WOCHENBLATT-Serie über Rassismus
"Ihr werdet mich nicht kleinmachen - im Gegenteil"

Zeinab Youssef | Foto: privat/Youssef
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JOBS und KARRIERE

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(tk). Wie viel Rassismus gibt es in unserer Gesellschaft, wie nehmen ihn Menschen wahr, die von Ausgrenzung und rassistischen Attacken bis hin zur Androhung von Gewalt betroffen sind? Das WOCHENBLATT begleitet im März mit einer Serie die Antirassismus-Onlineveranstaltungen eines breiten Aktionsbündnisses im Kreis Stade unter dem Leitsatz "Solidarität.Grenzenlos". Dieses Mal schreiben eine Schülerin und ihre Lehrerin.

Ich bin Zeinab, bin 19 Jahre alt, besuche seit drei Jahren das Vincent Lübeck Gymnasium in Stade und arbeite hart, um mein Abitur zu absolvieren. Als ich nach Deutschland kam, dachte ich, dass die deutsche Sprache mein größtes Problem werden würde. Heute, wo ich sie beherrsche, weiß ich: Schön wär's.
Vor drei Jahren sind meine Familie und ich aus Syrien geflüchtet. Wir haben alles, was wir hatten, hinter uns gelassen. Neben unserem Haus, unseren Sachen, unseren Familien und Freunden haben wir vor allem eines verloren: das Gefühl, dazuzugehören. Zugehörigkeit ist etwas, was ich in Deutschland nach wie vor suche. Und das schmerzt.

"Rassistische Erfahrungen schon im Kindergartenalter"

Leider erlebe ich hier immer wieder Diskriminierung. Ich wurde schon morgens auf dem Weg zur Schule von einem Mann angespuckt, mit dem Mittelfinger beleidigt und bedroht. Ich war alleine unterwegs und hatte wirklich Angst. Damals trug ich noch mein Kopftuch. Ein andermal wurden meine Mutter und ich auf offener Straße mit „ Scheiße!“ beschimpft. Wieder ein anderes Mal streckte ein junger Mann seinen Kopf aus dem Auto, spuckte uns an und schrie: „Geht zurück, wo ihr hergekommen seid!“ Das waren jedes Mal solche Schocks, weil man gar nicht damit rechnet, dass sowas passiert. Auf offener Straße. Am helllichten Tage. In einer kleinen Stadt wie Stade.

Ich werde jetzt, ohne Kopftuch, nicht mehr bespuckt, aber immer noch beäugt. Doch meine Mutter, meine Schwester und viele andere Frauen tragen noch ihr Kopftuch, und sollen es auch dürfen. Eine Botschaft an all die rassistischen Angreifer da draußen: Spart euch eure Spucke, lasst mal lieber frische Luft in eure Gehirne und denkt nicht, ihr hättet mich kleingemacht, genau das Gegenteil ist der Fall, ich werde durch diese Erfahrungen stärker und mutiger darin, den Rassismus zu bekämpfen. Ich persönlich bezeichne mich als toleranten und offenen Menschen und ich glaube, dass wir in einer guten Welt leben können, auch wenn wir unterschiedliche Religionen haben oder wenn wir unterschiedlich aussehen.

Ich bin Sarah, 32 Jahre alt, Lehrerin und ich bin mit Zeinabs Familie seit zwei Jahren befreundet. Solche Geschichten wie die von Zeinab schmerzen mich, als weiße, nicht von Rassismus betroffene Person auch. Denn ich möchte nicht in einer Welt leben, in der Menschen solche Erfahrungen machen müssen! Eine Freundin von mir mit Migrationshintergrund ist vor ein paar Jahren sogar ausgewandert, weil sie endlich nicht mehr immer „die andere“ sein wollte.

"Man hat mir den Tod durch Vergasung gewünscht"

Ich bin der Überzeugung, dass ich als Weiße von Rassismus betroffenen Personen zuhören muss und ihnen ihre Erfahrungen nicht abstreiten darf, wie man es in der peinlichen WDR-Show neulich wieder sah. Bei vielen Leuten schrillen aber sofort die Alarmglocken, wenn das Wort „Rassismus“ fällt und dann dreht sich das Gespräch nur noch darum, warum sie auf gar keinen Fall rassistisch sein können (denn sie sind ja keine Nazis), und es geht nicht mehr um das, was da eigentlich vorher passiert ist. Das ist schade, denn nur durch Zuhören können wir voneinander lernen und es in Zukunft vielleicht besser machen.

Ich finde es wichtig, dass wir alle uns gegen Rassismus einsetzen, gerade auch als nicht betroffene Menschen. Denn Rassismus ist klein, subtil, aber auch grob, wie die Erfahrungen von Zeinab zeigen, und letztlich auch tödlich, siehe die Anschläge in Hanau, Halle oder der Mord an Walter Lübcke.
Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der wir Diskriminierungen, aller Art, abbauen und gegenseitig füreinander einstehen.

"Solidarität.Grenzenlos": Über Rassismus reden
Zeinab Youssef | Foto: privat/Youssef
Sarah Landeck Fotos: privat | Foto: privat/Landeck
Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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