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Er schwört auf den analogen Sound
In der alten Dorfschule lässt er es krachen: Detlef Wiedeke betreibt im Landkreis Stade ein Tonstudio

Am Mischpult ist Detlef Wiedeke ganz in seinem Element | Foto: jd
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jd. Behrste. Die ehemalige Schule des Ostedörfchens Behrste versteckt sich hinter hohen Sträuchern. Dem idyllisch gelegenen Gebäude sieht man von außen nicht an, dass darin Musikgeschichte geschrieben wurde. Wo früher die Kinder mucksmäuschenstill lernen mussten, dröhnen seit fast 35 Jahren satte Bässe und erklingen eingängige Gitarrenriffs. Der Musiker Detlef Wiedeke betreibt dort ein Tonstudio. In dem Studio wurden Songs für Musikgrößen wie Bonnie Tyler, Howard Carpendale, Matthias Reim oder Dieter Bohlen arrangiert und gemischt. Zu Dieter Bohlen hat Wiedeke eine ganz besondere Verbindung: Er hat den unverwechselbaren Sound der Bands "Modern Talking" und später "Blue System" mit kreiert und bildete mit zwei Musiker-kollegen viele Jahre lang den Chor der beiden Pop-Formationen. Aber das ist eine eigene Geschichte (siehe unten).

Ein riesiges Mischpult, jede Menge Röhrenverstärker und reichlich Kabel: Das Studio von Wiedeke, der Gitarrist, Sänger, Produzent, Arrangeur und Tontechniker in einer Person ist, mag auf den ersten Blick wie aus der Zeit gefallen wirken. Doch der Name seiner Produktionsfirma, "Vintage Music", ist für Wiedeke Programm: Er schwört auf die Tontechnik aus dem analogen Zeitalter. Allerdings setzt auch Wiedeke moderne Computertechnik ein. Ohne die geht es nicht mehr, wenn etwa Samples erstellt werden.

Der "Tonmeister" in seinem Studio. An dem großen Mischpult wird alles "geregelt", bis die Aufnahme perfekt abgemischt ist   | Foto: jd
  • Der "Tonmeister" in seinem Studio. An dem großen Mischpult wird alles "geregelt", bis die Aufnahme perfekt abgemischt ist
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Herzstück des Studios ist das Mischpult mit seinen 40 Kanälen: Die Konsole, die mit unzähligen Knöpfen und Schiebereglern bestückt ist, hat Wiedeke vor vielen Jahren dem bekannten Produzenten Frank Fahrian ("Boney M.", "Milli Vanilli") abgekauft. Neu sei das Pult des englischen Herstellers Trident kaum erschwinglich, so Wiedeke. Mit dem typisch britischen Sound könnten es die billigeren "Ami-Pulte" aber nicht im Entferntesten aufnehmen. Auch die klassischen Röhren-Verstärker würden alle deutlich besser klingen als das moderne "Zeugs", meint Wiedeke. Zum Beweis schnappt er sich eine E-Gitarre und stöpselt sie an. "Damit bekomme ich Klänge hin, die sich fast wie bei den Beatles anhören."

Die Musik der Pilzköpfe aus Liverpool war es auch, mit der Wiedeke aufwuchs. Als Jugendlicher prägten ihn Ende der sechziger Jahre neu gegründete Bands wie Genesis, Deep Purple oder Pink Floyd. Er brachte sich selbst das Gitarrenspiel bei und machte bei einer Schülerband mit. Wegen seiner langen Haare, die er heute noch mit dem Stolz eines Alt-68ers trägt, sei er von der Schule und aus der Lehre gemobbt worden worden, berichtet Wiedeke. So blieb nur die Musik als Broterwerb: "Seit ich 16 bin, lebe ich davon."

