Erzieherin aus Buxtehude-Ottensen musste gehen
Kirche knallhart: Nach dem Austritt kam die Kündigung

Eine Erzieherin der evangelischen Kindergartens "Wilde Hummeln" musste gehen, nachdem sie aus der Kirche ausgetreten war. Die Eltern der Einrichtung können diese Entscheidung nicht nachvollziehen | Foto: privat
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Die Kirche kann knallhart sein, wenn es um ihre Ausnahmestellung geht, die ihr juristisch - etwa im Arbeitsrecht - noch zugestanden wird. Einer Erzieherin der Kita "Wilde Hummeln" in Ottensen wurde fristlos gekündigt. Der Grund: Sie war aus der Kirche ausgetreten. Die Kita gehört zum Evangelischen Kindertagesstättenverband Buxtehude. Damit gelten dort Regeln, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder Artikel zwölf des Grundgesetzes (Freiheit der Berufswahl) aushebeln. Viele Eltern der "Wilden Hummeln" sind entsetzt: "Wie kann es sein, dass eine Erzieherin, die von den Eltern, aber vor allem von den Kindern, geschätzt wurde, gehen musste?" Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels müsse man für jede gute Erzieherin dankbar sein.

Kirchenaustritt kein Grund für fristlose Kündigung

Die Elternvertreter haben sich an Pastor Thomas Haase, den Vorsitzenden des Kitaverbands, gewandt. Sie haben sich bei der Stadt gemeldet, um die für sie nicht nachvollziehbare Entscheidung der Kirche rückgängig zu machen. Vergeblich: Die juristische Sonderstellung der Kirche macht diese Kündigung zur unumkehrbaren Tatsache. "Wir wollen zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen und das, was in unseren Augen ein Skandal ist, öffentlich wird", sagen Eltern über ihre Motivation, sich an das WOCHENBLATT zu wenden.

Ganz wohl scheint den Verantwortlichen bei der fristlosen Kündigung nicht gewesen zu sein. Nachdem die Fachkraft seit Mitte Mai nicht mehr da war, wurde auf Elternnachfrage erklärt, dass sie sich im Urlaub befinde. Erst später kam laut Eltern dann die Wahrheit ans Licht: Man gehe getrennte Wege.

Jenseits kirchenrechtlicher Fragen gibt es noch etwas, was die Eltern erzürnt: Die Kinder hätten nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich von der gefeuerten Erzieherin zu verabschieden. Was in anderen Kitas Standard ist, Abgänge pädagogisch aufzufangen, den Kindern zu erklären, scheint in diesem Fall unwichtig gewesen zu sein. Vielleicht deshalb, weil es einfach keine überzeugende kindgerechte Erklärung gibt. Kirchenrecht ist Kindern schnuppe.

Und noch etwas verstehen Eltern (und vermutlich auch Kinder) nicht: Es gibt bei den "Wilden Hummeln" Mitarbeiter, die nicht Mitglied der evangelischen Kirche oder einem anderen Mitglied der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) sind. Ausnahmen können erlaubt sein, wenn sich Mitarbeitende mit dem christlich-pädagogischen Profil einer Einrichtung identifizieren. Bei einem Kirchenaustritt zählt das nicht.

KOMMENTAR: Die Sonderrechte müssen fallen

Meine vor einigen Jahren verstorbene Mutter hatte halbtags in einer evangelischen Kita gearbeitet, als ich im Konfirmandenalter war. Nach einem Jahr Konfiunterricht hatte ich beschlossen, damit aufzuhören. Meine Mutter wurde daraufhin vor den Kirchenvorstand zitiert. Es sei fraglich, ob sie für ihren Job überhaupt geeignet sei, wenn sie nicht einmal die eigene Brut christlich im Griff habe. Das war vor 40 Jahren. Viel verändert hat sich seitdem offenbar nicht.

Die Sonderrechte der Kirchen, die besonders krass im Arbeitsrecht zu Tage treten, sind (noch) unumstößlich, werden aber kontinuierlich hinterfragt. Auch von Gerichten. Irgendwann werden sie fallen und das ist gut so.

Mit einer Entscheidung wie der fristlosen Kündigung einer Erzieherin wegen ihres Kirchenaustritts tun sich die Verantwortlichen keinen Gefallen. Sie befeuern die Kritik an der Institution Kirche, die über Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust klagt. Wenn der betroffenen Mitarbeiterin tatsächlich kein anderer Vorwurf als der des Kirchenaustritts zu machen ist, dann ist die Knallhart-Entscheidung schlichtweg dämlich. Sie ist Wasser auf die Mühlen derer, die jenseits progressiver Kirchentagsbotschaften die Evangelische Kirche eher im Gestern denn im Morgen sehen.

Und noch etwas sollten die Fans der juristischen Kirchen-Sonderrechte betrachten: Eine Kita wie die "Wilden Hummeln" betreiben sie zwar als christliche Einrichtung - aber nicht komplett eigenständig und in Eigenregie. Ohne Mittel von Land und Kommune gäbe es keine einzige evangelische Kita. Wer Steuermittel nimmt, sollte auch Gesetze achten, an die sich die Steuerzahler halten müssen. Etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder das Grundgesetz. Tom Kreib

Das sagt der Ev. Kitaverband

Für den Kitaverband bezieht Pastor Thomas Haase als Vorsitzender Stellung:

"Kitas in kirchlicher Trägerschaft haben ein christliches Profil und vertreten christliche Grundwerte, mit denen sich auch die Mitarbeitenden identifizieren sollten. Daher ist eine Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche grundsätzlich Voraussetzung für eine Beschäftigung.

In der Praxis gibt es vereinzelt Ausnahmen von dieser Einstellungsvoraussetzung. So werden nach sorgfältiger Einzelfallprüfung Personen angestellt, die nicht Mitglied einer Kirche sind, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Niedersachsen (ACKN) angehört, beziehungsweise einer anderen Religionsgemeinschaft angehören. Alle Mitarbeitenden können sich mit den Werten der Kirche identifizieren und respektieren das christliche Menschenbild. Da in Zeiten des Fachkräftemangels Bewerbende ihren Arbeitgeber aussuchen können, ist jede Bewerbung bei einer konfessionsgebundenen Einrichtung auch ein Ausdruck der Identifikation mit christlichen Wertvorstellungen.

Dem Kindertagesstättenverband und dem Kirchenkreis ist eine konfessionelle Bindung im Bereich der frühkindlichen Bildung wichtig und ein zentrales Beschäftigungsmerkmal, vor allem bei Leitungspersonal, das nochmals eine besondere Verantwortung trägt. Sollte es während eines bestehenden Anstellungsverhältnisses einer Erzieherin/eines Erziehers zu einem Kirchenaustritt kommen, so sieht das Kirchengesetz der Landeskirche Hannovers eine fristlose Kündigung vor. In diesen Fällen ist keine Ausnahmeregelung vorgesehen. Daher wird nach Bekanntwerden das Gespräch gesucht und erläutert, dass aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechts eine Weiterbeschäftigung in unserem Kindertagesstättenverband nicht mehr möglich ist, so dass der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter die arbeitsrechtlichen Konsequenzen immer auch bewusst sind."

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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