Interview der Woche
Selbsthilfegruppen-Experte Ulrich Brachthäuser zur Arbeit der Initiativen in Coronazeiten

Ulrich Brachthäuser, Leiter der Selbsthilfekontaktstelle "KIBIS" im Landkreis Stade | Foto: KIBIS
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ce. Stade. "Am Beginn steht immer ein Mensch, der für sich selbst aktiv werden und mit seinem persönlichen Problem nicht mehr allein sein will." So definiert Ulrich Brachthäuser (63) den Ursprung einer jeden Selbsthilfegruppe. Der Diplom-Sozialarbeiter muss es wissen, denn er ist Leiter der Selbsthilfekontaktstelle "KIBIS" des Paritätischen im Landkreis Stade. "KIBIS" steht dabei für "Kontakt, Information und Beratung im Selbsthilfebereich". Im "Interview der Woche", in dem Persönlichkeiten aus der Region zu aktuellen Themen Stellung nehmen, sprach WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann mit Brachthäuser über die große Relevanz dieser Initiativen in Coronazeiten und darüber, was eine gute Selbsthilfegruppe ausmacht.
WOCHENBLATT: Herr Brachthäuser, woher kommt Ihr Engagement für Selbsthilfegruppen? Haben Sie selbst mal an einer Gruppe teilgenommen oder eine geleitet?
Ulrich Brachthäuser: Direkt nach meiner Berufsausbildung Mitte der 1980er Jahre war ich arbeitslos und habe mich einer Arbeitsloseninitiative angeschlossen. Daraus haben wir zwei Projekte im Sozialbereich mit Festanstellungen entwickelt - mein Einstieg ins Berufsleben. Damals haben wir uns als Teil der sozialenBewegungen verstanden. Später in meiner Berufslaufbahn hatte ich immer mal wieder Berührungspunkte zur Selbsthilfe.
WOCHENBLATT: Was macht eine gute Selbsthilfegruppe aus?
Brachthäuser: Das Miteinander. Wer neu in eine Selbsthilfegruppe geht, merkt schnell: Wenn ich hier Gleichbetroffenen von meinem Thema erzähle, werde ich sofort verstanden. In Selbsthilfegruppen gibt es sehr viel Erfahrungswissen - ein Schatz, von dem man im eigenen Leben profitieren kann. Es gibt Prinzipien, die für alle Selbsthilfegruppen gelten.
WOCHENBLATT: Welche sind das?
Brachthäuser: Das Prinzip der Vertraulichkeit, der gegenseitige Respekt, die Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen für sich selbst. Ansonsten können Selbsthilfegruppen sehr unterschiedlich sein. Wie die gegenseitige Unterstützung läuft oder Gestaltungselemente bei den Gruppentreffen - das hängt oft vom Thema und den Entscheidungen der Teilnehmer ab.
WOCHENBLATT: Welche Gruppen bzw. Selbsthilfeinitiativen sind derzeit besonders gefragt?
Brachthäuser: Bei uns werden zunehmend Selbsthilfegruppen zu psychischen Krisen und Erkrankungen sowie Suchterkrankungen nachgefragt - jetzt in der Coronazeit auch verstärkt von jüngeren Menschen. Aber jede Gruppengründung zu einem neuen Thema ist für Betroffene von unschätzbarem Wert - auch auch Gründungen zu seltenen Erkrankungen, wie bei uns in diesem Jahr zum Beispiel zum Thema Clusterkopfschmerz. Im Kreis Stade gibt es mit knapp 110 Selbsthilfegruppen eine sehr breite Themenpalette.
WOCHENBLATT: Inwieweit hat sich die Situation für die Selbsthilfegruppen durch Corona verschärft?
Brachthäuser: Das Wesen der Selbsthilfe ist der persönliche Austausch bei Treffen. Die Pandemie hat da voll reingehauen. Gerade zu Beginn hatten wir große Sorgen um die Gruppen. Dann haben wir aber ganz schnell gemerkt: Auch als sich die Gruppen gar nicht treffen durften, waren sie weiter für Betroffene ansprechbar. Viele sind während der Hochphasen der Wellen ausgewichen auf Telefon- oder Videokonferenzen. Andere haben sich zu zweit oder in kleinen Gruppen zu Spaziergängen verabredet. Wenn es die Situation erlaubt, treffen sich die Gruppen wieder persönlich. Auch in dieser schweren Krise hat das Engagement der vielen Selbsthilfe-Aktiven getragen. Dabei sind sich alle einig: Nichts geht über persönliche Treffen. Da ist der Austausch viel intensiver.
WOCHENBLATT: Sind als Folge der Pandemie neue Gruppen entstanden?
Brachthäuser: In diesem Jahr hatten wir sieben Gruppengründungen, für Anfang nächsten Jahres sind weitere Gründungen geplant. Long-Covid ist dabei, Depression und Angsterkrankungen. Im Landkreis Stade wollen wir im nächsten Jahr Gründungen initiieren für Eltern, deren Kinder während und wegen der Pandemie Erkrankungen entwickelt haben.
WOCHENBLATT: Herr Brachthäuser, vielen Dank für das Gespräch.
• Ratsuchende bekommen Informationen unter www.kibis-stade.de bzw. bei der Zentralen Informationsstelle Selbsthilfe im Landkreis Harburg unter www.ziss-online.de.

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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