Zumindest das Praktikum bezahlen: Schüler in der Erzieher-Ausbildung fordern finanzielle Unterstützung
(jd). Es wurde in den letzten Wochen und Monaten viel über sie, aber selten mit ihnen geredet: Über Erzieher und Sozialassistenten wird derzeit ständig berichtet - auch im Landkreis Stade. Dabei fallen immer wieder Stichworte wie "Erzieher-Mangel" oder "lange Ausbildungszeiten". Dabei geht es immer wieder um den Bedarf, der in den Gemeinden angesichts der wie Pilze aus dem Boden schießenden Kitas besteht. Doch wie sehen Betroffene selbst ihre Situation? Verbesserungen bei der Bezahlung ja, aber Verkürzung der Ausbildung nein - so der Grundtenor eines Papiers, das eine "Arbeitsgruppe von Schülern in sozialpädagogischer Ausbildung" verfasst hat.
Organisiert ist diese AG bei der Gewerkschaft ver.di. "Wir lehnen die von einigen Politikern geforderte Einführung einer dreijährigen dualen Ausbildung zum Erzieher ab", sagt der Buxtehuder Ortsvereins-Vorsitzende Benjamin Wiebusch. Er sei mit der Materie bestens vertraut, da seine Frau sich derzeit an der Stader Jobelmannschule, Fachschule für Sozialpädagogik, zur Erzieherin ausbilden lasse.
An der beruflichen Qualifikation dürfe nicht gerüttelt werden, meint Wiebusch: Die jetzige Ausbildung befinde sich zu Recht auf einem hohen Niveau, das durchaus mit dem eines Bachelor-Studiums vergleichbar sei. Die Anforderungen würden weiter steigen und da dürfe die Erzieherausbildung nicht wie ein Lehrberuf gestaltet werden, nur um schneller den Personalbedarf decken zu können.
Das bedeutet aber nicht, alles beim Alten zu belassen: Auch die Arbeitsgruppe sieht dringenden Handlungsbedarf. Zum einen reiche es bei Weitem nicht, dass es an der Fachschule für Sozialpädagogik aufgrund des Lehrermangels nur eine Erzieherklasse mit 22 Schülern gebe. Andererseits müsse dieser Beruf und vor allem die Ausbildung finanziell attraktiver gestaltet werden, so Wiebusch.
"Praktikumsvergütung jetzt!", lautet daher eine Kernforderung der Erzieher-Fachschüler. Zumindest für die Praktikums-Zeiten sollte es eine angemessene Vergütung von mindestens 500 Euro im Monat geben. Eine vierjährige Ausbildung ohne eine ausreichende finanzielle Unterstützung sei heutzutage kaum noch machbar. Nach von Wiebusch ist das vom Landkreis Stade geplante und von der Stadt Stade bereits in ähnlicher Weise umgesetzte Stipendien-Modell nicht der Weisheit letzter Schluss: "Der Personenkreis, der damit in den Genuss einer beruflichen Weiterqualifizierung kommt, ist einfach zu klein."
Wiebusch will junge Menschen trotz der derzeit nicht besonders rosigen finanziellen Ausgangslage dazu ermuntern, sich zu Erziehern ausbilden zu lassen. Neben dem BAföG bestehe die Möglichkeit, einen Bildungskredit zu beantragen. Die Konditionen seien meist sehr gut.
• Infos zu den Finanzierungs- und Förderangeboten gibt es u.a. der Internet-Seite www.erzieher-in-niedersachsen.de
Minister plädiert für "Sechs-Punkte-Plan"
Die derzeitigen Probleme bei der Erzieher-Ausbildung waren in dieser Woche auch Thema im niedersächsischen Landtag. Dort machte der neue Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) bei der Aussprache über einen Entschließungsantrag der Grünen unmissverständlich klar: "Wir brauchen mehr Erzieher in Niedersachsen." Die Debatte über die Zukunft dieses Berufes dürfe aber nicht zu Lasten von Qualitätsstandards geführt werden. Allerdings spricht sich Tonne gegen "Denkverbote" aus: "Wir dürfen nicht den Fehler machen, Wege von vorneherein auszuschließen."
Hinsichtlich der Frage, wie die derzeitige Personalnot behoben werden kann, bringt der Minister einen "Sechs-Punkte-Plan" ins Spiel: 1. Die Ausbildungszahlen müssen gesteigert werden. 2. Chancen für Quereinsteiger müssen verbessert werden. 3. Es sind mehr Lehrkräfte einzustellen. 4. Als Alternative zur jetzigen vollschulischen Ausbildung sollen Modellversuche mit dualen Ausbildungselementen gestartet werden. 5. Das Land richtet eine Werbekampagne für den Erzieherberuf aus. 6. Das jetzt noch zu zahlende Schulgeld bei der Erzieher-Ausbildung wird so schnell wie möglich abgeschafft. Stattdessen muss eine Ausbildungsvergütung eingeführt werden.
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