WOCHENBLATT-Serie über Ehrenamt in Buchholz
Schlaganfall-Initiative: Damit die Erkrankung kein Tabu mehr ist

Barbara Ulmer engagiert sich seit zwölf Jahren bei der Schlaganfallinitiative Buchholz | Foto: Helms
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os/nw. Buchholz. Vor der sechsten Buchholzer Ehrenamtsmesse, die am Samstag, 14. Mai, 10 bis 15 Uhr, mit 28 Vereinen und Institutionen im Veranstaltungszentrum Empore in Buchholz stattfindet, stellt das WOCHENBLATT in Kooperation mit der Buchholzer Freiwilligenagentur f•e•e (freiwillig, ehrenamtlich, engagiert) in einer Serie engagierte Helferinnen und Helfer vor. Interviewpartner im vierten Teil sind Barbara Ulmer, die sich seit vielen Jahren im in der Schlaganfall-Initiative engagiert, und Holger Schubert, der vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitten hat.
WOCHENBLATT: Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden?
Barbara Ulmer: 2010 sind mein Mann und ich aus Hamburg nach Buchholz gezogen. Aufgrund jahrelanger ehrenamtlicher Tätigkeit in Hamburg wollte ich berufsbedingt im Gesundheitsbereich bleiben. Mit dieser Aussage wandte ich mich an die Ehrenamtsagentur in Winsen, denn f•e•e gab es damals noch nicht. Ich erhielt verschiedene Empfehlungen, dadurch bekam ich den Kontakt zum Gründer der Selbsthilfegruppe, Uwe Tanger.
WOCHENBLATT: Was ist Ihre Motivation, ehrenamtlich aktiv zu sein?
Barbara Ulmer: Mein Vater hat vier Schlaganfälle erlitten, wobei er am letzten dann auch verstorben ist. Deshalb hat mich das Thema interessiert.
WOCHENBLATT: Wie engagieren Sie sich?
Barbara Ulmer: Anfangs dachte ich, ich sollte nur die Webseite gestalten, doch ich bin dabeigeblieben und habe ein paar Jahre später die Nachfolge von Uwe Tanger angetreten. Als zertifizierte Schlaganfall-Mentorin berate ich Betroffene und Angehöre, moderiere die Gruppentreffen und bin Ansprechpartner für alle, die sich für die Selbsthilfegruppe und das Thema Schlaganfall interessieren.
WOCHENBLATT:
 Wie viel Zeit investieren Sie?
Barbara Ulmer: Geschätzt zehn Stunden die Woche, manchmal mehr, manchmal weniger.
WOCHENBLATT: Was leistet der Verein?
Barbara Ulmer: Er kann eine große Hilfe sein. Wir wissen wie es ist, wenn man versucht, sich mit einem Schlaganfall alleine auseinanderzusetzen. Daraus resultiert unser Motto: Gemeinsam sind wir stark, dafür ist ein persönlicher Austausch wichtig. Viele Menschen haben Scheu, sich mit Erkrankungen zu befassen; wenn es dann akut ist, stehen sie ziemlich hilflos da. Informieren, aufklären und Koordinationsstelle zu sein, das halte ich für sehr wichtig. Die Antwort auf die Frage "Wie geht es jetzt weiter?" ist gleichermaßen für Betroffene und Angehörige von entscheidender Bedeutung. Da hilft unser Austausch innerhalb der Gruppe. Betroffene haben viele Fragen: Wie hast du das damals gemacht? Wie bist du mit der Ablehnung der Krankenkasse umgegangen, wer kann mir dabei helfen? Wo kann ich mich hinwenden, um die Umbauten für mein Auto finanziert zu bekommen? Wie kann ich die Erkrankung meinen Freunden/Bekannten erklären, dass sie sich nicht überfordert fühlen? Dieser Austausch ist wertungsfrei und wegweisend und keiner braucht Hemmungen zu haben. Hier kann man so sein wie man ist, denn man befindet sich unter Gleichgesinnten, die sich aufbauen, unterstützen und gegenseitig stärken. In der Solidarität zueinander bekommen sie wieder Lebensmut und heben die persönliche Lebensqualität – nicht nur für Betroffene, auch für Angehörige.
