Lehrermangel an Schulen
Bernd Althusmann: Kultusministerin wirkt hilflos

Der Landtagsabgeordnete Bernd Althusmann am Arbeitsplatz von Redakteur Thomas Sulzyc in der WOCHENBLATT-Redaktion in Buchholz | Foto: bim
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Der Lehrermangel an den Schulen werde noch mindestens zehn Jahre anhalten. Mit ihren deutlichen Worten hat Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Die Grünen) für Furore gesorgt. Im Gespräch im WOCHENBLATT-Verlag äußerte sich der niedersächsische Landtagsabgeordnete und frühere Landeskultusminister (2010 bis 2013) Bernd Althusmann (CDU) zu der Personalmisere an Niedersachsens Schulen.

WOCHENBLATT:Von Lehrerverbänden und dem Landesschülerrat hat die neue grüne Kulturministerin für ihre schonungslose Aussage Lob erhalten - nur von der CDU in Niedersachsen nicht. Warum nicht?

Bernd Althusmann: Ich halte die Aussage weder für originell noch für geeignet, die Schüler und Schülerinnen auf schwierige Zeiten einzustimmen. Die Erkenntnis, dass Lehrkräfte und Unterstützungspersonal an unseren Schulen fehlt, ist nun wirklich nicht neu. Die Unterrichtsversorgung hat sich in den vergangenen zehn Jahren teilweise massiv gerade in den bekannten Mangelfächern verschlechtert. Die damaligen Prognosen einer zurück gehenden Bevölkerungsentwicklung und gleichzeitig sinkenden Schülerzahlen und kleineren Klassen sind nicht eingetreten. Wir bewegen uns in Deutschland auf 84 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen zu. Zusätzlich nehmen die Schulen Kinder von Geflüchteten auf. Die Ministerin erzählt also nichts Neues. Auf mich wirkt es etwas hilflos.

WOCHENBLATT:Aufmerksamkeit hat das Problem des Lehrermangels an Schulen aber erhalten.

Bernd Althusmann: Ich erwarte von der Kultusministerin, dass sich nicht nur eine Zustandsbeschreibung abgibt, sondern gleichzeitig ein tragfähiges Handlungskonzept vorlegt. Und im Übrigen gilt Behauptung eines Lehrkräftemangels für mindestens ein Jahrzehnt nicht gleichmäßig für alle Unterrichtsfächer. Mangelfächer sind seit Jahren Physik, Mathematik oder allgemein die Naturwissenschaften. Der Kultusetat ist auch in der zurückliegenden Regierungszeit kontinuierlich auf über sieben Milliarden angewachsen. Wir kein finanzielles Problem, sondern ein organisatorisches. Unsere Lehrerinnen und Lehrer werden mit zu vielen Zusatzaufgaben überfrachtet. Das geht zu Lasten des Unterrichts. Ein weiteres Beispiel ist der Quereinstieg. Für qualifizierte Fachkräfte aus anderen Berufen in den Lehrerberuf in Niedersachsen zu wechseln, ist schlicht bürokratisch und kompliziert.

WOCHENBLATT:Solange freie Stellen an den Schulen unbesetzt blieben - was macht die Folgen des Fachkräftemangels erträglicher?

Bernd Althusmann: Wir brauchen attraktive Rahmenbedingungen für Arbeitszeitkonten, sodass Lehrer und Lehrerinnen bei derzeitigen Engpässen mehr Unterrichtsstunden leisten können und zu einem späteren Zeitpunkt einen Ausgleich erhalten. Wir müssen den Quereinstieg in den Lehrerberuf deutlich beschleunigen. Die Schulen brauchen Verwaltungsmitarbeiter zur Unterstützung des Schulalltags und ein höheres Schulbudget für Dienstleister auch im Bereich der Sprachförderung. Dann gewinnen wir deutlich mehr Stunden für den Unterricht. Darauf müssen sich Lehrkräfte konzentrieren können.

WOCHENBLATT: Hauptschule, Oberschule, Integrierte Gesamtschule, Gymnasium - braucht es so viele Schulformen?

Bernd Althusmann: Auf die gelingende frühkindliche Bildung mit Kindertagestätte, Vorschule und eine bessere Verknüpfung mit den Grundschulen kommt es entscheidend an. Da muss ein Schwerpunkt gesetzt werden. Rechnen, Schreiben, Lesen. Danach könnte sich eine zweigliedrige Schulausbildung anschließen mit dem Angebot eines eher beruflich- praktisch ausgerichteten Bildungswegs mit der Möglichkeit bis zum beruflichen Abitur und parallel dem klassischen gymnasialen Bildungsgang.

WOCHENBLATT: Ist die Zuständigkeit der Länder Teil der Schulausbildungsmisere?

Bernd Althusmann: Wir brauchen dringend eine besser abgestimmte Politik zwischen Kultusministerium und dem Wissenschaftsressort, das für die Ausbildung der Lehrkräfte zuständig ist. Ich bin fest davon überzeugt: Wir brauchen eine mutige und verbindliche Reform der föderalen Bildung für Deutschland. Die Zuständigkeit der Länder und der föderale Aufbau hat sicher Stärken, aber weitaus mehr Schwächen. In der digitalen Bildungsrepublik haben wir in 16 Bundesländern 16 unterschiedliche Schulformen im mittleren Bildungsbereich. Es ist höchste Zeit, bis 2030 Deutschlands Bildungssystem grundsätzlich neu zu denken und zukunftsfähig aufzustellen. Und zwar in allen Bundesländern nach gleichen Vorgaben. Die letzte große Föderalismusreform liegt 16 Jahre zurück. Da ging es um finanzielle Zuständigkeiten. Bei der Bildung unserer Kinder geht es um das Kapital der Zukunft. Wir sollten endlich ein Konferenz zur Bildungsreform einberufen. Die Kultusministerkonferenz und die dort angesiedelte ständige wissenschaftliche Kommission werden allein die föderale Widerstände nicht überwinden. Über 80 Prozent der Eltern und wohl auch insgesamt der Bevölkerung sind da meiner Erinnerung nach meiner Meinung. Haben wir endlich Mut, neue Wege zu gehen.

Redakteur:

Thomas Sulzyc aus Seevetal

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