Frauen fordern die Entfernung der Exponate
Sexistische Cartoons am Stader Fischmarkt?

"Noch nie was von Frauen in Spitzenposition gehört?" An diesem Cartoon stören sich einige Frauen | Foto: jab
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  • "Noch nie was von Frauen in Spitzenposition gehört?" An diesem Cartoon stören sich einige Frauen
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jab. Stade. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, auch über Kunst: So sieht sich eine Gruppe Frauen aus Stade und darüber hinaus durch einige Exponate der Ausstellung "Tetsche Open-Air" des bekannten Cartoonisten Tetsche am Stader Fischmarkt beleidigt. Der Vorwurf: Einige Exponate seien sexistisch und frauenfeindlich. Sie fordern die Entfernung der entsprechenden Bilder.

Die Gruppe rund um Andrea Breimeier, die u.a. aktiv in der Gruppe Artists for Future in Stade ist, machte in einem Schreiben an das WOCHENBLATT deutlich: "Wir fühlen uns angegriffen." Die Frauen bezeichnen die Cartoons als Altherrenwitze, in denen sexistische Frauenbilder lauern.

Ein besonderer Dorn im Auge ist den Frauen ein weiblicher Pinguin, mit Brüsten, BH und Blümchenhut auf der Spitze eines Eisbergs, umringt von hochschauenden männlichen Pinguinen. Untertitelt ist das Bild mit "Noch nie von Frauen in Spitzenpositionen gehört?". Brisant ist dabei die Position des Cartoons: unter der Statue von Mutter Flint, einer ehemaligen Stader Fischhändlerin. "Das ist die Verballhornung einer Frauenkarriere", so Breimeier. Aber auch dass ein Schwein seine Frauen allesamt als Säue bezeichnet oder dass eine Frau als bildliche Schnepfe dargestellt wird, stößt den Frauen sauer auf.

"Bist du immer noch mit dieser Schnepfe zusammen?", fragt die Frau den Mann mit Vogel in Tetsches Cartoon | Foto: jab
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Dass die Kritik erst jetzt nach vier Monaten nach Ausstellungseröffnung aufkam, liegt daran, dass Breimeier erst kürzlich bei einem Besuch in Stade zu Gesicht bekam. Daraufhin erstellte Breimeier eine Petition, in der sie die Entfernung und eine Entschuldigung der Stadt fordert. Mehr als 130 Personen haben die Online-Petition bereits unterschrieben. Eine weitere Aktion gegen die Motive soll eine Menschenkette am Fischmarkt am Sonntag, 3. Oktober, um 14 Uhr sein. bei der jeder, der "sich irritiert fühlt, empört oder erbost ist", teilnehmen kann.

Eine Befürworterin der Petition ist die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Stade, Karina Holst. Sie hatte bereits kurz nach der Eröffnung der Ausstellung ihren Unmut geäußert. Einige Motive seien aus der Zeit gefallen und hätten Stammtischniveau. "Das hat Stade nicht verdient." Sie verurteile dabei nicht den Künstler oder diejenigen, die darüber lachen. Es gehe vor allem um den Ort. Sie hätte sich die Ausstellung in einem Kunsthaus gewünscht, wo die Bilder in einen zeitlichen Kontext ihrer Entstehung gezeigt werden. Sie kündigte an, das Thema im neuen Rat im Herbst auf die Tagesordnung zu setzen und zur Diskussion zu stellen.

Dr. Andreas Schäfer, Leiter der Stabsstelle Kultur der Hansestadt Stade und Geschäftsführer der Stade Marketing und Tourismus Gesellschaft, äußerte sich ebenfalls zur Kritik: "Es war nie unsere Absicht, jemanden zu beleidigen." Die Ausstellung mit dem überregional bekannten Künstler sollte in Corona-Zeiten die Menschen belustigen. Ihm sei klar, dass Tetsches Humor nicht jedem gefalle. Dennoch seien die Rückmeldungen mehrheitlich positiv.

Ist es sexistisch, wenn ein Schwein seine Frauen als "richtige Säue" bezeichnet? | Foto: jab
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Erst jetzt erhielt er mehrere Mails, u.a. von Breimeier. "Wir haben auf jede negative Nachricht geantwortet und uns dafür entschuldigt., dass sich die Personen beleidigt fühlen. Außerdem wurde jeder ein Hintergrundgespräch auch mit dem Künstler angeboten", so Schäfer. Eine Frau hatte abgelehnt, nur Breimeier z.B. zeigte Interesse. Da die Ausstellung im öffentlichen Raum stattfindet, war Schäfer bewusst, dass sich viele Menschen zwangsläufig mit der Kunst auseinander setzen werden, sagt Schäfer. "Die Kritik müssen wir aushalten und uns dieser stellen. Wir sind für den Dialog bereit." Schließlich lebe die Kunst von der Diskussion.

Der Künstler selbst könne den Grund für die Aufregung um seine Cartoons nicht verstehen. Denn in den meisten Cartoons nehme er die Männer aufs Korn. Besonders die Kritik an der Pinguinfrau könne er nicht nachvollziehen: "Die feiert sich selbst und strotzt vor Selbstbewusstsein!" Das sei im Übrigen das Motiv, dass als Postkarte bei seinen Ausstellungen am meisten gekauft werde - besonders von Frauen. Bei den anderen Cartoons wie mit der Schnepfe habe er sich nichts dabei gedacht. Er sei nur über das Wort gestolpert, empfand es als komisch und so habe er einen Comic entwickelt. Es sei nie bösartig gegen Frauen gerichtet oder frauenverachtend gewesen. Und er betont: "Ich bin absolut gegen Sexismus und Rassismus."

