Im Landkreis Harburg fehlen 17 Hausärzte / Fachärzte dürfen sich nicht mehr ansiedeln

Detlef Haffke, Sprecher der KVN   Foto: Thomas Deutschmann
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thl. Winsen. Volle Wartezimmer, lange Fristen bis zum nächsten Termin - es könnte mehr Ärzte geben im Landkreis. Das zumindest meinen immer häufiger Bürger. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) spricht in solchen Fällen von einer "gefühlten Unterversorgung“. "Denn die Zahlen der rechtlichen Vorgaben sagen etwas anderes", erklärt Detlef Haffke, Sprecher der KVN in Hannover. "Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung der ärztlichen Versorgung ist die sogenannte Bedarfsplanung, deren Neufassung am 17. Februar 2020 in Kraft getreten ist." Mit der Bedarfsplanung werde geregelt, wie viele Ärzte oder Psychotherapeuten, die gesetzlich versicherte Patienten ambulant behandeln möchten, sich in einer Region niederlassen dürfen.
Liegt der Versorgungsgrad einer ärztlichen Fachrichtung in einem Zulassungsbezirk unter 110 Prozent, können sich in der Regel dort weitere Ärzte einer Fachrichtung niederlassen. Wie viele Niederlassungen möglich sind, hängt vom Versorgungsgrad ab. Der Versorgungsgrad berechnet sich aus der Einwohnerzahl in einer Region und der jeweiligen Anzahl von Ärzten einer Fachgruppe. Haffke: "Zur Berechnung liegt immer eine Verhältniszahl zugrunde, z.B. ein Hausarzt soll 1.609Einwohner versorgen, ein Augenarzt 12.460Einwohner etc."
Ein Planungsbereich gilt als überversorgt und damit für zusätzliche Arztsitze gesperrt, wenn die Arztdichte einer Fachgruppe einen Wert über 110 Prozent übersteigt. Es gilt ein Zulassungsstopp. "Sinkt der Versorgungsgrad bei Hausärzten unter 75 Prozent und bei Fachärzten unter 50 Prozent sprechen wir von Unterversorgung. Dann muss die KVN dort einen Arzt etablieren, da sie den Sicherstellungsauftrag hat", erklärt Haffke.
Die Crux an den rechtlichen Vorgaben: Die Grundlage der Berechnungen basieren auf Behandlungszahlen aus den 1990er Jahren. Diese werden zwar jährlich angepasst, scheinen aber den tatsächlichen Versorgungsbedarf in der Bevölkerung nicht abzubilden. "Gerade für ältere Menschen ist das Thema der ortsnahen Versorgung deshalb so gravierend, weil gerade die nicht mehr so mobile Bevölkerung oft fahren muss, um einen Arzt zu erreichen. Doch nicht nur die - auch Eltern mit Kleinkindern wünschen sich den Kinderarzt vor Ort. Die Quotierung der Kinder- und Jugendärzte wird aber nur landkreisweit gerechnet – so die gesetzliche Grundlage", weiß Haffke.
Der Praxismarkt der Allgemeinmediziner wird anders geregelt als bei den Fachärzten. Die Quote wird dabei auf kleinere Gebiete bezogen - nicht auf den ganzen Landkreis, sondern auf Mittelbereiche.
Der Landkreis Harburg ist in drei Mittelbereiche aufgeteilt. Im Bereich Buchholz mit den umliegenden Gemeinden leben 104.732 Menschen. Ein Hausarzt soll 1.651 Bürger behandeln (Verhältniszahl). 62 Hausärzte sind aktuell tätig. Der Versorgungsgrad liegt bei 97,7 Prozent. Acht weitere Hausärzte können sich bis zur Sperrung noch niederlassen.
Im Bereich Harburg Nordmit den Gemeinden Neu Wulmstorf, Rosengarten und Seevetal leben 76.864 Menschen. Ein Hausarzt soll 1.641 Bürger behandeln (Verhältniszahl). 46,5 Hausärzte sind aktuell tätig. Weitere 5,5 Hausärzte können sich noch niederlassen. Im Bereich Winsen sind aktuell 44,75 Hausärzte tätig, 3,5 fehlen noch für die 74.144 Bürger.
"Insgesamt ist die Versorgungslage rechnerisch gut. Bis zur Sperrung können sich im gesamten Landkreis noch 17 Hausärzte niederlassen", sagt der KVN-Sprecher. "Für Fachärzte ist aber der gesamte Landkreis Harburg für weitere Niederlassungen gesperrt."
