Landkreis Harburg
Bahn forciert bei Neubautrasse eine Schneise durch die Heide

Die "Vorzugstrasse" einer Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover könnte nach DB-Vorstellung so verlaufen | Foto: DB / google maps / Repro: MSR
  • Die "Vorzugstrasse" einer Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover könnte nach DB-Vorstellung so verlaufen
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Soll der Zugverkehr zwischen Hamburg und Hannover zukünftig auf ausgebauten Bestandsstrecken fahren oder auf einer zweigleisigen Neubaustrecke durch die Heide? Das ist seit Jahren ein Streitpunkt vieler Bürgerinitiativen aus der Region und der Deutschen Bahn. Neue Regierung, neues Glück? lautete jetzt wohl das Motto, als die DB InfraGo mit einem Tag Vorlauf und kurz vor den Ferien Niedersachsens Landtagsabgeordnete und Pressevertreter aus der Region sowie überregional agierende Lobbyisten aus dem gesamten Bundesgebiet zu Online-Konferenzen einlud. Vorgestellt wurde die Vorplanung für eine "Vorzugsvariante" einer Bahnneubautrasse entlang der A7, gegen die sich im Landkreis Harburg seit vielen Jahren zahlreiche Bürgerinitiativen wehren. 

Ergebnis: Während die Deutsche Bahn bzw. DB InfraGo auf dem Neubau zweier zusätzlicher Gleise nahe der A7 beharrt als einziger Möglichkeit, die Kapazitäten im Güter- und Personenverkehr auf der Schiene zu erhöhen, sehen der Projektbeirat Alpha-E, die heimischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Vertreter der Bürgerinitiativen den erneuten Neubauvorstoß als Affront.

Die Bahn argumentiert, 2016 von der Bundesregierung einen Auftrag zur Ermittlung von Varianten zum Kapazitätsausbau erhalten zu haben. Die optimierte Alpha-E-Trasse ist hingegen der Konsens, der 2015 während des vom niedersächsischen Verkehrsministerium initiierten „Dialogforums Schiene Nord“ gefunden wurde.

Projektbeirat und Bürgerinitiativen
zweifeln Zahlen der Bahnvertreter an

In der jüngst stattgefundenen Präsentation wurden von den Bahnvertretern Zahlen genannt, die der Projektbeirat Alpha-E und die Bürgerinitiativen anzweifeln. "Aufgrund der stagnierenden Containerumsätze im Hamburger Hafen und der durch die Energiewende abnehmenden Massengüter (Kohle, Mineralölprodukte …) werden nach der aktuellen Verkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr im Hamburger Hafen weit geringere Gütermengen für 2040 erwartet, als sie ursprünglich für 2030 geplant wurden", schreiben die Sprecher des Projektbeirates. Die Bahnvertreter erklärten, dass neben Rohstoffen künftig auch mehr Dienstleistungsgüter statt auf der Straße auf der Schiene transportiert würden, die mehr Platz bräuchten.

Laut Bahn dauere es beim Ausbau von Bestandsstrecken länger, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Der Projektbeirat hingegen sagt, dass ein viergleisiger Ausbau von Stelle bis Celle nicht nötig sei, und prophezeit, dass der Neubau wie bei anderen Bahngroßprojekten 20 bis 30 Jahre dauern könnte.

Eine große Unbekannte sind auch die möglichen Kosten. Dem wollten die Bahnvertreter in den Online-Konferenzen nicht vorgreifen, sondern erst den Bund als Auftraggeber informieren.

