Junge Intensivtäter: Ein Leben zwischen Knast und Pädagogik
tk. Buxtehude. Die Bandbreite der Reaktionen reicht von Wut bis Fassungslosigkeit, vom Ruf nach drakonischen Strafen bis zur Frage: wer kann diesen Kindern noch helfen? Eine Jugendbande drangsaliert in Buxtehude die Menschen eines Wohngebiets (das WOCHENBLATT berichtete). Zwei der Terror-Kids sind Intensivtäter. Mehr als 50 Ermittlungsverfahren laufen gegen diese Gruppe Jugendlicher. Wer mit diesem Problem zu tun hat, darf oder will nicht öffentlich darüber reden. Das WOCHENBLATT hat dennoch Menschen gefunden, die Stellung beziehen ohne ihre Namen in der Zeitunug lesen zu wollen. "Wir geben auch in diesem Fall nicht auf", sagt ein Praktiker aus der Jugendarbeit.
Der Hintergrund: Es sind vor allem zwei Heranwachsende, die als Intensivtäter auffallen. Einer ist 13 und damit noch nicht strafmündig, der andere 14 und kann damit belangt werden. "Die müssen sofort in den Jugendknast", heißt eine Forderung, die oft zu hören. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstiuts Niedersachsen (KFN), Prof. Dr. Christian Pfeiffer, wiederspricht die Anhänger der harten Gangart. "Mit 15 geht ein Jugendlicher nur für Mord und Totschlag ins Gefängnis." Pfeiffer wird drastisch: "So einer ist Frischfutter für die 20-Jährigen." (Lesen Sie dazu auch "Keine Strafe, sondern Auffangen"). Ein Jurist ergänzt: Ein dermaßen junger Straftäter könne im Jugendknast viel lernen - für seine weitere kriminelle Karriere.
"Schärfere Sanktionen sind möglich"
Wird es noch viele Verfahren vor dem Jugendrichter geben, bis eine härtere Strafe verhängt wird? Kai-Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade, erklärt die Mechanismen des Jugendstrafrechts. Grundsätzlich stehe dabei Erziehung und nicht Bestrafung im Mittelpunkt. Eine Jugendstrafe gebe es nur bei einer so genannten schädlichen Neigung oder einer besonderen Schwere der Schuld. Vorher kommen Arbeitsauflagen, Freizeitarreste, Jugendarrest bis zu vier Wochen, eine Jugendstrafe auf Bewährung und erst dann das Jugendgefängnis. Aber: Von diesem Ablauf könne auch abgewichen werden. Ein längerer Jugendarrest könne auch sofort verhängt werden, ohne das es vorher zu anderen Auflagen und Strafen kam. "Schärfere Sanktionen sind möglich", sagt Breas. Grund: Straftaten vor der Strafmündigkeit werden berücksichtigt.
Hat, wie einer der vom Jugend-Terror genervten Anwohner vermutet, das System der staatlichen Hilfen versagt? In diesem Fall wurde fast die gesamte Bandbreite sozialpädogischer Maßnahmen ausgeschöpft, hat das WOCHENBLATT erfahren. Sowohl vom Landkreis als auch von Buxtehude. Meist ohne Ergebnis, weil Hilfen auf Ablehnung stießen und Mitarbeiter sogar bedroht worden sein sollen. Immerhin: Es sei zwischenzeitlich gelungen, über Sozialpädagogen Kontakt zu den Heranwachsenden aufzubauen. Allerdings nur vorübergehend: Die Familie soll mehrfach umgezogen sein, die Verantwortlichkeit wechselte von Stadt zu Kreis und wieder zurück.
Was bringt ein Heimaufenthalt?
"Die Kinder hätten längst aus ihrer Familie genommen und in ein Heim gebracht werden müssen", lautet eine Kritik an den Jugendämtern. Theoretisch sei das richtig, aber praktisch nicht umsetzbar, hat das WOCHENBLATT erfahren. Weder die Heranwachsenden noch ihre Eltern hätten einer solch einschneidenden Maßnahme zugestimmt. Was bringe eine Heimunterbringung, wenn die Kinder sofort abhauen, ist die Antwort von Praktikern auf die Forderung nach diesem Eingriff ins elterliche Sorgerecht. "Wir suchen nach neuen Wegen", sagen die, die sich von Amts wegen kümmern müssen. "Wir müssen akzeptieren, dass einige Kinder nicht aufzufangen sind", meint ein anderer, der den Fall kennt.
Was der Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer über den Umgang mit jungen Intensivtätern sagt, lesen sie hier
Was die beiden Intensivtäter auf dem Kerbholz haben, lesen Sie hier
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