse für eine bessere Instandhaltung geben, damit wieder verlässlich mehr Fahrzeuge auf die Strecke kommen.

"Die LNVG wird ausgefallene Fahrten nicht bezahlen und prüft außerdem Vertragsstrafen und weitere vertragliche Instrumente. Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die DB-Tochter 'Start“ endlich die Züge auf die Strecke bekommt. Für die LNVG ist das erste Ziel, dass Fahrgäste befördert werden. Notfalls muss 'Start' parallel Busse einsetzen", so Altwig.

Zu den Verspätungen: "Weil Züge zu kurz sind, sind die besonders voll. Das führt dann wieder dazu, dass das Ein- und Aussteigen länger dauert. Das führt dann zu den Verspätungen …", sagt Dirk Altwig.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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