Kapazitäten auf der
Schiene erhöhen

Hintergrund der ursprünglichen Diskussion um den Bahnstreckenaus- bzw. -neubau war es, die Kapazitäten auf der Schiene für die Güterverkehre aus den Seehäfen zu erhöhen. Obwohl der Seegüterumschlag zum Beispiel am Hamburger Hafen rückläufig ist, werde der Güterverkehr in Deutschland bis 2040 um 35 Prozent und der Nahverkehr auf der Schiene bis zu 100 Prozent zunehmen. Diese Verkehrsbedarfe könnten nur mit zwei zusätzlichen Gleisen erfüllt werden - und nicht mit dem im Dialogforum 2015 erarbeiteten und später optimierten Alpha-E, erläuterten die vier Bahnvertreter, die Konzernbevollmächtigte Ute Plambeck, Matthias Hudaff, Großprojektleiter bei der Bahn, Frank Limprecht, Leiter Infrastrukturprojekte Norddeutschland, und Peter Mantik, Sprecher Infrastrukturprojekte. Das optimierte Alpha-E steht im Bundesverkehrswegeplan 2030 im vordringlichen Bedarf, einige Elemente daraus würden auch realisiert. Alpha-E schaffe im Abschnitt Lüneburg-Uelzen zwischen 6 und 22 Uhr aber nur maximal 264 Züge und nicht die für 2030 erwarteten 385 Züge bzw. 396 Züge durch den Neubau.

Die in Norddeutschland und Europa meist befahrene Strecke Hamburg-Hannover sei schon jetzt überlastet. Statt der jetzt 200 Züge müssten künftig 400 auf der Strecke fahren. Und diese Kapazitätserhöhung sei nicht durch den Ausbau der Bestandsstrecke zu lösen.

Die Vorplanung der Neubauvariante sei 2016 vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben worden, die Prognosen von Güter- und Personenverkehr auf der Schiene stammten ebenfalls von Gutachtern des Bundes. Der Bund sei Auftraggeber und Geldgeber zugleich, erläuterte Peter Mantik auf WOCHENBLATT-Nachfrage.

Platz schaffen auf 
Bestandsstrecke für Nahverkehr

Laut der Bahn werde durch die Neubaustrecke auf der Bestandsstrecke Platz geschaffen für mehr Nahverkehr. So hätten Reisende aus Winsen die Chance auf einen Viertelstundentakt nach Hamburg und Richtung Lüneburg. Davon würden vor allem die rund 6.000 Pendlerinnen und Pendler nach Hamburg profitieren, bis Hannover könne ein Halbstundentakt erreicht werden. Der derzeit notwendige Umstieg in Uelzen entfalle. Davon würden neben Fahrgästen aus Winsen auch Reisende aus Ashausen, Stelle, Maschen und Meckelfeld profitieren.

Die Anwohner an den Bestandsstrecken würden zudem durch eine Verlagerung des Güterverkehrs entlastet.

Es gebe Potenziale für Halte in Bergen und Soltau. Der Überholbahnhof in Garlstorf könnte zum Bahnhof ausgebaut werden. Laut Vorplanung ist im Bereich Egestorf ein Tunnel geplant. Weitere Haltepunkte einzufordern, sei Aufgabe der Landespolitik.

Beim Bau der Vorzugsvariante solle die Belastung für Mensch und Umwelt so gering wie möglich gehalten werden, die Realisierung müsse aber auch vom Kosten-/Nutzenverhältnis sinnvoll sein. Wenn entlang der Strecke Flächen benötigt werden oder womöglich Häuser weichen müssen, werde eine gemeinsame Lösung gefunden in Form eines Abkaufs des Eigentums. "Wir planen und bauen mit möglichst wenig Konflikten. Eine Enteignung wäre der letzte Schritt", sagte Peter Mantik.

Der drei- oder viergleisige Ausbau der Bestandsstrecken hätte massivere Eingriffe und mehr Auswirkungen auf die Anwohner zur Folge, erklärte Peter Mantik.

Qualitätsoffensive und 
Generalsanierung xxl

Mit einer kurzfristigen Qualitätsoffensive von Mai bis Juli 2026 sowie der Generalsanierung XXL von Februar bis Juli 2029 soll die Bestandsstrecke auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden - gemäß der Devise: "Aus alt mach neu und aus kaputt heil."

