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Millionenschaden im Buchholzer Freibad

Catcalling
Das ist verbale sexuelle Belästigung, kein Kompliment

Über verbale sexuelle Belästigung sprechen nur wenige Frauen - viele schämen sich | Foto: Trinity Kubassek/Pexels
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JOBS und KARRIERE

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Eigentlich bin ich, Svenja Adamski, WOCHENBLATT-Redaktionsvolontärin, überzeugte Kapuzenpulli-Trägerin, ziehe mich lieber warm als hübsch an und gebe nichts auf Make-up. Jetzt habe ich mir aber doch mal eine richtig schicke schwarze Lederjacke mit warmem Teddyfell aus Baumwolle gekauft, weil ich sie absolut fantastisch fand. Kaum dass ich mein neues Lieblingsstück trug, durfte ich mir allerdings eine Menge niedere Anmachsprüche und Gepfeife auf offener Straße anhören, so wie ich es bisher selten erlebt habe.

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Für die meisten Frauen, die regelmäßig unter verbaler sexueller Belästigung leiden, ist es völlig egal, was sie tragen - angemacht werden sie dennoch. Doch bei mir waren die letzten dreckigen Kommentare nun schon einige Zeit her und als sie mit dem Tragen meiner neuen Lederjacke wieder so verstärkt anfingen, wollte ich das Thema dieses Mal nicht einfach so wie sonst immer ruhen lassen.

Am unangenehmsten war ein Transporter-Fahrer, der aus voller Fahrt mitten auf dem Zebrastreifen anhielt, den ich gerade überquert hatte, und mir durchs offene Fenster hinterherpfiff. Anstatt in seiner Fahrtrichtung neben der Straße herzulaufen wie geplant, änderte ich die Richtung und bog in eine Seitenstraße ab.
Rückblickend betrachtet ärgern mich Situationen wie diese vor allem deshalb, weil ich zu überrumpelt war, um meiner jetzt sehr deutlich spürbaren Wut Luft zu machen. In dem Moment überwog jedoch die innere Unruhe und zwang mich, sicheren Abstand zu suchen.

"Du siehst echt fickbar aus"

Steffi L. (Name geändert) ist Mitte zwanzig und wohnt in Buchholz (Landkreis Harburg). Sie hat mit verbaler sexueller Belästigung noch mehr Erfahrung. "'Wow, du hast ja schon einen geilen Hintern' oder 'Du siehst echt fickbar aus' fand ich schon extrem", erzählt sie. Dass Männer sie mit den Augen ausziehen, ihr hinterherpfeifen und -rufen, passiere ihr sowohl in großen Städten wie Hamburg als auch in Buchholz. Allerdings nicht nur im öffentlichen Raum, auch im größeren Freundeskreis: "Das sind übergriffige Sprüche, die nicht mehr nur ein Scherz unter Freunden sind, sondern eine unangenehme Ernsthaftigkeit annehmen."

Foto: Pexels/Andrea Piacquadio

90 Prozent der Betroffenen sind Frauen

"Catcalling" wird verbale sexuelle Belästigung auf Englisch genannt (etwa: einer Katze nachrufen). Dabei geht es nicht um ein einfaches Kompliment, sondern um anzügliche Äußerungen, wie Nachrufen oder Hinterherpfeifen, durch das eine Person auf ihren Körper reduziert wird.

Auch in Deutschland taucht der Begriff in letzter Zeit immer öfter in den Medien auf. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen befragte im Herbst erstmals 3.908 Personen zum Thema "Catcalling". Das Ergebnis: 90 Prozent der von verbaler sexueller Belästigung Betroffenen sind Frauen. Ein Viertel der Befragten identifiziert sich mit der LGBTQ-Community (Sammelbegriff für Personen unterschiedlicher sexueller Orientierung, Trans-Personen sowie Personen, die sich als divers identifizieren). Das Durchschnittsalter beträgt 30 Jahre.

Über die Hälfte der Befragten gab an, durch die Belästigungen ängstlicher geworden zu sein und sich an bestimmten Orten unsicher zu fühlen, besonders wenn sie nachts allein unterwegs sind. 40 Prozent vermeiden deshalb bestimmte Orte oder Routen, acht Prozent änderten ihren Kleidungsstil. Viele Teilnehmende fühlen sich bloßgestellt und zum Objekt herabgewürdigt, manche schämen sich nun ihres Körpers. Depressionen, Schlafstörungen, Müdigkeit oder Antriebsarmut können die Folgen sein. Dennoch ist verbale sexuelle Belästigung bislang keine Straftat und auch keine Ordnungswidrigkeit in Deutschland. In Frankreich können immerhin Geldstrafen ausgesprochen werden, solange die Tat von einem Polizisten beobachtet wird.

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Wie kann man sich wehren?

Stades Gleichstellungsbeauftragte Karina Holst rät Betroffenen, sich im Falle sexueller Belästigung auf jeden Fall Hilfe zu holen. Also andere Passanten anzusprechen und sie auf das belästigende Verhalten aufmerksam zu machen. Das Handy zu ziehen und ein Video machen. Oder die belästigende Person direkt zu konfrontieren. "Mit kurzen, klaren Sätzen." Dabei rät sie aber auch zur Vorsicht: "Es ist zwar gut, wenn wir Frauen als Heldinnen durch die Straßen gehen, aber wir müssen auch immer eine realistische Einschätzung der Situation haben." Wer eine (verbale) sexuelle Belästigung als Außenstehender beobachtet, den bittet Holst, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen. Gleichstellungsbeauftragte seien für die Beratung und Verweisung an die richtigen Fachexperten zudem eine gute erste Ansprechpartnerin.

• Liebe Leserinnen, was sind Ihre Erfahrungen mit verbaler sexueller Belästigung? Wie gehen Sie damit um? Und Sie, liebe Leser, als Väter, Partner oder flirtende Singles, haben Frauen in Ihrem Umfeld schon über ähnliche Erfahrungen mit Ihnen gesprochen? Oder haben Sie heute zum ersten Mal über das Thema gelesen? Schreiben Sie uns einen Leserbrief an svenja.adamski@kreiszeitung.net mit Ihrem Namen und Wohnort.


Catcalling - ein problematischer Begriff

Beim Recherchieren fand ich den englischen Begriff für verbale sexuelle Belästigung vor allem verharmlosend. Doch die Stader Gleichstellungsbeauftragte Karina Holst und ich wurden uns im Gespräch schnell einig, dass "Catcalling" auch sexistisch konnotiert ist. Sicher, "verbal sexual harassment" ist genauso ein Zungenbrecher wie die deutsche Variante, aber ist es da wirklich angebrachter, Betroffene als Katze zu bezeichnen? Trägt der Begriff nicht sogar noch zu dem Problem bei, dass Betroffene ihr Aussehen als Grund für die Belästigung sehen und sich selbst die Schuld geben? Laut englischen Wörterbüchern stammt der Begriff aus dem 17. Jahrhundert und bezeichnete die Buhrufe aus dem Publikum bei Theateraufführungen. In Zusammenhang mit anbiedernden Anmachsprüchen finde ich das Wort jedoch wenig treffend und plädiere dafür, verbale sexuelle Belästigung als genau das zu benennen, was sie ist. Svenja Adamski

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Redakteur:

Svenja Adamski aus Buchholz

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