2. Jahrestag des russischen Überfalls
Bericht aus der Ukraine: Ein paar friedliche Tage mitten im Krieg

Grisch mit seiner Frau, der Schwiegetochter und den Enkeln (v.li.): Grischa Junior, Galja, Lesja, Grischa Senior und Julia
 | Foto: G.K.
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Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine steht das WOCHENBLATT in Kontakt zu Grischa Kaflowsky, der mit seiner Familie in einem Vorort der ukrainische Hauptstadt Kyjiw (neue deutsche Schreibweise*) lebt und regelmäßig über den Krieg in seinem Heimatland berichtet. Der Geschäftsmann hat enge Kontakte in die Region und ist quasi zum Gesicht der Ukraine-Hilfe im Landkreis Stade geworden. Der ehemalige Offizier der Sowjetarmee, der in den 1990er-Jahren beruflich einige Jahre in Kehdingen verwurzelt war und daher fließend Deutsch spricht, floh Ende Februar 2022 mit seiner Frau und den Enkelkindern nach Drochtersen-Assel. Seither pendelt er unablässig zwischen dem Landkreis Stade und seiner Heimat, organisiert und begleitet Hilfstransporte für die Ukraine. Das WOCHENBLATT kontaktierte ihn diese Woche daheim bei seiner Familie.

Sohn eines Stader Ukraine-Flüchtlings erlebte die Hölle von Bachmut

Dankbar für die humanitäre Hilfe

„Ich bin den Menschen im Landkreis Stade so unendlich dankbar für ihre Unterstützung“, sagt er mit Blick auf die Hilfstransporte in den vergangenen zwei Jahren. Anfang März wird er wieder in den Landkreis Stade reisen, um humanitäre Hilfsaktionen vorzubereiten. Mit dem bisher gespendeten medizinischen Equipment seien viele Menschenleben gerettet worden, so Kaflowsky. Weitere Hilfe sei unbedingt nötig – vor allem, was medizinisches Gerät angehe. Denn viele Krankenhäuser seien zerstört, der Materialverschleiß sei hoch.

Aktuell sei es eher ruhig in Kyjiw, so Kaflowsky: „Das Leben geht weiter.“ Die Geschäfte hätten geöffnet, doch die Infrastruktur sei teilweise zerstört. Auch das U-Bahn-Netz sei von Bomben- und Drohnenangriffen schwer getroffen worden. „Da gibt es viel zu reparieren.“ Mehrere U-Bahn-Stationen seien geschlossen.

Grischas Sohn Sascha (li.) zusammen mit seinem Cousin Vladimir. Dieser wird seit den Kämpfen bei Lisitschansk im Sommer 2022 vermisst  | Foto: G.K.
  • Grischas Sohn Sascha (li.) zusammen mit seinem Cousin Vladimir. Dieser wird seit den Kämpfen bei Lisitschansk im Sommer 2022 vermisst
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Sohn kämpfte in der "Hölle von Bachmut"

Kaflowskys Sohn Sascha meldete sich direkt nach Kriegsbeginn freiwillig beim Militär. Der IT-Spezialist ließ sich zum Drohnen- und Luftabwehrexperten ausbilden. Vor einem Jahr verbrachte er mehrere Monate an der Front – „in der Hölle von Bachmut“. Nach mehreren Stationen im Landesinneren ist er jetzt Stabsoffizier in der Region Kupjansk, einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt im Osten der Ukraine. Anfang des Jahres konnte er mit seiner Frau und dem Enkelkind, das auch Grischa heißt, in dem großen Haus der Familie bei Kyjiw Urlaub machen. Es war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen alle Generationen unter einem Dach waren und ein paar friedliche Tage gemeinsam verbringen konnten.

Trotz des Krieges: Rückkehr aus dem Kreis Stade in die Ukraine

Hoffnung auf schnellen Sieg wurde nicht erfüllt

Hinsichtlich der militärischen Lage gab sich Kaflowsky am ersten Jahrestag des russischen Überfalls noch zuversichtlich. Er rechnete fest mit einem ukrainischen Sieg mitsamt der Rückeroberung der Krim. Der Ex-Offizier hoffte auf ein Ende des Krieges im Laufe des vergangenen Jahres. Ein Jahr später ist Kaflowsky zwar noch immer verhalten optimistisch. Doch seine aktuelle Lagebewertung ist wesentlich nüchterner. Die Ukraine müsse jetzt Durchhaltevermögen zeigen: „Der Krieg wird noch mindestens ein Jahr dauern.“ Der neue Oberbefehlshaber, General Oleksandr Syrskyj, sei „ein harter Mann, ein Profi“, sagt Kaflowsky, einst Oberstleutnant der Sowjetarmee. Doch den ukrainischen Truppen, die mit großem Mut ihr Heimatland verteidigen, fehle es an Ausrüstung – vor allem an Munition.

Grischa mit seiner Familie in seinem Haus bei Kyjiw | Foto: G.K.
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Wahlsieger Trump wäre eine Katastrophe

Der Westen müsse mehr liefern, seine Versprechen einhalten, fordert Kaflowsky: "Vor allem die USA dürften die Ukraine nicht fallen lassen." Das Zögern und Zaudern müsse aufhören, der politische Streit um das Ausmaß der militärischen Unterstützung für die Ukraine helfe nur dem russischen Aggressor, so Kaflowsky: "Wir Ukrainer sind letztlich die Verlierer in diesem Machtspiel." Das ganze Land schaue mit bangem Blick Richtung Amerika. Wenn Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt, wäre das „eine Katastrophe“ für die Ukraine. Auch seine Familie sei wie viele Ukrainer nach zwei Jahren Krieg erschöpft, doch aufgeben sei keine Option, so Kaflowsky: „Wir werden weiterkämpfen.“

* Das Auswärtige Amt verwendet jetzt die deutsche Transkription der ukrainischen Schreibweise. Da entspricht dem Wunsch der Ukraine. Die bisherige deutsche Schreibweise Kiew ist eine Transkription aus dem Russischen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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