Beim Mediziner-Nachwuchs herrscht Notstand
"Interview der Woche" mit dem Kardiologen Dr. med. Sebastian Philipp vom Elbe Klinikum Stade

In seinem Büro: Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Philipp vom 
Elbe Klinikum Stade | Foto: Elbe Kliniken
  • In seinem Büro: Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Philipp vom
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JOBS und KARRIERE

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ce. Stade. "Auch wenn es immer Optimierungsbedarf gibt, können wir in Deutschland über unser Gesundheitssystem wirklich glücklich sein", sagt einer, der es wissen muss: Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Philipp (53), Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin und Ärztlicher Direktor im Elbe Klinikum Stade. Im "Interview der Woche" sprach er mit WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann darüber, wie er die USA und deren Gesundheitssystem erlebte, wie sich die Kardiologie im Laufe der Zeit verändert hat und welche Herausforderungen die Corona-Pandemie für Ärzte mit sich bringt.
WOCHENBLATT: Herr Dr. Philipp, was hat Sie bewogen, Arzt zu werden?
Sebastian Philipp: Man würde denken, durch meine Eltern. Doch am Ende war es ein guter Freund, der gerade sein Studium beendete und mir von der Medizin vorschwärmte.
WOCHENBLATT: Warum ging es dann in Richtung Kardiologie?
Philipp: Im Studium war mir schnell klar, dass mich das Herz am meisten interessierte, und die damalige Entwicklung der interventionellen Kardiologie hat mir die Entscheidung leicht gemacht. Darunter versteht man alle Eingriffe, die mit minimal-invasiver Kathetertechnik über einen arteriellen oder venösen Gefäßzugang erfolgen.
WOCHENBLATT: Von 2003 bis 2005 haben Sie in South Alabama/USA gelebt und gearbeitet. Wie haben Sie das Land und sein Gesundheitssystem und die gravierendsten Unterschiede des Systems erlebt?
Philipp: Ich habe bereits ein Highschool-Jahr 1984/85 sowie einen Teil meines Praktischen Jahres, was das letzte Jahr des Medizinstudiums ist, in den USA in Rochester, Minnesota, und San Antonio, Texas, verbracht. Das amerikanische Gesundheitssystem ist für Versicherte und Reiche hervorragend aufgestellt. Aber die Kosten sind enorm hoch. Eine Vorstellung in der Notaufnahme mit einer kleinen Platzwunde kostet schnell 650 Dollar, ein Intensivaufenthalt geht schnell in die Millionen. Zudem sind die Rechte an einer Behandlung häufig gedeckelt und nicht ausreichend. So führt eine Behandlung immer wieder zu einer privaten Insolvenz.
WOCHENBLATT: Wo hat sich der Bereich der Kardiologie seit Ihrem Start als Chefarzt in der Klinik für Innere Medizin am gravierendsten verändert?
Philipp: Grundsätzlich haben sich die Device-Therapie und Klappentherapie am meisten weiterentwickelt. Mittlerweile werden interventionelle Klappeneingriffe in den Zentren durch die Kardiologen durchgeführt, unter anderem auch in Stade. Zusätzlich werden in Stade über 30 sogenannte Persistierende Foramen ovale (PFO) pro Jahr verschlossen. Das sind angeborene lappenförmige Öffnungen zwischen den Vorhöfen, die zu Schlaganfällen führen können und mittels eines kleinen Schirmchens zugemacht werden. Diese Verfahren sind sehr speziell und nicht in jeder kardiologischen Klinik möglich.
WOCHENBLATT: Kooperieren Sie auch mit anderen Gesundheitseinrichtungen?
Philipp: Es gibt eine enge freundschaftliche Anbindung an das universitäre Herzzentrum in Hamburg mit einem gemeinsamen Heart-Team zur Empfehlung der bestmöglichen Versorgung unserer Patienten im Landkreis Stade.
WOCHENBLATT: Haben Herzerkrankungen während der Corona-Pandemie aus Ihrer Erfahrung zugenommen?
Philipp: Die Herzerkrankungen an sich haben kaum zugenommen. Aber gerade in den "Wellen“ sind Patienten aus Angst vor Corona oft viel zu spät ins Krankenhaus gekommen. Wir alle wissen, dass bei vielen Erkrankungen eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung wichtig für den Heilungsverlauf ist. Ein Hinauszögern kann gravierende Folgen haben.
WOCHENBLATT: Das Elbe Klinikum Stade bildet auch Medizinstudenten aus. Wie ist es um den medizinischen Nachwuchs bestellt?
Philipp: Die Qualität der Medizinstudenten aus Deutschland ist weiterhin gut, die Quantität aber schlichtweg viel zu gering. So werden in Niedersachsen jährlich maximal 450 Ärzte ausgebildet. Dem gegenüber stehen etwa 1.000 Mediziner, die in Rente gehen. Diese Diskrepanz haben wir auch in anderen Bundesländern. Bei den Medizinern haben wir - besonders in den ländlichen Gegenden - erhebliche Probleme, Stellen zu besetzen. Dies führt zur Mangelversorgung, die zum Teil durch Mediziner und Pflegekräfte aus dem Ausland kompensiert wird. Hier wird häufig ein deutlicher Unterschied spürbar, da die medizinische und pflegerische Ausbildungsqualität in Deutschland der der meisten anderen Länder überlegen ist.
WOCHENBLATT: Wobei können Sie am besten entspannen?
Philipp: Glücklich bin ich, wenn eine schwierige Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde und die Patienten zufrieden sind. Stolz bin ich auf mein Team, das in der letzten Zeit mal wieder über sich hinausgewachsen ist. Entspannen kann ich am besten bei meiner wunderbaren Frau Naby und meinen vielen Kindern, auf die ich auch sehr stolz bin. Aber auch Laufen, Golfen und der eine oder andere gute Film entspannen mich.
WOCHENBLATT: Herr Dr. Philipp, vielen Dank für das Gespräch.

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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