Singen

Sängerlust Fleestedt: Corona bedeutet eine Vollbremsung für Chöre

ts. Fleestedt. Nach allem, was bislang über die Corona-Ansteckungsgefahr bekannt ist, gilt Singen als ein gefährliches Hobby. Die Corona-Schutzregeln bedeuten für Chöre eine Vollbremsung: kein gemeinsames Proben in geschlossenen Räumen, keine Konzerte, keine Einnahmen. Der Gesangverein Sängerlust Fleestedt mit seinen 70 Aktiven sucht nach Lösungen.
"Ich habe die Furcht, dass das Interesse, im Chor zu singen, schwinden und der Chor auseinanderbrechen könnte", sagt der Vorsitzende des Gesangvereins Sängerlust Fleestedt, Ralf Lange. 133 Jahre Chortradition in Fleestedt sind gefährdet. Unter dem Dach des Gesangvereins sind der Männerchor Sängerlust (40 Aktive) und der Chor Sing & Swing (30 Aktive) vereint.
Eigentlich hätte der Männerchor Sängerlust in diesem Sommer einen Ausflug in die Holsteinische Schweiz unternommen und wie in jedem Jahr am 3. Oktober ein Konzert im Veranstaltungszentrum Burg Seevetal aufgeführt. Beides muss in diesem Jahr ausfallen.
Seit dem März haben die Sänger nicht mehr gemeinsam geprobt. Zwar dürfen Chöre mittlerweile wieder in geschlossenen Räumen singen - aber nur, wenn die Sänger jeweils 1,50 Meter Abstand zueinander halten. Im Haus der Chöre in Fleestedt finden die 40 Mitglieder des Männerchores auf diese Weise nicht gemeinsam Platz. Außerdem: "Wenn wir mit 30 Leuten im Abstand zueinander stehen, dann ist das Klangvolumen verzerrt", sagt Ralf Lange. Operettenmelodien und Lieder der Klassik auf diese Weise anspruchsvoll zu interpretieren, gilt als kaum möglich.
Finanzielle Hilfen vom Bundes- oder Landesverband erhält der gemeinnützige Gesangverein nicht. Noch gelingt es ihm, den Chorleiter zu bezahlen und laufende Kosten, Miet- und Versicherungszahlungen, zu begleichen. Aber ohne Einnahmen aus Konzerten wird das zunehmend schwieriger.
Doch selbst, wenn der Chor dürfte: Sofort loslegen können die Sänger nicht. "Weil wir proben müssen", erklärt Ralf Lange. "Wir benötigen etwa ein halbes Jahr, um wieder ein Konzert geben zu können. Wir müssen die Stimmen synchronisieren." Ralf Lange singt den ersten Bass, hat sich mit Einzelgesangsunterricht in Form gehalten.
Eine echte Perspektive zeigt auch der Deutsche Chorverband seinen Mitgliedern nicht auf. Virtuelle Proben und Singen in Kleingruppen könnten vorübergehend zu einem Gemeinschaftserlebnis beitragen Chorverbandspräsident Christian Wulff, Bundespräsident a. D., appelliert in einem Schreiben aus dem Juni an das Durchhaltevermögen: "Bis die analoge Gesamtprobe wieder Normalität ist, brauchen wir Geduld und Zusammenhalt."
Der Gesangverein Sängerlust kämpft um die Rückkehr in die Normalität. Zum ersten Mal seit März will sich der Männerchor am 6. August wieder treffen und Lieder singen. Im Freien auf dem Grundstück eines Sängerfreundes, weil die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus viel geringer ist. Zusammen mit dem Chorleiter Kristof Skladanowski will Ralf Lange zudem im Haus der Chöre Stühle aufstellen und Formationen testen, um Kleingruppen das Proben zu ermöglichen. "Es ist ein Versuch", sagt Ralf Lange, der das Singen liebt. Er fürchtet, dass der Chor auseinanderbrechen könnte, sollten die Sänger ihrer Leidenschaft nicht nachgehen dürfen. Mit Telefonaten und E-Mails hält der Gesangvereinsvorsitzende die Kommunikation in der Gemeinschaft aufrecht.
Für Chöre bedeutet die Corona-Krise einen Wettlauf mit der Zeit. Ralf Lange: "Noch schwächeln wir nicht. Aber wir sehen langsam den Abgrund." Chöre: Schreiben Sie uns! 42 Chöre sind im Kreis-Chorverband Harburg-Winsen organisiert und bereichern das kulturelle Leben im Landkreis Harburg. Wir möchten von den Chören wissen: Welche Einfälle haben Sie, um die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten? Wie proben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an: thomas.sulzyc@kreiszeitung.net