WOCHENBLATT: Wie lange sind Sie dabei und was motiviert Sie?
Barbara Ulmer: Seit zwölf Jahren. Zu sehen, wie eine Hilfe, die für mich nicht viel Aufwand bedeutet, so viel für andere bringt - das ist buchstäblich Gotteslohn!
WOCHENBLATT: Arbeiten Sie allein oder im Team ?
Barbara Ulmer: Ich werde unterstützt von meinem 82-jährigen Stellvertreter aus Buxtehude, der selber einen Schlaganfall erlitten hat, und weiteren Mitgliedern. Naturgemäß ist es bei Organisationen, die sich mit dem Thema Krankheit befassen, immer schwierig, weil jemand krankheitsbedingt auch schnell ausfallen kann. Das liegt in der Natur der Sache. Darüber hinaus stehen wir im engen Austausch mit anderen Initiativen und Einrichtungen. Hier zu nennen ist der Kooperationspartner „Schlaganfall-Ring“ in Hamburg und Schleswig-Holstein und die Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe.
WOCHENBLATT: Wie steht es um den Bekanntheitsgrad der Krankheit und Ihrer Selbsthilfegruppe?
Barbara Ulmer: Die Aussagen sind deckungsgleich, wenn auch im sehr niedrigschwelligen Bereich: Erkrankungen sind immer noch ein Tabu! Stehe ich auf dem Stadtfest und rede mit Menschen darüber, habe ich das Gefühl, sie meinen, es sei eine ansteckende Krankheit, was definitiv nicht stimmt. „Nein, damit möchte ich mich nicht mit befassen, das könnte für mich problematisch sein“. Solche Gesundheitsthemen, die am Leben und Tod rühren, sind manchmal für Menschen schwierig zu ertragen.
WOCHENBLATT: Was bringt Ihnen persönlich das Ehrenamt?
Barbara Ulmer: Ganz viel Freude, Feedback und Unterstützung.
WOCHENBLATT: Würde Ihnen ohne dieses Ehrenamt etwas fehlen?
Barbara Ulmer: Ich bin schon immer in dem einem oder anderen Bereich ehrenamtlich tätig gewesen, daher kann ich mir ein Leben ohne Ehrenamt nicht vorstellen. Ich kenne es nicht anders, wenn ich etwas machen kann, dann mache ich es.
WOCHENBLATT: Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Anerkennung des Ehrenamts bestellt?
Barbara Ulmer: Es gibt natürlich Anerkennung, doch seit Corona ist das alles nicht mehr so doll.
WOCHENBLATT: Was muss man mitbringen, um in Ihrem Verein ehrenamtlich tätig zu sein?
Barbara Ulmer: Zeit und die Bereitschaft, sich mit Themen wie Leben und Tod auseinanderzusetzen. Idealerweise als Angehöriger oder Betroffener, der schon einmal mit Schlaganfall zu tun gehabt hat, denn Selbsthilfe heißt, aus dem eigenen Erleben zu agieren. Es ist aber keine Pflicht oder Voraussetzung, wenn jemand bereit ist, Fahrten zu übernehmen oder Aufklärungsarbeit zu leisten, ist sie oder er herzlich willkommen.
WOCHENBLATT: Was bringt Ihnen persönlich das Ehrenamt?
Barbara Ulmer: Die Dinge, die man letztlich bewirken kann, anzugehen und umzusetzen ist eine unglaubliche Befriedigung. Allerdings wird es einem zur Zeit durch die Verordnungen zur Coronapandemie, die schrecklich genug ist, sehr schwer gemacht, den persönlichen Austausch und die Hilfe für andere Menschen zu organisieren. Menschen mit Sprachproblemen sind mit digitalen Mitteln nicht so gut zu erreichen beziehungsweise sie können sie nicht so gut nutzen, das macht die Sache sehr, sehr schwierig. Ich würde mir gerade jetzt noch mehr Unterstützung wünschen, denn man stirbt leider nicht nur an Corona.
WOCHENBLATT: Welches Erlebnis hat Sie besonders beeindruckt?
Barbara Ulmer: Das ist noch ganz frisch! Ein Mitglied, das noch vor einem Vierteljahr komplett im Rollstuhl saß, kann nun schon wieder die Treppe hochgehen. So einen Fortschritt mitzuerleben, ist fantastisch!

