Landkreis Stade handelte nach Recht und Gesetz
Abgeschoben nach Georgien: Die andere Story

Asylsuchende aus Georgien haben in Deutschland so gut wie keine Chance auf Anerkennung. | Foto: Adobe Stock/Chris
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Eine unabhängige Presse, die staatliches Handeln kritisch unter die Lupe nimmt, ist essenziell für eine Demokratie. Bedeutet das aber, jede Maßnahme unseres Rechtsstaates infrage zu stellen? Müssen Behörden und Polizei an den Pranger gestellt werden, wenn sie nach Recht und Gesetz getroffene Entscheidungen umsetzen, nur weil diese für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen haben können? Um diese Grundsatzfragen geht es letztlich bei einem Fall aus Oldendorf. Die Presse wurde von einer Vertreterin des dortigen Asylkreises kontaktiert - mit der Bitte, über eine Abschiebung zu berichten.

E-Mail an die Redaktion

In der vergangenen Woche erreichte die Redaktion folgende E-Mail: "Vorgestern ist offenbar eine Familie aus Georgien abgeschoben worden. Die Familie lebte in Oldendorf, die Kinder gingen dort zur Schule. Am Tage saß eins der Mädchen noch bei der Lehrerin auf dem Schoß, (...) des Nachts kam die Polizei. Das ist alles an Informationen, über die ich verfüge, außer, das Mädchen muss ca. zwölf Jahre alt sein". Unterschrieben hat sie eine Frau, deren Name der Redaktion bekannt ist. Nennen wir sie Sabine.

Das WOCHENBLATT hat recherchiert - und dabei herausgekommen ist eine Geschichte, die Sabine sicher so nicht lesen will. Denn Sabine ist eine Aktivistin wie aus dem Bilderbuch. Aber warum sollten wir uns von Sabine vor den Karren spannen lassen? Natürlich ließen sich Schlagzeilen produzieren, wenn ein kleines Mädchen mitsamt seiner Familie abgeschoben wird. Übrigens: Die rührselige Geschichte - so, wie sie Sabine haben wollte - steht jetzt in einer lokalen Tageszeitung.

Stabile Verhältnisse

Doch statt einer herzzerreißenden Story sollten im Fall der georgischen Familie N. einfach mal die Fakten dargelegt werden. Dazu gehört ein Blick auf das Herkunftsland: Georgien gilt als sicheres Reiseland, es ist eine Demokratie - auch wenn manche Abstriche im Vergleich zu westeuropäischen politischen Standards zu machen sind. Zwar haben sich zwei abtrünnige Provinzen mit russischer Unterstützung als De-facto-Staaten losgelöst, doch es bestehen stabile Verhältnisse in Georgien. Dennoch ist die Kaukasus-Republik seit Jahren unter den "Top Ten" der Herkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland, ist innerhalb von drei Jahren sogar vom zehnten Rang auf Platz fünf geklettert.

BAMF-Skandal: Rechtswidrig anerkannte Asylbewerber auch im Kreis Harburg?

Fast 8.000 Menschen mit georgischem Pass stellten 2022 einen Asylantrag in Deutschland, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Dabei haben georgische Staatsbürger so gut wie keine Chance auf Anerkennung, wie die Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) belegt. So wurde 2022 kein einziger Georgier als Asylberechtigter anerkannt. Lediglich 0,4 Prozent der Antragsteller erhielten das Recht, aufgrund eines anderen Schutzstatus (z.B. als Flüchtling) vorerst in Deutschland bleiben zu dürfen.

Diese Schutzquote liegt bei den meisten anderen Ländern zum Teil deutlich höher - am höchsten bei Syrern (90 Prozent), Eritreern und Afghanen (jeweils 84 Prozent), gefolgt von Somaliern (64 Prozent), Iranern (29 Prozent) und Türken (28 Prozent). Georgien gilt in Expertenkreisen als Paradebeispiel für den Missbrauch des deutschen Asylrechts, da dessen Bürger fast ausschließlich aus ökonomischen Motiven nach Deutschland kommen.

Verfahren abgeschlossen

Welche Motive die abgeschobene georgische Familie hatte, nach Deutschland zu kommen, bleibt dahingestellt. Fakt ist, dass die Familie nach ihrer Ankunft im Dezember 2021 ordnungsgemäß das Asylverfahren durchlaufen hat, der Antrag abgelehnt wurde und eine Klage dagegen vor Gericht erfolglos war. "Die Familie wurde anschließend in einem Gespräch mit Mitarbeitern unserer Ausländerbehörde darüber aufgeklärt, dass sie ausreisepflichtig ist und sie abgeschoben werden kann, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommt", erklärt Landkreis-Sprecher Daniel Beneke auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Das heißt: Hier lief offenbar alles ordnungsgemäß ab. Die Familie hatte die Rechtsmittel ausgeschöpft und wurde aufgefordert, freiwillig auszureisen. Dieser Aufforderung kam sie nicht nach. Daher wurde abgeschoben. Übrigens: nicht nachts, sondern morgens um 6 Uhr.

