"Persönliche Gemeinschaft fehlt den Menschen"
"Interview der Woche" mit Superintendent Christian Berndt auch über Kirchenarbeit in Corona-Zeiten

Bei der Aufnahme der Online-Passionsandacht für das Osterfest: Superintendent Christian Berndt vor der Winsener St. Marien-Kirche | Foto: Malte Frackmann
  • Bei der Aufnahme der Online-Passionsandacht für das Osterfest: Superintendent Christian Berndt vor der Winsener St. Marien-Kirche
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ce. Winsen. Er ist der "Hirte" über rund 39.000 Gemeindemitglieder in 16 Kirchengemeinden: Christian Berndt (51), Superintendent des Kirchenkreises Winsen. In der WOCHENBLATT-Reihe "Interview der Woche" sprach Redakteur Christoph Ehlermann mit dem Theologen über dessen Arbeit und Osterfeierlichkeiten in Corona-Zeiten, das Echo auf die vielerorts angebotenen Online-Gottesdienste und über Berndts Faible für die "Star Trek"-Filme.
WOCHENBLATT: Herr Superintendent Berndt, das zweite Osterfest unter Corona-Bedingungen steht vor der Tür. Ist die Freude auf das höchste Fest der Christen trotz des Lockdowns bei Ihnen und den Menschen im Kirchenkreis noch ungetrübt?
Christian Berndt: Natürlich trübt die Pandemie die Freude auf Ostern auch in den Kirchengemeinden und bei mir. Normalerweise ist Kirche in schwierigen Zeiten ein Ort der Zuflucht, des Trostes, der Gemeinschaft. Gemeinsam zu beten, zu singen und Gottesdienst zu feiern gibt Kraft. Jetzt ist Gemeinschaft eher gefährlich – Abstand ist geboten.
Ich erlebe Verantwortliche in Kirchengemeinden, die jetzt überlegen, in welcher Form die frohe Botschaft der Auferstehung Jesu gefeiert werden kann. Es wird ein ganz buntes Angebot geben - von Präsenzgottesdiensten unter strengen Hygieneauflagen über Straßensegen, Osterwege um die Kirchen herum und Bastelangebote zum Mitnehmen bis hin zu Online-Formaten.
Mir persönlich wird fehlen, am Gründonnerstag gemeinsam mit anderen Menschen in der Kirche Abendmahl zu feiern, und ganz besonders das fröhliche gemeinsame Singen am Ostermorgen. "Christ ist erstanden“ werden wir leider nur im Familienkreis singen können.
WOCHENBLATT: Bleibt beim "sterilen“ Online-Gottesdienst das Gemeinschaftsgefühl gegenüber den Gläubigen irgendwann auf der Strecke?
Berndt: Ich finde es erstaunlich, dass auch in Online-Angeboten immer wieder das Gemeinschaftsgefühl aufkommt. Ich habe das zum Beispiel bei einem Visitationsgottesdienst in Winsen per Zoom erlebt. Das war live, ich konnte die "Gottesdienstbesucher“ auf einer großen Leinwand in der Kirche sehen, und sie konnten sich per Chat an den Fürbitten beteiligen. Die Kirchengemeinde Ramelsloh macht - wie auch andere Gemeinden – ein Hybridangebot: Der Gottesdienst wird live gestreamt.
Trotz aller Online-Angebote vermissen aber nicht nur die Senioren, sondern gerade auch die Jugendlichen die persönliche Gemeinschaft. Gemeinsam zu singen, zu beten, zu essen und zu chillen. Auch für die aktuellen Konfirmanden tut es mir leid, dass nur Angebote auf Distanz möglich sind. Ich erlebe jedoch in den Kirchengemeinden ganz viele Bemühungen, trotzdem weiterhin in Kontakt zu bleiben.
WOCHENBLATT: Inwieweit haben sich die Sorgen und Nöte der Menschen, um die Sie sich als Seelsorger kümmern, in der Corona-Zeit verändert?
Berndt: Ich erlebe auf allen Ebenen der Gesellschaft, dass Menschen durch die andauernde Pandemie sehr erschöpft sind. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Probleme, die vorher schon da waren, jetzt an die Oberfläche gespült werden. Und dazu kommen die von der Pandemie verursachten Härten. Familien, die seit Monaten einen ständigen Spagat machen müssen zwischen den Bedürfnissen der Kinder, der Eltern und den beruflichen Herausforderungen. Bei vielen Menschen geht es inzwischen um die Existenz. Wenn jemand nicht mehr kann, hoffe ich, dass er oder sie sich vertrauensvoll an seine Seelsorger wendet.
WOCHENBLATT: In 2019 traten insgesamt über 500.000 Menschen aus der evangelischen und katholischen Kirche aus. Liegt es nur an der Kirchensteuer oder hat der christliche Glaube vielen Menschen nichts mehr zu sagen? Wie versucht der Kirchenkreis, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Berndt: Die Gründe für den Austritt aus der Kirche sind vielfältig - von Glaubenskrisen über konkreten Ärger bis hin zum Hausbau. Nachdenklich macht es mich, wenn zum Beispiel in Neubaugebieten kaum noch ein Erwachsener in der Kirche ist, die Kinder aber ganz selbstverständlich am Kindergottesdienst, Kinderchor oder Konfirmandenunterricht teilnehmen. Es gibt also ein Interesse an den existentiellen Fragen des Lebens, an Begleitung, an Gemeinschaft, am Segen. Auf der einen Seite freut mich das. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Die Kirche kann nur im Dorf bleiben, wenn das Dorf auch in der Kirche bleibt. Ich erlebe ein ganz großartiges Angebot in den Kirchengemeinden für Menschen jeden Alters. Das reicht von Tauf-angeboten und Krabbelkreisen und unsere kirchlichen Kitas bis hin zu Seniorenausfahrten. Auf allen Ebenen überlegen wir allerdings, wie wir in Zukunft Kirche sein wollen, und probieren Dinge aus.
WOCHENBLATT: Bei Ihrer Wahl zum Superintendenten 2012 haben Sie gesagt, Sie wollten "Kirche bauen“ und dazu beitragen, dass sich die "unterschiedlichen Frömmigkeits-Strukturen im Kirchenkreis gegenseitig befruchten“. Inwieweit ist dies gelungen?
Berndt: Ich erlebe ein sehr gutes Miteinander zwischen den Kirchengemeinden und den Landeskirchlichen Gemeinschaften und auch zwischen den Kirchengemeinden untereinander. Es ist in den letzten Jahren immer mehr Zusammenarbeit möglich geworden. Ein Beispiel für dieses Miteinander ist der Jugendkonvent des Kirchenkreises, in dem die meisten Kirchengemeinden vertreten sind.
WOCHENBLATT: Sie haben seinerzeit gesagt, dass Sie "Star Trek“-Fan sind. Sind die Abenteuer von Mr. Spock & Co. in den unendlichen Weiten des Weltalls ein wohltuender Ausgleich zu Ihrem irdischen Beruf?
Berndt: Absolut. Auch für mich als Superintendenten und Vater von vier Kindern ist die Pandemie eine große Herausforderung. Da tut es mir gut, mich abends spät einfach noch einmal eine Folge lang wegzubeamen.
Zurzeit entspanne ich mich dann bei den uralten Folgen mit Kirk und Co, würde mich aber auch freuen, wenn es bald eine neue Staffel von "Star Trek Discovery" gäbe.
WOCHENBLATT: Herr Superintendent, vielen Dank für das Gespräch!

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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