Zunächst spielte der gebürtige Oldenburger mit einer Band regelmäßig in einer US-Kaserne, dann tingelte er mit einer Tanz-Combo durch die ostfriesische Provinz. "Wir leierten die Top 40 der deutschen Radiohits rauf und runter." Bei drei bis vier Auftritten pro Woche hatte Wiedeke am Monatsende rund 3.000 Mark im Portemonnaie. "Das war in den 1970er Jahren viel Kohle."

Für ihn hängt der Musikerhimmel nicht voller Geigen, sondern voller E-Gitarren | Foto: jd
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Wiedeke erwarb sich einen Namen in der Branche, wurde häufig als Studiomusiker engagiert. Schließlich gab es sogar einen Plattenvertrag. "Wir erhielten einen mehr als üppigen Vorschuss." Das war das Startkapital für das Tonstudio. "Ich habe damals gedacht: Warum für 3.000 Mark pro Tag ein fremdes Studio mieten?", so Wiedeke. Per Zufall stieß er auf die alte Schule Behrste, die er zu einem Studio umbaute.

Die produzierte LP mit dem Titel "Maria" brachte nicht den erhofften Erfolg. Die Plattenfirma stieg aus dem Vertrag aus, musste dafür aber noch mal mehr als 100.000 Mark hinblättern. "Das waren noch goldene Zeiten im Musikgeschäft", meint Wiedeke. In den neunziger Jahren lief alles noch bestens. Dann brach der Markt für CD-Produktionen ein. Geld verdienen können Musiker heute nur noch mit Live-Auftritten. Seine Einnahmen aus dem Musik-Streaming seien läppisch, so Wiedeke: "Von geklickten 10.000 Streams kann ich mir gerade mal eine Tasse Kaffee leisten."

Das Lieblingsinstrument von Detlef Wiedeke ist die Gitarre | Foto: jd
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Wiedeke will aber kein Gejammer anstimmen: "Ich komme hier klar in meiner Bude. Das ist alles bezahlt." Ab und an kämen noch Aufträge rein. Wie das Album mit modernen Weihnachtsliedern aus einer Mischung von Pop und Schlagern, das er derzeit für den Sänger von Truck Stop, Andreas Cisek, arrangiert.

Eine Größe der internationalen Musikbranche nahm Wiedekes Dienste kurz vor Ausbruch der Pandemie in Anspruch: Albert Hammond bat ihn, eine etwas misslungene Live-Aufnahme zu retten. Für Wiedeke war die Woche mit Hammond, der Welthits wie die von Whitney Houston gesungene Hymne "One moment in time" geschrieben hat, ein unvergessliches Erlebnis: Hammond sei total nett und frei von Starallüren gewesen. "Wir haben öfters auf der Terrasse gesessen und gemütlich geplaudert." Das geht wahrscheinlich nur bei einem Tonstudio auf dem Dorf.

Mehr Infos unter www.vintage-music.de.

"Happy Birthday, Dieter"! Der Pop-Titan wird 60 Jahre alt

Die hohen Stimmen von Modern Talking

Sie haben maßgeblich zum Erfolg beigetragen, den Dieter Bohlen vor allem in den 1980er Jahren mit dem Pop-Duo "Modern Talking" hatte: Detlef Wiedeke und seine beiden Musikerkollegen Michael Scholz und Rolf Köhler (†) bildeten den Studio-Chor. Ihre hohen Kopfstimmen (Falsett) prägten den charakteristischen Modern-Talking-Sound, an den Bohlen später auch mit "Blue System" anknüpfte. Im Jahr 2000 kam es zum endgültigen Bruch mit Bohlen. Die drei Studiosänger zogen gegen den Pop-Titan vor Gericht. Wie die Zusammenarbeit mit Bohlen damals lief, wie der Prozess ausging und warum Detlef Wiedeke und zwei Mitstreiter für sich reklamieren können, das wahre Erbe von "Modern Talking" zu bewahren, lesen Sie in der kommenden Samstags-Ausgabe des WOCHENBLATT und bereits am Freitag online.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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