Missbrauchsskandal im Frauen-Handball
Ex-Spielerin: Psychoterror fühlte sich "irgendwann normal an"

André Fuhr, hier ein Archivbild, war mit Blomberg-Lippe, Metzingen und Dortmund als Trainer oft in der Halle Nord in Buxtehude zu Gast | Foto: Dieter Lange
  • André Fuhr, hier ein Archivbild, war mit Blomberg-Lippe, Metzingen und Dortmund als Trainer oft in der Halle Nord in Buxtehude zu Gast
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Auch für einen erfolgreichen Handballtrainer gilt die Unschuldsvermutung. Doch wenn immer mehr Stimmen unabhängig voneinander davon sprechen, dass Handballtrainer André Fuhr einzelne Spielerinnen über Jahre psychisch fertiggemacht haben soll, dann kann es wohl kaum um die Rache einer enttäuschten Spielerin gehen, die ihren Ex-Coach öffentlich anklagen will. Seit der "Spiegel" am Freitag der vergangenen Woche über den in Dortmund entlassenen Trainer André Fuhr geschrieben hat, wird auch die Handball Bundesliga Frauen (HBF) von einem Missbrauchsskandal erschüttert. Wer mit Trainerinnen und Trainern, Spielerinnen und Managern redet, stellt schnell fest: Irgendwie hat jeder etwas gewusst, gehört oder zumindest geahnt. Die HBF ist eine kleine Welt, jeder kennt fast jeden - doch reagiert hat offenbar niemand.

Das WOCHENBLATT hat allen Gesprächspartnerinnen und -partnern Anonymität zugesichert. Die Namen sind der Redaktion bekannt. "Bei vielen Spielerinnen schwingt noch immer Angst mit", sagt ein Insider, der auch darauf verweist, dass es Schweigevereinbarungen zwischen Fuhr, Vereinen und Spielerinnen geben soll, die einer öffentlichen Aufarbeitung im Wege stehen. Viele hätten über Jahre geschwiegen, sie selbst auch, erklärt eine Ex-Bundesligaspielerin. "Jetzt fühlt es sich richtig und gut an, dass öffentlich geredet und berichtet wird."
Warum konnte sich André Fuhr in Blomberg-Lippe, Metzingen, Dortmund und als Nachwuchstrainer für die Nationalmannschaft so lange halten? Die einfache Antwort: Es fehlen offenbar vertrauenswürdige und niedrigschwellige Angebote in den Vereinen und beim Deutschen Handballbund (DHB).

In Dortmund soll Fuhr einer Spielerin mehrere Hundert private Nachrichten geschickt haben. Das bestätigen dem WOCHENBLATT mehrere Quellen. Passiert ist nichts. Auf anderer Ebene schon: Zwölf Spielerinnen haben Dortmund nach der Saison 2020/2021 verlassen. "Das hätte ein Alarmzeichen sein können", so ein Handball-Insider. War es aber nicht. "Da sind fantastische Spielerinnen gegangen", lautet ein Kommentar.
Bei Blomberg-Lippe und bei Borussia Dortmund, so berichtet ein Kenner des Frauen-Handballs, soll Fuhr sich einzelne Spielerinnen, meist jüngere, herausgepickt und sie drangsaliert haben. Zudem soll er für ein Klima der Angst gesorgt haben. "Manche wollen noch immer nicht reden, sie haben Angst", sagt ein Insider.

Solange die Erfolge stimmten - Fuhr wurde mit Dortmund Meister - haben in seinem Umfeld offenbar zu viele ein Auge zugedrückt. Andere Handballexpertinnen und -experten vermissen Solidarität in den Mannschaften. "Warum haben erfahrene Spielerinnen mit deutlich stärkerer Resilienz nicht mehr tun können?" Ein Manager sagt, dass Dortmund zwar einen Millionenetat habe, aber keine eigene Anlaufstelle, um derart übergriffiges Verhalten zu melden. "Die werden auf diesem Gebiet geführt wie ein Dorfverein."

