Energiekrise
Handwerksbetrieb aus Seevetal erhält Horror-Rechnung von Gasversorger

Jürgen Pahl, Geschäftsführer der Pahl GmbH, in der Werkstatt seines Betriebs | Foto: ts
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Eine derartige Horror-Rechnung, die sein neuer Gasversorger Ende Oktober verschickt hat, hat Jürgen Pahl (72) nicht erwartet. Der Geschäftsführer der Pahl GmbH, ein Lackier- und Karosseriebauer aus Seevetal- Maschen, zahlte bislang rund 2.100 Euro pro Monat für Gas. Ab sofort sind jedoch 19.629 Euro Abschlag pro Monat fällig - nahezu eine Verzehnfachung des Preises.  

"Das ist betriebsgefährdend", sagt Jürgen Pahl besorgt. Sein Betrieb beschäftigt 18 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, existiert seit 1995. Eine Kfz-Lackiererei verbraucht besonders viel Energie. Der Trockenofen müsse auf 50 Grad beheizt werden, die Spritzkabine auf 22 Grad. 

In der aktuellen Gasversorgungskrise habe sein bisheriger Versorger e.optimum, eine unabhängige Energie-Einkaufsgemeinschaft, das Geschäft aufgegeben, sagt Jürgen Pahl. Der Gasversorger Vraend mit Sitz in Frankfurt/Main habe die Kunden von e.optimum übernommen.

Fieberhaft sucht Jürgen Pahl nach einem neuen Energieversorger. Einen, der Gas zu bezahlbaren Preisen anbietet, wie er sagt. Die Zeit eilt: Findet er keinen in diesem Monat, muss er bei seinem jetzigen Gasversorger bis 2025 verbleiben. Nur: Gasversorger tun sich wegen der drastisch gestiegenen Beschaffungskosten schwer, neue Kunden aufzunehmen. 

In einem Schreiben an Jürgen Pahl begründet der Gasanbieter Vraend die drastische Preissteigerung mit dem aktuell hohen Marktpreisniveau (Preisanstieg seit Jahresbeginn ca. 90 Prozent) und der neuen gesetzlichen Umlage (Gasspeicherumlage). Das Unternehmen verspricht, die Preise bei einer Normalisierung der Marktlage wieder abzusenken. "Lassen Sie uns die Krise gemeinsam meistern", heißt es am Ende des Schreibens. Ein Satz, der Jürgen Pahl zynisch vorkommen muss. 

Bei der Jürgen Pahl GmbH handelt es sich nicht um einen Einzelfall: "Uns sind einige solcher Schicksale bekannt", antwortet eine Sprecherin des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums dem WOCHENBLATT. Der geschilderte Fall sei leider kein singulärer Ausnahmefall, aktuell sei das glücklicherweise aber noch nicht die Regel. Ähnlich Betroffene seien Supermärkte, Bäckereien und Freizeiteinrichtung.

Schwer an den explodierenden Energiekosten und anderen Preissteigerungen zu knabbern hat auch Sönke Neubauer vom Unfall- und Lackierzentrum Neubauer in Winsen. "Ich rechne für 2023 mit Mehrkosten von rund 160.000 Euro", sagt er. Das seien Summen, die kleinere Betriebe schnell in Existenznot bringen würden, zumal man die steigenden Kosten nicht einfach auf die Kunden umlegen könne. "Ich weiß von etwa einem halben Dutzend Kleinbetrieben in Hamburg, die spätestens zum Jahresende schließen", so Neubauer weiter.

Sönke Neubauer ist Mitglied im Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP), dem deutschlandweit rund 600 Betriebe angehören. Dort wird derzeit fieberhaft nach einer Branchenlösung gesucht, um die steigenden Kosten einzudämmen.

Weniger mit dem Gaspreis, sondern mit den Strom- und Treibstoffkosten hadert Jan Jürgens, Obermeister der Metallinnung des Landkreises Harburg. "In meinem Betrieb arbeiten wir zum Beispiel noch mit Schmiedekohle. Aber auch der Preis dafür hat sich jetzt verdreifacht", sagt er. Nicht ganz so dramatisch sehe es bei Betrieben aus, die die fertigen Metallarbeiten verzinken. Zwar müssten diese das Zink immer auf 450 Grad halten, wofür sehr viel Energie benötigt würde. "Diese Betriebe fallen aber unter den Begriff Industrie und werden jetzt schon von der Regierung unterstützt."

Die Bundesregierung versucht, die Folgen der Gasmangelversorgung abzufedern: Für Privatkunden und kleine Unternehmen soll von Februar 2023 an ein Gaspreis von zwölf Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des üblichen Verbrauchs gelten. Wer mehr verbraucht, muss höhere Preise zahlen. Wer weniger verbraucht, soll mit einem Bonus belohnt werden. Gelten soll die Gaspreisbremse bis April 2024.

Das Land Niedersachsen prüft staatliche Hilfen bis zum Wirken der Gaspreisbremse. Das Landeswirtschaftsministerium arbeite an einem landeseigenen Hilfsprogramm, das möglichst noch in diesem Jahr greifen soll, antwortete eine Ministeriumssprecherin dem WOCHENBLATT. Es soll jene Unternehmen unterstützen, die von den Energiekostensteigerungen besonders betroffen sind.

Mitarbeit: thl

Redakteur:

Thomas Sulzyc aus Seevetal

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