"Die Lage, was die Ärzteversorgung angeht, ist im Landkreis Stade angespannt, sagt Dr. Stephan Brune, Vorsitzender des Bezirksausschusses der KV Stade. Noch sei sie aber ausreichend. Bisher gebe es keine Unterversorgung, allerdings sehe er beispielsweise in Drochtersen dringend Handlungsbedarf. Allerdings bemühe man sich hier bereits um Abhilfe.
Der Landkreis Stade ist in die Planungsbereiche Stade und Buxtehude eingeteilt. Hier soll sich ein Hausarzt um 1.609 Menschen kümmern. Im Planungsbereich Buxtehude leben 97.852 Einwohner. Insgesamt gibt es 51,5 Hausärzte. Weitere 10,5 Niederlassung wären möglich. 107.615 Einwohner leben im Planungsbereich Stade, in dem 64,5 Ärzte niedergelassen sind. Platz wäre allerdings noch für 7,5 weitere Hausärzte.
Grund für die angespannte Lage im Landkreis Stade sei in erster Linie, dass allgemein zu wenig Ärzte ausgebildet werden, so Brune. "Es gibt zu wenig Studienplätze. Somit werden in den Krankenhäusern immer weniger Assistenzärzte ausgebildet. Und aus den Krankenhäusern rekrutieren wir normalerweise die niedergelassenen Ärzte." Bereits seit rund 20 Jahren seien die Studienplätze schon rückläufig, was die KV immer wieder kritisiert, so Brune.
Aber warum haben die Leute das Gefühl einer ärztlichen Unterversorgung? Haffke erklärt: "Die Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte steigt von Jahr zu Jahr. Dies liegt natürlich daran, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und so mehr Behandlungsbedarf hat. Aber auch jüngere Menschen suchen immer häufiger eine Ärztin oder einen Arzt auf, nachdem sie bei Beschwerden im Internet gegoogelt haben. Weil die Suchmaschine gerne alle potentiell denkbaren Krankheiten auswirft, läuft so mancher immer häufiger zum Arzt um mal schauen zu lassen, ob an der 'Internet-Diagnose' vielleicht doch was dran ist." Untermauert wird das durch die Tatsache, dass der Durchschnittsdeutsche 19 Mal im Jahr zum Arzt geht. Das ist Weltrekord! "Das führt natürlich noch nicht direkt zu einem Ärztemangel, lässt aber die Zahl der freien Termine beim Arzt schwinden." Hinzu komme die Bürokratie, die den Ärzten immer mehr Zeit raubt. Zeit, die für den Patienten bleibt, wird dadurch geringer. "Mindestens besteht so schon mal ein gefühlter Ärztemangel, der sich aber auch ganz real auswirkt", so Haffke.
Tipps für einen Arzttermin
Die überweisende Praxis versucht zeitnah einen Termin bei einem Facharzt zu organisieren. Dies funktioniert häufig bei dringlichen Terminen.
Patienten versuchen es selbständig. Die Arztauskunft Niedersachsen (www.arztauskunft-niedersachhsen.de) unterstützt bei der Recherche
Patienten versuchen es weiterhin über die Terminservicestelle der KVN unter der Telefonnummer 116117. Dazu ist in der Regel eine Überweisung notwendig. Die Terminservicestelle sucht dann einen Behandlungstermin bei einem Facharzt. Allerdings sollte dieser Service erst in Anspruch genommen werden, wenn alle anderen Versuche scheitern. Und: Es gibt keine Termine bei Wunschärzten, zu Wunschzeiten oder in Wunschregionen.

(jab). Um dem Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken, hat der Landkreis Stade das Projekt Landgang ins Leben gerufen. Während Praktika in der hausärztlichen Versorgung haben Studenten die Möglichkeit, Einblicke in die vielfältige Arbeit zu erhalten. Knapp 50 Medizinstudenten haben das Angebot bisher genutzt.
Zusätzlich gibt es seit 2021 ein Stipendienprogramm. Mit bis zu 1.000 Euro im Monat werden an Studenten der Humanmedizin und mit bis zu 500 Euro Ärzte in der Facharztweiterbildung gefördert. Dafür verpflichten sie sich, zwei bis fünf Jahre in einer Praxis oder einem Krankenhaus im Landkreis zu arbeiten. Die Voraussetzung ist außerdem, im Landkreis zu wohnen, von hier abzustammen oder ein Fachpraktikum hier abzuleisten.
Weitere Informationen zum Projekt Landgang gibt es unter www.landgang-stade.de. Projekt gegen Ärztemangel.

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Redakteur:

Thomas Lipinski aus Winsen

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