Diskussion über Vorschlag, die Zahl der Krankenhäuser in Niedersachsen stark zu verringern / "Abbau und Zentralisierung sind keine Option"
"Das ist ein typisches Sommerlochthema"

Wie lange noch? Das Krankenhaus in Buchholz ist eines von niedersachsenweit 172 Krankenhäusern | Foto: Krankenhaus Buchholz
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JOBS und KARRIERE

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(mum/os/jd). Buchholz, Winsen, Harburg, Buxtehude, Lüneburg, Soltau und Rotenburg - in einem Umkreis von 50 Kilometern um Buchholz hat der Patient bei der Wahl des Krankenhauses die Qual der Wahl. Selbst Walsrode ist mit knapp 90 Kilometern nicht weit weg. Geht es nach Reinhard Busse, wissenschaftlicher Leiter des Gesundheitsökonomischen Zentrums Berlin, sollte Niedersachsen seine Krankenhauslandschaft radikal umbauen. Das hat Busse Anfang der Woche der Enquetekommission des Landtags in Hannover vorgeschlagen. Niedersachsen könne mit etwa 36 Kliniken auskommen, rechnete er vor. Derzeit sind es 172.
„Die Medizin ist nicht mehr so wie im letzten Jahrhundert, aber die Krankenhäuser sind noch wie im letzten Jahrhundert“, sagte Busse. Als Vorbild sieht er den radikalen Umbau der Kliniklandschaft in Dänemark. Das Land setzt auf wenige, teils komplett neu gebaute „Superhospitale“, in denen die stationäre Versorgung gebündelt wird.
„Die kleinen Krankenhäuser müssen weg“, forderte Busse. Nur ab einer bestimmten Mindestfallzahl könnten die Häuser rund um die Uhr Qualität und Patientensicherheit gewährleisten. „Wir verteilen die 500 täglichen Herzinfarkte in Deutschland auf 1.300 Krankenhäuser“, rechnete Busse vor. Die Sterblichkeit sei in Norwegen und Dänemark viel niedriger. Auch wenn der Rettungswagen „etwas länger“ unterwegs sei, sei im Gegenzug auch nachts um drei noch ein Kardiologe greifbar.
Die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) unterstreicht in einer Pressemitteilung die Bedeutung einer schnellen Erreichbarkeit im Flächenland Niedersachsen. "Abbau und Zentralisierung von Krankenhäusern sind keine flächendeckende Option", betont NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke. "Der gesicherte Zugang und die gute Erreichbarkeit von Krankenhäusern sind wesentliche Qualitätsmerkmale des niedersächsischen Gesundheitswesens", erklärt Engelke. Das sei durch ein Zuviel an Zentralisierung nicht mehr gegeben.
Den Vorstoß von Busse und der Enquetekommission sieht Norbert Böttcher, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, als "typisches Sommerlochthema". Das Thema, ob man statt 172 nur noch 36 Kliniken in Niedersachsen benötigt, sei "wunderbar geeignet, davon abzulenken, dass wir in Deutschland nach wie vor allein 109 gesetzliche Krankenkassen haben", und der Gesundheitsfonds der Krankenkassen auf Rücklagen in zweistelliger Milliardenhöhe sitze. Böttcher verweist auf die seit Langem stattfindende Diskussion, welche Mindestgröße für Krankenhäuser notwendig ist, um auf qualitativ hohem Niveau und wirtschaftlich arbeiten zu können. Er gehe davon aus, dass die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen sich auch künftig eigenständig um das Wohl der Patienten kümmern werden. Derzeit arbeite man daran, die Krankenhäuser "unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Telemedizin" virtuell zu vernetzen.
Den Vergleich mit anderen Ländern wie Dänemark hält Dr. Hans-Heinrich Aldag, Geschäftsführer der Waldklinik in Jesteburg, für wenig hilfreich. Bei einem solchen Vergleich müsse immer das gesamte Gesundheitswesen verglichen werden: "Gibt es eine freie Arzt- und Krankenhauswahl, wie es bei uns der Fall ist? Ist es ein staatliches System? Wie ist der Rettungsdienst ausgestaltet? Gibt es Wartezeiten im Krankenhaus? Das sind alles Fragen, die berücksichtigt werden müssen." Norbert Böttcher fügt süffisant hinzu: "Ich gehe davon aus, dass es auch in Burkina Faso weniger Krankenhäuser gibt als bei uns!"
Auch Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken und von OsteMed stellt klar, dass er die Aussage eines sogenannten Experten, „136 von 172 niedersächsischer Krankenhäuser seien unnötig“, für nicht sachgerecht halte. Als Vorsitzender des Verbandes der Krankenhausdirektoren Niedersachsen/Bremen begrüßt Ristau die Zielsetzung des Koalitionsvertrages, dass Krankenhäuser flächendeckend und wohnortnah zur Verfügung stehen sollen. Auch er verweist darauf, dass die Strukturen und Gegebenheiten in Dänemark und Niedersachsen völlig verschieden seien.
Nach Ansicht von Ristau sprechen vielerlei Gründe für eine wohnortnahe Versorgung, wie z.B. eine schnelle und gute Erreichbarkeit für Patienten und Mitarbeiter. Auch im Hinblick auf die älter werdende Bevölkerung seien kurze Wege von immensem Vorteil. "Unsere Region ist mit den drei Krankenhaus-Standorten in Bremervörde, Buxtehude und Stade hervorragend aufgestellt", sagt der Klinikchef. Die Standorte stünden auch in Zukunft für eine wohnortnahe qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in der Region. "Um diese hohe Qualität weiterhin zu halten bzw. zu verbessern, werden aktuell alle Standorte in puncto Infrastruktur, Unterbringungskomfort und Medizintechnik modernisiert."
Was aus den Anregungen Busses wird, ist offen: Die 27 Mitglieder starke Enquetekommission sollte ursprünglich bis Jahresende dem Parlament Vorschläge zur Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung im Land vorlegen. Doch die Kommission ist in Zeitverzug. Am Montag verständigte sie sich auf eine Verlängerung der Arbeit ins Jahr 2020 hinein. Die NKG kündigt an, sich in der Kommission weiterhin für eine gute flächendeckende Erreichbarkeit von Krankenhäusern starkzumachen.

Wie lange noch? Das Krankenhaus in Buchholz ist eines von niedersachsenweit 172 Krankenhäusern | Foto: Krankenhaus Buchholz
Norbert Böttcher sieht in der Debatte ein Ablenkungsmanöver | Foto: Krankenhaus Buchholz
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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