Polizei Stade mit Infoveranstaltung für Politiker
Beleidigungen, Hass und "Feindeslisten"

Sebastian Rauba (li.) vom Polizeilichen Staatsschutz führte gemeinsam mit Bestseller-Autor Hasnain Kazim durch die Informationsveranstaltung | Foto: pm
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JOBS und KARRIERE

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Eine Postkarte, bunt beklebt, wie das Erpresser-Schreiben in einem schlechten Krimi: Schon zwei dieser anonymen Nachrichten erhielt Benjamin Koch-Böhnke von den Linken, adressiert an seine private Anschrift. Mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln nimmt der unbekannte Verfasser Bezug auf den Tod von Lady Diana und den des schwedischen Politikers Olof Palme, der 1986 auf offener Straße erschossen wurde. Die absenderlosen Postkarten lassen sich als Drohung verstehen.

Doch wie sollen Politiker mit derartigen Angriffen umgehen? Politisch motivierte Straftaten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Drohungen, Hasskommentare und Beleidigungen stehen für viele Bürgermeister, Ratsmitglieder und Abgeordnete auf der Tagesordnung. Der Staatsschutz der Polizei Stade lud deshalb Kommunalpolitiker aus dem Landkreis Stade am Dienstag zur Infoveranstaltung "Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern" ein. Sebastian Rauba vom Staatsschutz führte durch die Veranstaltung. Von Spiegel-Bestseller-Autor Hasnain Kazim, der als Gastredner dabei war, erhielten die Teilnehmer einen pointierten Erfahrungsbericht, in dem Kazim über seine Erlebnisse mit Hasskommentaren berichtete.

Dass die politisch motivierten Taten zunehmen, zeigt sich durch das Kommunale Monitoring, einer bundesweiten halbjährig durchgeführten Befragung durch Wissenschaftler, erklärte Sebastian Rauba auf der Infoveranstaltung. So erlebten 46 Prozent der befragten Amts- und Mandatsträger im vergangenen halben Jahr Anfeindungen. 81 Prozent davon gaben an, auch negative psychische oder physische Folgen davongetragen zu haben. Das kann in milden Fällen eine Konzentrationsschwäche sein, sich in extremeren Fällen auch bis hin zur Angststörung entwickeln. "Der Ton ist rauer geworden", so Rauba. Das zeige sich besonders im Internet. 

In der Anonymität des Internets  

Mit dem Internet kam der leichte Zugang zu Daten, E-Mail-Adressen und sogar privaten Hausanschriften. Die Anonymität des Word Wide Webs bot Nährboden für Hass, Hetze und Beleidigungen. Mit einem Klick kann seinem Ärger Luft gemacht werden, strafrechtliche Verfolgung gab es lange Zeit kaum. Das bekamen insbesondere Politiker zu spüren. Den traurigen Höhepunkt fand die Radikalisierung in der Ermordung des Landrats Rüdiger Butte, der 2013 in seinem Büro in Hameln-Pyrmont erschossen wurde, nachdem sein Name bereits etliche Jahre auf einer "Feindesliste" im Internet kursierte. Solche Listen enthalten oftmals Namen und Adressen von Amts- und Mandatsträgern oder Journalisten und rufen indirekt zum "Besuch" auf, erklärte Sebastian Rauba. Kaum zu glauben, aber bis 2021 war das nicht strafbar. Erst vergangenes Jahr wurde das Strafrecht hinsichtlich Sicherheit und Wahrung privater Rechte verschärft. So kann jetzt bei ausreichender Begründung eine Auskunftssperre erwirkt werden, durch die keine personenbezogenen Daten mehr an Dritte herausgegeben werden dürfen. Auch eine Meldepflicht der sozialen Netzwerke wurde beschlossen. Instagram, Facebook und Co. müssen so beispielsweise die IP-Adressen straffällig gewordener Nutzer von sich aus an das Bundeskriminalamt (BKA) melden. So zumindest in der Theorie, denn derzeit klagt Facebook gegen den Gesetzesbeschluss. "Wer im Internet unterwegs ist, unterwirft sich den Spielregeln anderer, es ist aber kein rechtsfreier Raum", erklärt Sebastian Rauba. Mit der Radikalisierung in den sogenannten Massenchats hat die Polizei immer wieder zu tun. Auch hier werden Namen, Adressen und "Feindeslisten" geteilt.

Bestseller Autor Hasnain Kazim erzählte von seinem Umgang mit Hassnachrichten  | Foto: pm
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Hasnain Kazim über Rassismus und Hass

Auf einer "Feindesliste" fand sich auch Spiegel-Besteller-Autor Hasnain Kazim wieder. Sein Leben lang begegnen Kazim Rassismus und Beleidigungen, seine ersten Hass-Briefe erhielt der damals 17-Jährige, nachdem er sich in einem Kommentar in einer Zeitung Fremdenhass entgegenstellte. Sieben hasserfüllte und rassistische Zuschriften erreichten Hasnain Kazim damals in seinem Jugendzimmer in Hollern-Twielenfleth. Sie waren der Anfang einer langen Liste an Kommentaren, E-Mails, Briefen und Zuschriften, die Kazim in seiner Laufbahn als Journalist und Autor erreichen sollten. Zu Herzen genommen hat er sich vor allem den Rat seiner Lehrerin, der er sich nach seinen ersten sieben Zuschriften anvertraute: Sich niemals unterkriegen zu lassen. So ließ er sich auch 2016, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, nicht durch die sich vermehrt anhäufenden rassistischen Beleidigungen einschüchtern. Er beschloss, von nun an zwei Jahre lang jedem zu antworten, der ihm schrieb. Mit sarkastisch-zynischem Unterton begegnete Kazim seinen "Hatern", die meist verwundert waren, dass überhaupt etwas zurückkam. Nachzulesen ist das in seinem Buch "Post von Karlheinz", in dem die absurd-komischen Dialoge festgehalten sind. "Die Leute brauchen Erziehung", erklärt Hasnain Kazim auf der Infoveranstaltung der Polizei. Doch nicht bei jedem bringe das etwas. "Manche Leute wollen Frust ablassen, manche äußern ihre inhaltliche Kritik durch Beleidigungen, aber manche sind einfach waschechte Rassisten", so Kazim.

Unberührt bleibt kaum jemand von so viel Hass und verbalen Attacken. Obwohl Politiker oftmals hartgesottene und selbstbewusste Persönlichkeiten sind, wirkt sich die tägliche Konfrontation auf die Psyche aus. "Das macht etwas mit einem", bestätigt Rauba, der Betroffenen rät, sich Hilfe zu holen und sich über das Erlebte auszutauschen. Ganz besonders, wenn es um die Sicherheit der Angehörigen geht, bringen die meisten Opfer Drohungen und Hasskommentare eher zur Anzeige.

Haben auch Sie Hass erlebt?

Sind Sie ein Amts- oder Mandatsträger im Landkreis Stade und haben Erfahrungen mit Hasskommentaren, Beleidigungen oder Drohungen gemacht? Teilen Sie Ihre Erlebnisse mit unseren Lesern, auf Wunsch auch gerne anonymisiert. Senden Sie eine E-Mail an pauline.meyer@kreiszeitung.net. 

Das Internet ist trotz Anonymität kein rechtsfreier Raum  | Foto: Thomas Lefebvre / Unsplash
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Pauline Meyer aus Neu Wulmstorf

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