Mehl und Hefe werden in Corona-Zeiten zur Mangelware
Selber Brot backen - ein neuer Trend in Krisenzeiten?
(jd). Wer hätte das vor einem Monat gedacht: Klopapier wird zum Kassenschlager. Der tägliche Kampf ums Klopapier ist einer der Auswüchse der Corona-Krise. Was machen die Menschen aber mit den Massen von Mehl? Das fragt sich WOCHENBLATT-Redakteur Jörg Dammann. Denn Mehl ist mittlerweile Mangelware in den Geschäften. Ist im Land eine Kuchenback-Euphorie ausgebrochen? Oder steckt dahinter die Befürchtung, dass es bald kein Brot mehr zu kaufen gibt? Doch selber Brot backen: Klappt das? Unser Kollege Dammann hat den Versuch gewagt. Hier sein Bericht:
"Meine Ankündigung stieß bei der Familie auf verwunderte Gesichter: 'Morgen muss kein Brot gekauft werden, ich backe selber welches.' Die Skepsis war angebracht: Meine Kochkünste werden gern in Anspruch genommen, was aber das Backen angeht, bin ich völlig unbedarft. Nun hat meine Frau ohnehin immer einen gewissen Vorrat an Mehl im Haus. Damit ging es aber los: Das war ganz banales Weizenmehl. Daraus ein Brot backen? Wenn ich mich schon an den Ofen stelle, dann sollte es wenigstens ein anständiges Brot werden. Ich hatte mir online ein Backrezept aus der Schweiz rausgesucht. Dort sind - das weiß ich aus zahlreichen Urlauben - nicht nur die Berge besonders hoch, sondern auch die Brotspezialitäten besonders lecker.
Mit dem Einkaufszettel für die Zutaten schickte ich meine Frau los. Die kam viel später zurück als erwartet - und war völlig genervt. Allein wegen der Hefewürfel musste sie drei Läden abklappern und das passende Mehl vom Typ 1050 war überall ausverkauft. Was soll's: Das Rezept wurde einfach modifiziert. Statt eines rustikalen Bauernbrotes sollte es nun ein Weizen-Vollkornbrot werden. Vollkornmehl aus biologisch-organischem Anbau war noch reichlich zu bekommen. Zu Bioprodukten wird in Krisenzeiten offenbar seltener gegriffen.
Endlich konnte ich loslegen. Vollkornmehl, Hefe, Salz und Wasser waren schnell vermengt, dazu noch etwas Malzextrakt, um der Hefe auf die Sprünge zu helfen. Dann hieß es: kneten, kneten und nochmals kneten - bis sich meine Finger völlig verkrampft hatten.
Nach einer kurzen Knetpause griff ich erneut in den Mehlklumpen. "So lange kneten, bis ein weicher, glatter Teig entsteht", stand im Rezept. Irgendwann habe ich für mich entschieden: Jetzt ist der Teig gut - und meine Hände waren genug strapaziert. Nun musste der Teig aufgehen. Abdeckt mit einem feuchten Tuch, platzierte ich ihn unter den ungläubigen Blicken meiner Tochter neben der Heizung im Wohnzimmer.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit erreichte der Teig endlich das doppelte Volumen. Der Backofen war bereits vorgeheizt. Den Teig noch mit etwas Wasser bepinseln und mit Mehl bestäuben - und hinein damit in den Ofen.
Das Ergebnis nach knapp einer Stunde Backzeit: ein herrliches duftendes Brot. Noch schnell den Klopftest auf der Unterseite. Das Brot klang hohl, es war ausgebacken und damit fertig.
Jetzt nur noch auskühlen lassen, dann konnte es ans Probieren gehen. 'Leckere Kruste', meinte meine Tochter. 'Da fehlt etwas Salz', bemängelte meine Frau. Das war klar. Ich hätte mich auch gewundert, wenn sie nichts beanstandet hätte. Für mich selbst stand gleich nach dem ersten Bissen fest: 'Einfach köstlich.'
Mein Fazit: Meine Premiere als Hobbybäcker ist gelungen. Zu welchen Leistungen der Mensch in Krisenzeiten doch fähig ist, dachte ich mir so im Stillen, während ich die nächste Scheibe mit Butter bestrich."
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.