"Die Musik hat Grete Sultan gerettet"

Luden ein: (v. li.) Referent Moritz von Bredow, Onne Hennecke (Geschäftsführer Empore) und Buchholz' Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse | Foto: Helms
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Holocaust-Gedenktag: Autor Moritz von Bredow erinnerte in der Empore Buchholz an das Leben der jüdischen Pianistin

os. Buchholz. "Wie könnte ich in ein Land zurückkommen, das meine Familie zerstört hat?" Mit diesen Worten zitierte Kinderarzt und Autor Moritz von Bredow die Pianistin Grete Sultan. Das bewegende Leben der Jüdin, die 1941 nach New York emigrierte, stand im Mittelpunkt des Holocaust-Gedenktags in Buchholz, der in diesem Jahr vom Veranstaltungszentrum Empore veranstaltet wurde. Rund 200 Gäste kamen zu der Lesung mit Moritz von Bredow.
Wie berichtet, organisiert seit Einführung des zentralen Holocaust-Gedanktags - in Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Arme am 27. Januar 1945 - auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog im Jahr 1996 in Buchholz immer ein anderer Verein, Einzelperson oder Institution die Veranstaltung. So wird immer ein neuer Fokus auf die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung gelegt.
Moritz von Bredow recherchierte zehn Jahre lang für sein Buch "Rebellische Pianistin - Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York", aus dem er in Buchholz zitierte. Daneben spielte er Audio- und Video-Mitschnitte von CD-Veröffentlichungen und Konzerten ein. Der Autor, der sich mehrfach mit Grete Sultan in den USA traf, zeichnete das Bild einer herausragenden Pianistin nach, deren aufstrebende Karriere im Nazi-Deutschland jäh endete. "Sie war zutiefst traumatisiert, aber die Musik hat sie gerettet", erklärte von Bredow.
Geboren im Juni 1906 als jüngstes von sieben Kindern in einer Familie des jüdischen Großbürgertums, bekam Grete Sultan schon im Alter von drei Jahren ihren ersten Klavierunterricht durch eine Schwester. Das Piano sollte bis zu ihrem Tod kurz nach ihrem 99. Geburtstag im Jahr 2005 ihr Leben prägen. Mit 18 Jahren schloss Grete Sultan bereits ihr Klavierstudium in Berlin ab, das sie im Alter von 15 Jahren aufgenommen hatte. Prägend für die Pianistin war ihr breites Repertoire von Barock bis zu zeitgenössischer Musik.
Die aufstrebende Karriere der Pianistin in Deutschland endete mit der Machtübernahme der Nazis 1933. Schon bald bekam die Jüdin ein Berufsverbot. Weil sie ihre kranken Eltern nicht im Stich lassen wollte, ergriff Grete Sultan - anders als viele Freunde - nicht die Flucht aus Deutschland. Das änderte sich erst 1941: Im Mai flüchtete Grete Sultan im Alter von 35 Jahren über Frankfurt, Paris und Lissabon mit einem Schiff nach New York. Nach mühsamen Anfängen gelang ihr dort im zweiten Anlauf eine bedeutende Karriere als Pianistin und Lehrerin. Sultan, die zeitlebens nie heiratete und kinderlos blieb, wurde zu einer guten Freundin und Muse des US-amerikanischen Komponisten John Cage. Er schrieb für sie das opulente Werk "Études Australes", das unter Verwendung von Sternkarten als Ausgangsmaterial geschrieben wurde. Lange Zeit war Grete Sultan die einzige Künstlerin, die die "Études Australes" spielte. Ihre Karriere beendete die Pianistin im Alter von 90 Jahren mit der Aufführung von Bachs "Goldberg-Variationen" - einem ihrer Lieblingswerke.
Nach Deutschland kehrte Grete Sultan lediglich für Klavierkonzerte zurück. Zu tief saßen die Erinnerungen an das Nazi-Regime, das für den Tod zahlreicher Freunde und Familienmitglieder in den Vernichtungslagern verantwortlich war.
Buchholz' Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse betonte, dass es Aufgabe sei, den Kindern und Enkeln die Geschehnisse im Dritten Reich, die Gräueltaten des Holocaust zu erklären und den verantwortungsvollen Umgang mit diesem Teil der deutschen Geschichte zu lehren und vorzuleben. Fremdenhass, Gewalt und Hetze gegen Andersdenkende dürften in unserer Gesellschaft keinen Platz finden - "zu keiner Zeit", sagte Röhse.
Onne Hennecke, Geschäftsführer des Gastgebers Empore, erinnerte sich daran, dass ihm sein Großvater eine Ausgabe von Hitlers Buch "Mein Kampf" übergab, als er 15 Jahre alt war. Den Spruch seines Großvaters: "Ihr macht euch schuldig, wenn ihr nicht wissen wollt, was im Deutschen Reich geschah", habe er bis heute nicht vergessen. Wenn das demokratische Wertesystem heute in Frage gestellt werde, müssten alle Verfechter der Demokratie "klare Kante zeigen".
Im kommenden Jahr wird der Holocaust-Gedenktag in Buchholz von den Partnerschaftsvereinen (Deutsch-Polnische Gesellschaft, Deutsch-Finnische Gesellschaft, Partnerschaftsverein Buchholz-Canteleu) organisiert.
• Moritz von Bredow: "Rebellische Pianistin - Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York", Verlag: Schott Music, ISBN 978-3-79570-800-9; 34 Euro.

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Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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