Laut der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindermissbrauchs, Kerstin Claus, hat jede siebte bis achte erwachsene Person als Kind sexuellen Missbrauch erfahren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten oder erfahren. Das sind rund ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse. Viele dieser Fälle gehen nicht in die Kriminalstatistik ein, weil sie nie zur Anzeige gebracht werden.

„Weil Präventionsarbeit einen wirksamen Schutz bieten kann, hatte die Kinder-Eltern-Kontaktstelle (KEKS) in Kooperation mit der Gemeinde Neu Wulmstorf die Ausstellung ‚Echt Klasse!‘ mit Spielstationen zum Stark sein für Grundschulkinder für drei Wochen im März ins Rathaus geholt“, sagt Dr. Constanze Hock-Warmuth vom Mehrgenerationenhaus Courage e.V..

„Hilfe und Schutz zu geben ist unsere Verantwortung“, hatte Bürgermeister Tobias Handtke zur Eröffnung der Ausstellung am 6. März betont und ergänzt: „Wir müssen die Kinder stärken und vor allem uns stärken, dass auch wir es ansprechen und aussprechen.“

Dazu erklärt Ulrike Glüer, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde: „Wegschauen ist keine Lösung - rund um das Thema sexueller Missbrauch an Kindern ist es sehr wichtig eine gemeinsame Sprache zu finden. Deshalb haben wir auf breiter Ebene eine Auseinandersetzung mit dem Thema angeboten. Neben den Spielstationen für Grundschulkinder gab es die Begleitausstellung ‚Wissenswertes zum Schützen‘ für Erwachsene und zwei Informationsabende für Eltern. Die Ausstellung zeigte uns, dass es möglich ist: gemeinsam verantwortungsvoll und sensibel zu handeln, Kindern genau zuzuhören, sich zu informieren und bei Bedarf Hilfe zu holen.“

Etwa 400 Grundschulkinder der Gemeinde haben die Ausstellung mit ihrer Schulklasse im Rathaus besucht. Dabei entstanden zwei jeweils zwei Meter breite Herzensstärke-Wände (siehe Foto). Jedes Kind hatte seine eigenen Herzensstärken auf ein Papierherz notiert. Das ging von Freizeithobbies bis hin zur Stärkung durch Freunde und die eigene Familie bis hin zu der Nennung der sechs wesentlichen Grundlagen zum Starksein: 1. Mein Körper gehört mir. 2. Ich vertraue meinem Gefühl. 3. Ich kann zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden. 4. Ich darf „Nein“ sagen. 5. Ich kenne den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen. 6. Ich bin schlau, ich hole mir Hilfe.

Während der Öffnungszeiten der interaktiven Ausstellung ging es sehr lebendig zu im Rathaus. Kinder mit ihren Eltern und Angehörigen, Vereinsvertretern und Kommunalpolitikern nutzten die Gelegenheit für einen ausgiebigen Besuch. „Unser Rathaus ist vor über 30 Jahren auch als Begegnungsstätte für die Öffentlichkeit geplant und gebaut worden“, sagt Karin Schröder, Kultur- und Vereinsbeauftragte der Gemeinde. „Zu bemerken war, dass viele Kinder und Erwachsene aufgrund der „Echt Klasse !“-Ausstellung das Rathaus zum ersten Mal jenseits des Verwaltungstraktes als Raum für Begegnung und Vernetzung erlebt haben. Und begeistert waren. Insofern freue ich mich, dass es erste Überlegungen für eine weitere interaktive Ausstellung 2024 für Kinder und Jugendliche zur Gewaltprävention gibt.“

Hilfe holen ist möglich für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte: z.B. als Erstkontakt bei KEKS, als Fachberatungsstelle beim Kinderschutzbund des Kreisverband Landkreis Harburg, bei der Polizei oder bei der bundesweiten kostenfreien und anonymen Hilfetelefonnummer gegen sexuellen Missbrauch: 0800-22 55 530.