Schon gar nicht darf der Einwand, die Eltern hätten hier ja einen Job gefunden, als als Argument gegen eine Abschiebung herhalten. Das würde heißen, eine Billiglohn-Beschäftigung als Aushilfskraft würde ausreichen, unser Asylrecht auszuhebeln. Was ist das für eine Rechtsauffassung?

Zum Schluss zurück zu Sabine: Worin bestand vorher überhaupt ihr Engagement für die Familie? Schließlich ist sie Mitglied des örtlichen Asylkreises. Das WOCHENBLATT stellte ihr dazu Fragen. Doch Sabine schwieg. Es drängt sich die Frage auf: Lag Sabine tatsächlich das Schicksal der Familie so am Herzen oder wollte sie vielleicht nur, dass eine Zeitung endlich mal wieder auf die Behörden draufhaut?

Jörg Dammann

Der Asylantrag der Familie aus Georgien ist abgelehnt worden. | Foto: Adobe Stock/U.J. Alexander
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Abschiebung musste eingeleitet werden

Eine vierköpfige Familie aus Georgien, die in Oldendorf gewohnt hat, ist abgeschoben worden. Darum geht es in dem obigen Artikel, der die persönliche Meinung des Autors wiedergibt. Ergänzend sollen an dieser Stelle noch einige Fakten als Hintergrundinformation geliefert werden.

In der damaligen Großen Koalition in Berlin bestand bereits 2018 die Absicht, Georgien als "sicheres Herkunftsland" zu deklarieren - so wie es bei den Westbalkanstaaten (u.a. Serbien oder Albanien) bereits geschehen ist. Bei diesen Ländern wird davon ausgegangen, dass Menschenrechte geachtet werden und es keine politische Verfolgung gibt. Wer aus diesen sicheren Ländern kommt, kann zwar weiter Asyl beantragen, durchläuft aber ein beschleunigtes Verfahren. Das Gleiche sollte für Bürger aus Georgien gelten. Doch das Vorhaben scheiterte letztlich am Widerstand der Grünen im Bundesrat.

Eine WOCHENBLATT-Anfrage bei der Landesaufnahmebehörde (LAB) ergab, dass die Zahl der Asylsuchenden aus Georgien auch in Niedersachsen deutlich angestiegen ist - von 233 im Jahr 2029 auf 1.153 im vergangenen Jahr. Die Zahl der aus Niedersachsen nach Georgien abgeschobenen Personen lag in den vergangenen Jahren - abgesehen von 2020 (52) jeweils bei etwas über 70. "Der Rückführungsvollzug wird in Niedersachsen durch spezialisiertes Personal der Landesaufnahmebehörde durchgeführt", heißt es in der Antwort der LAB. Soweit es im Einzelfall erforderlich sei, leiste die Polizei Vollzugshilfe - so wie in Oldendorf geschehen.

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Warum auch nachts Abschiebungen erfolgen

Zu der Frage, warum Abschiebungen auch nachts oder frühmorgens erfolgen, heißt es seitens der Landesaufnahmebehörde: "Ursächlich sind insbesondere zeitliche Vorgaben der Zielländer, vorhandene Flugverbindungen und -kapazitäten sowie die Entfernung zwischen Wohnort und Flughafen." Am Terminal werden die abzuschiebenden Personen der Bundespolizei übergeben. Das LAB stellt dazu klar: "Die Betreffenden werden nicht am Flughafen festgesetzt." Inwiefern eine Begleitung auf dem Rückführungsflug erfolge, hänge vom Einzelfall ab.

Der Landkreis Stade betont auf Nachfrage: "Bei der in der vergangenen Woche abgeschobenen Familie aus Georgien gibt es eine eindeutige Rechtslage." Der Asylantrag sei im Februar 2022 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt worden - ebenso später der Einspruch beim Verwaltungsgericht Stade. "Aufgrund der vergleichsweise kurzen Aufenthaltsdauer von rund einem Jahr kam kein Aufenthaltsrecht in Betracht", so Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Auch das neue Chancenaufenthaltsrecht hätte hier keine andere Perspektive geboten.

Inzwischen konnte die Familie aufgrund von Berufstätigkeit offenbar für sich selbst sorgen. Dazu der Kreissprecher: "Diese wirtschaftliche Integration der Familie bestand für wenige Wochen." Ein Hinderungsgrund für eine Abschiebung sei dies rechtlich gesehen ohnehin nicht gewesen. Die Familie sei der Ausreisepflicht nicht nachgekommen, so Beneke. "Daher musste ein Abschiebeverfahren eingeleitet werden – dazu ist der Landkreis gesetzlich verpflichtet." Der Kreissprecher erklärt: "Der Landkreis Stade sowie alle weiteren beteiligten Behörden behandeln alle Asylsuchenden gleich. Das Einwanderungsgesetz gibt den Rechtsrahmen vor."

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