Tetsches Ausstellung am Fischmarkt wurde erst kürzlich wegen der vielen positiven Rückmeldungen noch bis Ende November verlängert, sagt Schäfer. Und zwar so wie sie ist, darauf legte Stades Bürgermeiser, Sönke Hartlef, Wert.

Pro und Kontra

Uralte Kalauer, Chauvi-Witze und ein reaktionäres Frauenbild? Um die Kunstausstellung "Tetsche Open-Air" ist in der Hansestadt Stade und über die Stadtgrenzen hinaus eine Diskussion entbrannt. Am Sonntag, #+3. Oktober, wollen die Initiatorinnen des Protestes mit einer Menschenkette für das Abhängen der Bilder demonstrieren. Bürgermeister Sönke Hartlef hingegen will die Bilder bis Ende November hängen lassen. Auch in der WOCHENBLATT-Redaktion gibt es unterschiedliche Meinungen zu der umstrittenen Ausstellung des prominenten Cartoonisten. Lesen Sie dazu das Pro und Contra von zwei Redakteurinnen.

Pro: Einfach nur gut gemacht
Ich liebe Tetsche und ich bin stolz darauf, einen so bekannten Künstler quasi in der Nachbarschaft zu haben. Seine Cartoons wurden von 1974 bis 2018 jede Woche im Magazin "Stern" abgedruckt - das sind 44 Jahre Erfolgsgeschichte. In wohl fast jedem Haushalt hat mal ein Magnet an der Kühlschranktür eine Postkarte mit einem Tetsche-Motiv fixiert. Schmunzeln im Vorbeigehen, beim Kartoffelschälen oder bei der nächtlichen Suche nach etwas Essbarem. Jeder kennt Tetsche.

"Humor ist, wenn man trotzdem lacht", sagte einst der berühmte deutsche Lyriker Otto Julius Bierbaum gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Duden definiert Humor als Fähigkeit und Bereitschaft, auf bestimmte Dinge heiter und gelassen zu reagieren. Wenn Tetsche demnach einen weiblichen Pinguin in Spitzen-BH auf einem Eisberg posieren lässt und das als "Frau in Spitzenposition" bezeichnet, ist das laut Definition Humor par excellence. Und wenn ein Rüde neidisch auf einen Eber ist, weil dessen Frauen "richtige Säue" sind, sollten eigentlich eher Männer peinlich berührt sein angesichts des dargestellten Unterhaltungsniveaus.

Der "Stern" bezeichnete Tetsche zu dessen Abschied als den "Meister des gehobenen Blödsinns". Dem stimme ich voll und ganz zu. Sicherlich gibt es in seinem Repertoire die eine oder andere Darstellung, die die Bezeichnung "Altherrenwitz" verdient. Wenn der Altherrenwitz gut gemacht ist, kann "Frau" darüber aber auch lachen.
Stephanie Bargmann

Kontra: Eine neue Zeit braucht neue Kunst
Nur weil etwas in den 70ern und 80ern erfolgreich war, muss es nicht zwangsläufig auch heute noch gut sein. Das gilt insbesondere für den Humor, der die Wertevorstellungen der jeweiligen Zeit abbildet. Und die haben sich - zum Glück für die in Deutschland lebenden Frauen - geändert. Die Geschlechter-#+stereotype der 70er- bis 90er-Jahre lassen sich gut mit Gaye Tuchmans Bezeichnung der »Nihilisierung« und »Trivialisierung« von Frauen beschreiben (Tuchman, 1978). Entweder tauchen Frauen nicht auf, weil sie öffentlich nicht relevant sind, oder es finden sich Muster der Trivialisierung, die über die Rollenzuschreibung stattfinden, also die Sekretärin, die den Kaffee bringt o.Ä. Darüber hinaus gibt es auch ein Muster des »Lächerlichmachens«, in dem Frauen als fragile Körper entworfen sind. Dazu gehört die Betonung der Äußerlichkeit, wie Frisur, Kleidung, Figur.

Im Jahr 2021 gibt es jedoch deutlich mehr Differenzierungen. Das hat der Künstler Tetsche bis heute nicht verinnerlicht. Und findet sich folglich auch nicht in seinen Werken. Was mich nicht verwundert. Ist er doch a) ein Mann und b) ein alter noch dazu. Menschlich betrachtet kann ich es ihm nicht verübeln. Mein Vater, geboren 1939, erzählt bis heute Blondinenwitze. Der Fehler liegt bei den Verantwortlichen der Stadt. Diese hätte die altbackene und Frauen herabwürdigende Kunst nicht so exponiert aufhängen lassen dürfen. Es wirft ein schlechtes Bild auf die sonst so auf Modernisierung bedachte Stadt Stade, sich mit faden Chauvi-Witzen zu schmücken. Eine neue Zeit braucht zeitgemäße Kunst - erst recht im öffentlichen Raum.
Christine Bollhorn

Ist die Kritik an den Tetsche-Cartoons am Stader Fischmarkt gerechtfertigt?

• Haben Sie noch mehr zu dem Thema zu sagen? Gern können Sie eine E-Mail an jaana.bollmann@kreiszeitung.net senden.

Redakteur:

Jaana Bollmann aus Stade

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