Eine ehemalige Bundesliga-Spielerin widerspricht der Darstellung, dass einzelne Akteurinnen mehr hätten erreichen können. "Es gab solche, in allen Vereinen und beim DHB, die sich gewehrt haben, die etwas gesagt haben." Fuhr soll sie "faule Äpfel" genannt haben. Mit Folgen: Wer nicht freiwillig gegangen sei, sei abgeschoben worden. Widerspruch sei nicht vorgesehen gewesen. Dass habe innerhalb einer Mannschaft auch deshalb funktioniert, weil es immer Sportlerinnen gab, die anders, nämlich besser, behandelt worden sein sollen, die nichts erdulden mussten. Es sei also nicht das ganze Team demoralisiert worden. Und viele hätten über Jahre still gelitten und geschwiegen. "Die wollten dabeibleiben, Handball war oder ist ihr Leben." Und dann fällt ein Satz, der vielleicht am besten erklärt, warum dieser Skandal nicht schon lange den Handball erschüttert hat. "Es fühlte sich oft so an, als ob das normal ist." Psychoterror als Normalität im Leistungssport, kann das sein?

Einigkeit übrigens bei allen, mit denen das WOCHENBLATT gesprochen hat: André Fuhr wäre noch immer Trainer in Dortmund und für die U20-Nationalmannschaft, wenn nicht die beiden Dortmunder Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger mit Unterstützung ihrer Eltern und von Anwälten die Causa Fuhr öffentlich gemacht hätten.

Ob es jetzt Konsequenzen auf Verbandsebene gibt? Egal, mit wem man redet, eine Antwort ist immer: "Das muss jetzt aufgeklärt werden." "Köpfe können später rollen, jetzt muss es erst einmal um Fehler und Strukturen gehen", sagt ein Insider von Liga und HBF. Es sei schwer vorhersehbar, wie das ausgehe, so ein WOCHENBLATT-Informant. Es müsste eigentlich zwingend Konsequenzen geben. Die Flut an mutmaßlichen Belästigungsnachrichten an eine Dortmunder Spielerin, das haben mehrere Gesprächspartner dem WOCHENBLATT versichert, sei den Offiziellen seit dem Frühjahr bekannt gewesen. Noch im Juni hat Fuhr die U20-Nationalmannschaft bei einem Turnier und Lehrgang betreut. Eine Ex-Spielerin, die vom eigenen Erleben spricht, nennt das Ganze "ein Systemversagen".

Der DHB hat am Mittwoch mit einer offiziellen Stellungnahme reagiert: "Die bekanntgewordenen Vorwürfe gegen den Handballtrainer André Fuhr ergeben in Summe und Tragweite ein erschütterndes Bild", heißt es. Es werde eine unabhängige, externe Aufarbeitung geben.

Das WOCHENBLATT hat bei der Hamburger Kanzlei, die André Fuhr in Medienfragen vertritt, um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Die gab es nicht. Wohl aber den deutlichen Hinweis, von der Berichterstattung abzusehen.


Dem Handball eng verbunden

(tk). Warum schreibt das WOCHENBLATT über einen mutmaßlichen Missbrauchsskandal in der Handball Bundesliga Frauen (HBF), der in Dortmund, Metzingen und Blomberg-Lippe stattgefunden haben soll? Die Antwort ist einfach:

Die Landkreise Stade und Harburg sind eine Handballhochburg. Der Buxtehuder SV ist seit vielen Jahren erfolgreich in der Bundesliga und die Handball-Luchse (HL) Buchholz 08-Rosengarten haben dort ebenfalls Erfolge gefeiert, bevor sie in der aktuellen Saison absteigen mussten. Die Leserinnen und Leser erwarten im WOCHENBLATT Handball-Nachrichten.

Außerdem ist der WOCHENBLATT-Verlag seit vielen Jahren Hauptsponsor der "Luchse" und dem professionellen Handball in der Ersten und Zweiten Bundesliga der Frauen daher eng verbunden.

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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