Kinder, wie die Zeit vergeht...: Magret Heinrich blickt auf 45 Jahre Kita-Alltag zurück

Magret Heinrich umringt von Kindern Fotos: lt
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JOBS und KARRIERE

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lt. Estebrügge. Die Jungen und Mädchen, die Magret Heinrich (65) am Beginn ihres Berufslebens in ihrer Obhut hatte, sind heute knapp 50 Jahre alt und haben selbst teilweise schon erwachsene Kinder. Die Kinderpflegerin aus dem Alten Land blickt auf rund 45 Jahre Kindergartenalltag zurück - und zwar in ein und derselben Einrichtung.
Als Magret Heinrich Anfang 1973 Jahre in der DRK-Kita "An der Este" in Jork-Estebrügge eine Vollzeitstelle bekam, war die Einrichtung nigelnagelneu - und es gab einige Startschwierigkeiten.
"Als der Betrieb mit 50 Kindern in zwei Gruppen (eine vormittags und eine nachmittags) losging, hatten wir kein einziges Spielzeug", sagt Magret Heinrich. Kurzerhand stellte die damalige Leiterin, die im gleichen Gebäude wohnte, Spielsachen ihres fünfjährigen Sohnes zur Verfügung. Streit war bei der geringen Auswahl natürlich programmiert.
Die nächste Herausforderung für Magret und ihre Kollegen: Die Eingangstür hatte noch keinen automatischen Abschließmechanismus. Jeder konnte einfach raus. "Ein Junge ist tatsächlich einmal ausgebüxt und wurde von seiner Mutter zurück gebracht", erinnert sich die Kinderpflegerin.
Auch sonst war einiges anders als heute. Eine "Eingewöhnung", bei der die Eltern erst einmal mit da bleiben, bis sich ihre Sprösslinge in der neuen Umgebung wohl fühlen, gab es nicht. "Das war hart aber herzlich", sagt Magret. Ein Kind habe vier Wochen lang morgens so doll geweint, dass es jedesmal spucken musste. "Das war dann halt so".
Ihre eigenen vier Kinder hat die leidenschaftliche Kinderpflegerin in den 1970er und 1980er Jahren übrigens in der Einrichtung gleich mitbetreut.
Insgesamt acht verschiedene Kita-Leiterinnen hat sie miterlebt, viele andere Kollegen kommen und gehen sehen. Mit wie vielen Kindern Magret schon Fußball gespielt, gesungen und getobt hat, kann sie unmöglich sagen - und erinnert sich dennoch an fast alle gern zurück.
Sie habe ihre Berufswahl nie bereut, sagt die Kinderpflegerin, die zuletzt die Birnengruppe betreute. Als sie im Januar 1973 im dem gerade neu eröffneten Kindergarten anfing, gab es rund 50 Kinder in zwei Gruppen - die Mäusegruppe am Vormittag und die Raupengruppe am Nachmittag, die jeweils in einem Raum betreut wurden. Etwa fünf bis sechs Kinder waren den ganzen Tag in der Betreuung. Sie bekamen von den Eltern das Mittagessen mit, das die Erzieherinnen ihnen auf dem Herd aufwärmen mussten. Gegessen wurde im Gruppenraum, eine Mensa - so wie heute - gab es noch nicht.
Ein großes Thema war das erste Scheidungskind im Kindergarten, erinnert sich Magret Heinrich. Sowas gab es "auf dem Dorf" sonst nicht. Außerdem habe es seine Zeit gedauert, bis auch dem ein oder anderen Landwirt klar geworden sei, dass der Kindergarten eine gute Sache für soziale Kontakte sei.
Etwa 50 D-Mark im Monat mussten die Eltern damals für einen Kindergartenplatz bezahlen, sagt die Kinderpflegerin. Viele Frauen gingen damals arbeiten und waren froh über das Angebot. Inzwischen gibt es in Estebrügge zwei Ganztagsgruppen, eine Integrationsgruppe, eine Vormittags-/Dreiviertelgruppe und eine Krippenganztagsgruppe sowie zwei Hortgruppen für Schulkinder bis zehn Jahre.
Und weil Fachkräfte schwer zu finden sind, ist die Kita-Leiterin Uschi Seliger froh, dass Magret Heinrich der Einrichtung auch im Ruhestand noch erhalten bleibt. "Ich habe meine Zeit hier noch um ein Jahr verlängert", sagt die Kinderpflegerin. 20 Stunden in der Woche arbeitet Magret Heinrich weiter in ihrem Traumjob. Und in ihrer Freizeit? Da verbringt sie gerne viel Zeit mit ihren fünf Enkelkindern.

Von der "Basteltante" zur forschenden Pädagogin
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Ansprüche an Erzieher stark verändert, aber auch das Berufs-Image hat sich deutlich gewandelt. Lange arbeiteten Kitas nach dem "situationsorientierten Ansatz" und waren dank dieses schwammigen Begriffs recht frei in ihrer Arbeit, die als erziehungsergänzend verstanden wurde. Erzieherinnen bastelten und spielten viel mit den Kindern, die in der Regel erst dann in den Kindergarten kamen, wenn sie keine Windel mehr trugen.
Der Verwaltungsaufwand war geringer als heute, weil Elterngespräche über die Entwicklung des Kindes nicht verpflichtend waren und auch keine "Beobachtungsbögen" für jedes Kind ausgefüllt werden mussten.
Das änderte sich mit dem im Jahr 2005 vom Niedersächsischen Kultusministerium herausgegebenen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung, in dem die zentralen Ziele von und Aufgaben von Erziehern formuliert sind.
Die "Basteltante" von einst ist inzwischen eine "forschende Pädagogin, die mit Offenheit, einer sensiblen Wahrnehmungsfähigkeit von Situationen und mit einem teilnehmenden Interesse den ganz individuellen Bildungsweg jedes Kindes zu ergründen versucht" - und mittlerweile häufig eine zentrale Rolle in der Erziehung übernimmt, weil Kinder wochentags manchmal mehr Zeit im Kindergarten verbringen als Zuhause.
Der Fokus liegt stärker auf der sozial-emotionalen und sprachlichen Entwicklung der Kinder. Außerdem muss die Bewegung bewusst gefördert werden.
Was sich dagegen nicht geändert hat, ist die Vorbereitungszeit von 7,5 Stunden pro Woche, die alle Erzieher einer Gruppe insgesamt für ihre Gruppe zugestanden bekommen.


Moment mal
Nach dem Mittag in die Kita 

Nach dem Mittagessen bei Oma ab in den Kindergarten - so sah mein Alltag ab dem vierten Lebensjahr aus. Ich war Mitte der 1980er Jahre in der Nachmittagsgruppe der DRK-Kita "An der Este", in der so genannten Raupengruppe.
Weil ich keine Geschwister habe, hatte ich bis dato nur spärlichen Kontakt zu anderen Kindern und war froh über Freunde, die ich teilweise heute noch habe.
Ich habe tolle Erinnerungen an gefühlt endloses "Schweinebaumeln" draußen an der Turnstange, an Rangeleien um die beliebten Hüpfbälle und Dreiräder, an Rollenspiele in Puppen- und Kuschelecke und an meine Erzieherinnen Elke und Andrea, die ich sehr gern mochte.
Heute bin ich selber Mutter eines Kindergartenkindes und wünsche meiner Tochter ähnlich positive Erfahrungen und vor allem, dass sie - so wie ich - ganz viel frei Spielen kann. Danke an alle Erzieherinnen, die das möglich machen. Lena Stehr

Redakteur:

Lena Stehr

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