Pro Jahr treten in Deutschland 200.000 erstmalige Schlaganfälle und 70.000 wiederholte Schlaganfälle auf. Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, sind durchschnittlich 73 Jahre alt. Gleichwohl treten 15 Prozent der Schlaganfälle bei Menschen unter 55 Jahren auf. Einer von ihnen ist der heute 45-jährige Holger Schubert, den es vor zwei Jahren traf. Bis zu diesem Zeitpunkt war er gesund, sportlich und fit.
WOCHENBLATT: Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Holger Schubert: Vorher war ich gut integriert, war Vertriebsleiter und arbeitsfähig – heute bin ich Rentner. Wenn man einen Schlaganfall erleidet, ist man stark eingebunden in einen richtigen Ablaufplan. Angefangen mit Krankenhaus, irgendwann folgt eine Anschlussheilbehandlung. Dadurch hat man nur sehr wenig Kontakt zur Außenwelt. Ich habe kognitive und körperliche Einschränkungen behalten, bin auf keinen Fall mehr aktiv und habe dadurch auch meinen riesigen Freundeskreis verloren – geblieben ist mir meine Frau.
WOCHENBLATT: Wie haben Sie von Schlaganfall-Initiative erfahren?
Holger Schubert: Vor meiner Erkrankung hatte ich davon keinerlei Kenntnis. Erst als ich selbst davon betroffen war, wies mich eine Betreuerin in meine Anschlussbehandlung daraufhin.
WOCHENBLATT: Was hat sich für Sie durch die Unterstützung verändert?
Holger Schubert: Steigt man notgedrungen tiefer in das Thema Schlaganfall ein, merkt man erst einmal, wie hart unser Gesundheitssystem ist beziehungsweise wie schlecht die Versorgung dieser Patienten im Nachhinein ist. In der Selbsthilfegruppe habe ich viele Leute kennengelernt, die trotz Schlaganfall positiv geblieben sind. Das gibt einem auch einen gewissen Halt und positive Zukunftsgedanken. Viele Schlaganfallpatienten ziehen sich zurück, werden dadurch häufig sehr einsam, weil sie ihre gewohnten Fähigkeiten nicht mehr abrufen können. In dieser Selbsthilfegruppe gibt es ein schönes Miteinander, man tauscht sich aus und bekommt Tipps für empfehlenswerte Therapien. Jeder lernt, sich auf seine Weise durchzukämpfen. Das ist ganz wichtig, denn diese Krankheit führt oft zu starken Depressionen. Man selber nimmt an sich eigene Fortschritte kaum oder nicht immer wahr; um so aufbauender ist es, diese von anderen gespiegelt zu bekommen. Dieses Feedback ist unglaublich hilfreich!
WOCHENBLATT: Wie ist Ihr persönliches Fazit?
Holger Schubert: Leute, sucht euch eine regionale Selbsthilfegruppe und geht darin auf! Die Verbundenheit und der Austausch aufgrund der Krankheit, die Tipps, wie man an seinen Handicaps arbeiten und dabei Fortschritte erzielen kann, sind eine große Bereicherung. Ich bin sehr froh, dass es Menschen gibt, die so etwas gegründet haben, um Betroffene aufzufangen. Hat man den bereits erwähnten Ablaufplan hinter sich gelassen, braucht man Unterstützung, sein Leben in der neuen Situation zu gestalten. Du bist nicht allein, du bist umgeben von Menschen, die ihre positive Lebenseinstellung behalten haben.
WOCHENBLATT:
Wir danken für das Gespräch.

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Schlaganfall-Initiative Buchholz

[/b]Die Selbsthilfegruppe Schlaganfall-Initiative Buchholz wurde im Jahr 2000 mit dem Ansinnen gegründet, Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben sowie deren Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zusätzlich wird für alle Menschen Aufklärungsarbeit geleistet, denn Schlaganfall ist die häufigste Erkrankung, bei der Betroffene bleibende Behinderungen zurückbehalten. Betroffene und Angehörige, die sich sich gerne ehrenamtlich in der Schlaganfall-Initiative einbringen wollen, wenden sich zur ersten Kontaktaufnahme an die Freiwilligenagentur f·e·e unter Telefon 0176-54639639 oder per E-Mail an fee@freiwilligenagentur.net

Ehrenamtsmesse 2022

Bei der sechsten Buchholzer Ehrenamtsmesse am Samstag, 14. Mai, von 10 bis 15 Uhr im Veranstaltungszentrum Empore (Breite Str. 10) ist die Schlaganfallinitiative als einer von 28 Vereinen vor Ort.

Freizeit gemeinsam gestalten im Kulturbahnhof Holm-Seppensen
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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