Die Ergebnisse inklusive der noch nicht (öffentlich) genannten Kosten würden letztlich dem Bund übergeben, der Bundestag entscheide, ob es eine Finanzierung für weitere Phasen gibt. Aktuell befinde man sich im Stadium der Vorplanung, die Detail- und Entwurfsplanung folge später ebenso wie das Planfeststellungsverfahren. Bis zur Realisierung der Neubaustrecke würden mindestens sieben Jahre ins Land ziehen.

Im Rahmen von regionalen Infomärkten sollen jeweils die Menschen vor Ort über die Pläne informiert werden. Der Infomarkt für den Landkreis Harburg ist für den 11. September 2025 geplant.

Im Rahmen von regionalen Infomärkten sollen jeweils die Menschen vor Ort über die Pläne informiert werden. Der Infomarkt für den Landkreis Harburg ist für den 11. September 2025 geplant.

AUF EIN WORT: Wendehälse oder Lobby-Arbeit?

Laut der Bürgerinitiative "Y-Monster" habe Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) das jetzige Vorgehen der Deutschen Bahn AG scharf kritisiert und als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Die CDU-geführte Bundesregierung habe sich für den Kompromissvorschlag "Alpha-E" starkgemacht.
CDU/CSU und Friedrich Merz forderten
2023 Umsetzung der Alpha-E-Trasse

• Und tatsächlich: In einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion an den deutschen Bundestag vom Juli 2023 hatten u.a. der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) auf die sinkenden Umschlagszahlen an den Häfen im ersten Quartal 2023 um bis zu 20 Prozent hingewiesen und gefordert, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern solle: "..., die Hinterlandanbindung zu optimieren, insbesondere die A26 Ost, die A20, die A39, die A281, E233 und die Köhlbrandquerung sowie für eine schnelle Umsetzung der Alpha-E-Trasse zu sorgen ..."

Auf eine aktuelle WOCHENBLATT-Anfrage stellt sich das Bundesverkehrsministerium wiederum hinter die Pläne der DB. Ein Sprecher des Ministeriums teilte am Mittwoch mit: "Die Strecke Hamburg-Hannover zählt mit einer Auslastung von 147 Prozent zu den am stärksten überlasteten und damit unpünktlichsten Strecken Deutschlands. Bei den vom Bund prognostiziert zunehmenden Zugzahlen sowohl im Personen- wie auch Güterverkehr ist der Handlungsbedarf auf dieser Achse groß, denn die Strecke hat Auswirkungen auf das gesamte Schienennetz in Deutschland. Der reine Ausbau der bestehenden Strecke, also 'Alpha-E', hat sich mittlerweile als deutlich unterdimensioniert herausgestellt. Wir haben gemeinsam mit DB und Land lange gerungen, welche die beste Lösung ist. Die Ergebnisse der Vorplanung durch die DB AG liegen jetzt vor: Nur eine Neubaustrecke erfüllt die Anforderungen des Bundes an ein leistungsfähiges Schienennetz in Norddeutschland. Nun liegt die Entscheidung zum weiteren Vorgehen in der Hand des Deutschen Bundestags."

Ob der Verkehrsminister zwischenzeitlich seine Meinung geändert hat, bleibt unklar.

Steigende Ticketpreise machen
Bahnfahren unattraktiv

Zu bedenken ist zudem, dass viele Pendler und Reisende bei steigenden Bahnticketpreisen und teurerem Deutschlandticket wieder vermehrt aufs Auto setzen werden, sodass sich die Prognosen erneut ändern.
Bianca Marquardt

Alle Infos der Bahn zum Projekt finden Sie hier 

Eine virtuelle Reise über die Neubaustrecke stellt die Bahn auf YouTube vor, diesen Film finden Sie hier

Alle Texte zu "Alpha-E“

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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