Debatte um das Streikrecht
Verpflichtende Schlichtung vor dem Arbeitskampf?

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JOBS und KARRIERE

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Bus und Bahn fahren mit Notfahrplan, Flugzeuge bleiben am Boden – im Verkehrssektor wird gerade gestreikt, was das Zeug hält. Ein Ende ist ungewiss, möglicherweise ist auch der Reiseverkehr zu Ostern betroffen. Auch Berufspendler können sich derzeit auf öffentliche Verkehrsmittel nicht verlassen.
Verständnis für die anhaltenden Streiks einerseits, blankliegende Nerven und Wut andererseits: Die Nation ist gespalten. Während die Gewerkschaften auf das Streikrecht pochen, fordern einige Politiker dessen Verschärfung, z.B. durch einen Schlichtungszwang. Das WOCHENBLATT lässt dazu den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen und den Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen zu Wort kommen.

Brauchen wir ein neues Streikrecht?

"Das Streikrecht ist ein hohes Gut und braucht keine weiteren Regulierungen oder neue Gesetze", sagt Dr. Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Niedersachsen. "Das derzeit geltende Tarifvertragsgesetz und die Rechtsprechung sind ausreichend." Bereits jetzt werde bei Streiks Rücksicht genommen, damit Leistungen der Daseinsvorsorge zugänglich bleiben. Zudem gebe es Notdienstvereinbarungen und Ankündigungen, sodass sich Menschen darauf einstellen könnten.

"Es gibt keine Not, in das Streikrecht einzugreifen", so Dr. Mehrdad Payandeh weiter. "Es sei denn, man will in Wahrheit etwas anderes: Nämlich die Augenhöhe, die das Streikrecht schafft, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abzuschaffen." Damit würden Lohnforderungen zum allgemeinen kollektiven Betteln degradiert. "Wer das Streikrecht einschränken will, stellt die demokratische Grundordnung unseres Landes in Frage. Denn das Streikrecht ist durch die Gesetzgebung garantiert. Niemand kann eine Schlichtung erzwingen."

Lassen sich die Streiks noch länger akzeptieren?

"Streiks veränderten immer den normalen Alltag", sagt DGB-Vorsitzender Dr. Mehrdad Pavandeh. "Aber jeder und jede Angestellte weiß selbst, dass man seine Rechte durchsetzen muss und einem nicht einfach alles geschenkt wird." Wenn man die Menschen fragte, ob sie schlechte Arbeitsbedingungen akzeptabel fänden, würden die meisten doch sehr schnell die Motivation der Streikenden verstehen.

Das sagt der Arbeitgeberverband

"Da Grundrechte zu respektieren sind, kann auch in das Streikrecht grundsätzlich nicht eingegriffen werden", erklärt Bernd Wiechel, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Lüneburg-Nordostniedersachsen. Die jetzt im Fall der Bahn ergangenen Urteile des Arbeitsgerichts Frankfurt und nachfolgend des Hessischen Landesarbeitsgerichts hätten dies noch einmal deutlich gemacht. "Aber vielleicht könnte man einmal darüber nachdenken, gerade im Bereich der Daseinsvorsorge und in Fällen, in denen ein Unternehmen dem Arbeitskampf gleich mehrerer Gewerkschaften ausgesetzt ist, ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren einzuführen, bevor es zu Arbeitskampfmaßnahmen kommt", betont Wiechel. Als Beispiel nennt er die Lufthansa, die durch die Gewerkschaften Cockpit für die Piloten, UFO für die Flugbegleiter und Verdi für das übrige Personal betroffen ist. Hinzu kämen noch Streiks beim Sicherheitspersonal an den Flughäfen.

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red-buch@kreiszeitung.net oder red-bux@kreiszeitung.net.

Das Recht auf Streik

Warnstreiks sind befristete Arbeitsniederlegungen von einigen Stunden. Wie Vollstreiks sind sie verfassungsrechtlich als Grundrecht in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz verankert. Das Streikrecht gilt auch für Angestellte, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind. 

Kurioses zum Thema Streik

Der erste dokumentierte Streik war 1152 v. Chr., als Arbeiter in Ägypten ihre Arbeit niederlegten, weil sie ihren Lohn, der in Getreide ausgezahlt wurde, nicht erhalten hatten.

Der längste Streik in Deutschland fand 1956 statt und dauerte fast ein Jahr. Bergarbeiter im Ruhrkohle-Bergbau legten für insgesamt 222 Tage für Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung ihre Arbeit nieder.

In einem Hotel in Chicago streikten die Mitarbeitenden zehn Jahre lang von 2003 bis 2013 gegen Lohnkürzungen. Mit Protestschildern standen sie jeden Tag vor dem Eingang des Congress Plaza Hotel in der Innenstadt. Gebracht hat es nichts: Die Angestellten mussten zu den alten Konditionen zurückkehren.

Im japanischen Okayama streikten 2018 die Fahrer der lokalen Busgesellschaft Ryobi – aber nicht, indem sie die Arbeit niederlegten, sondern indem sie Fahrgäste mitnahmen, ohne zu kassieren. Rechtlich wäre so ein "Teilstreik", bei dem nur ein Teil der Arbeitsleistung verweigert wird, auch in Deutschland möglich. Der Schaden wäre jedoch nur gering, da viele Fahrgäste Monatskarten oder Abos wie das Deutschlandticket haben. 

Kommentar 1: Streik ist ein probates Mittel

Die Streiks verlangen der Bevölkerung so einiges ab. Zwar nutze ich persönlich weder Bus noch Bahn, weil es auf meinem Arbeitsweg und in meinem Wohnort praktisch keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Ich kann aber verstehen, wenn Berufspendlern oder Reisenden langsam der Geduldsfaden reißt. Der Unmut sollte sich jedoch nicht allein gegen die Streikenden richten, sondern in gleichem Maße gegen die Arbeitgeber. Die Situation ist auf beiden Seiten festgefahren. Wenn Arbeitnehmer Härte begegnen, müssen sie mit Härte reagieren, um ihre Forderungen durchzusetzen. Dafür ist ein Streik ein probates Mittel. Dass am Ende immer ein Kompromiss stehen muss, sollte dabei selbstverständlich sein. Stephanie Bargmann

Kommentar 2: Es geht nur um Macht

Die täglichen Meldungen über neue Streiks gehen mir mittlerweile auf den Senkel. Ja, das Streikrecht ist völlig zu Recht ein hohes Gut. Aber nicht, wenn es dazu missbraucht wird, seine eigene Position ohne Rücksicht auf Verluste durchzuprügeln. Anders kann ich das Verhalten der Gewerkschaften, z.B. von Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der Lokführergesellschaft GDL, nicht nennen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er sich auf seine letzten Tage als GDL-Chef noch ein Denkmal setzen möchte. Es geht ihm um Macht und nicht mehr um die Sache.
Meine Kollegin Stephanie Bargmann hat Recht: Einen Kompromiss finden zu wollen, sollte selbstverständlich sein. Ist es aber nicht! Oliver Sander

Redakteur:

Stephanie Bargmann aus Stade

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