Neue Verordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums
Über den "Gassi-Zwang" schütteln nicht nur Hundehalter den Kopf

Das massive Kupieren der Ohren - wie bei diesem Pitbull-Mischlingsrüden - ist längst verboten. Mit der überarbeiteten Verordnung sollen die Behörden eine bessere Handhabe zur Durchsetzung dieser und anderer Vorgaben bekommen | Foto: bim
  • Das massive Kupieren der Ohren - wie bei diesem Pitbull-Mischlingsrüden - ist längst verboten. Mit der überarbeiteten Verordnung sollen die Behörden eine bessere Handhabe zur Durchsetzung dieser und anderer Vorgaben bekommen
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(bim). Bundesministerin Julia Klöckner (47, CDU) hat den Tierschutz für sich entdeckt. Allerdings nicht - wie man bei ihrem Ressort Landwirtschaft und Ernährung vermuten könnte -, für Nutztiere, sondern vor allem für Hunde. Die sollen artgerechter gehalten werden.
Mit der Verordnung sollen u.a. Qualzuchten und die Präsentation solch fehlgezüchteter Vierbeiner in Tiershows vermieden werden. Ein Vorstoß, der lobenswert ist. Der Clou ist aber der "Gassi-Zwang": "Einem Hund soll mindestens zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien gewährt werden". Für die meisten Hundehalter ist das eine Selbstverständlichkeit, die nicht durch Julia Klöckner vorgegeben werden muss.
Herdenschutzhunde, die Weidetiere vor dem Wolf schützen sollen, werden hingegen - sofern vorhanden - ihrer Schutzhütten "beraubt". Denn diese sind nicht mehr erforderlich, wenn anderer ausreichender Schutz "vor widrigen Witterungseinflüssen zur Verfügung steht".
Diese Vorstöße der Landwirtschaftsministerin sind umso erstaunlicher, da die narkosefreie Eberferkelkastration, die bereits 2018 abgeschafft werden sollte, auf Betreiben der Bundestagsmehrheit von CDU, CSU und SPD bis Ende dieses Jahres weiter erlaubt ist. Viele Jahre hatte es gedauert, bis das - betäubungsfreie - Schnabelkürzen gegen das Federpicken bei Hühnern Anfang 2017 verboten wurde. "Amputationen, mit denen Nutztiere an die ihren Bedürfnissen nicht entsprechenden Haltungssysteme zurechtgestutzt" werden, wie es die Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung auf den Punkt bringt.
Mehr Tierwohl der Nutztiere
Immerhin: Aktuell kam die Mitteilung, dass sich die Landwirtschaftsministerin nun auch endlich für mehr Tierwohl der Nutztiere, u.a. durch größere Ställe und mehr Auslauf, einsetzt. Dafür sollen im Konjunkturprogramm der Bundesregierung 300 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die in 2020 und 2021 in Tierwohlställe investiert werden können. Zudem soll das Baurecht geändert werden, damit Stallumbauten, mit denen für mehr Platz und bessere Bedingungen gesorgt wird, für die Landwirte zukünftig ohne großen (bürokratischen) Aufwand umsetzbar sind. Kriterien für die Haltung von Schweinen wurden bereits erarbeitet, weitere Nutztierarten sollen, die Arbeitsgruppen für die Tierwohlkriterien bei Rind und Geflügel tagen.

In der neuen "Tierschutz-Hundeverordnung" sorgt derweil der auferlegte "Gassi-Zwang" nicht nur bei Hundehaltern für Kopfschütteln. Zu Unrecht, wie Ministeriumssprecher Mathias Paul meint.
Den Passus, dass Hunde ausreichend Auslauf brauchen, habe es bereits zuvor gegeben, dieser sei nur konkretisiert worden. Die neuen Regelungen beträfen vor allem die gewerbliche Hundehaltung. Mit dem Passus zur Herdenschutzhunde-Haltung reagiere man auf das aktuelle Geschehen mit der Wiederansiedlung des Wolfes. Die Überarbeitung der Verordnung, die über ein Jahr gedauert habe, sei eine Forderung der Länder gewesen, die diese Vorgaben auch umsetzen müssen, inklusive Kontrollen und dem Verhängen von Bußgeldern. Die Behörden sollten durch die Verordnung mehr Rechtssicherheit und eine bessere Handhabe erhalten.
Hintergrund der Verordnung: "Der Hund zählt zu den beliebtesten Haustieren in Deutschland. Im Übrigen ist gerade in der bisherigen Corona-Hochphase die Zahl der von Privathaushalten angeschafften Haustiere angestiegen. Der richtige Umgang mit Haustieren, das Wissen darum, ist wichtig", heißt es da. Und weiter: „Haustiere sind keine Kuscheltiere - ihre Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden. Es gilt, eine artgerechte Haltung von Hunden sicherzustellen. Etwa, dass sie genug Bewegung bekommen und nicht zu lang allein gelassen werden. Die Anforderungen an ihre Haltung passen wir nun an Empfehlungen von Experten an."

Die Änderungen der Verordnung umfassen im wesentlichen folgende Aspekte:

  • Ein Ausstellungsverbot für Hunde, die Qualzuchtmerkmale aufweisen: Durch das Ausstellungsverbot soll der Zuchtanreiz entfallen, Hunde mit Qualzuchtmerkmalen auszustellen. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass die Nachfrage nach diesen Hunden steigt. Zudem ist das Ausstellungsverbot für die Behörden leichter zu überwachen, da die Tiere real sichtbar sind. Eine schwierige Prognose im Hinblick auf die Merkmalsausprägung bei Nachkommen entfällt.
    Mit der Änderung wird verboten, dass Hunde, die erblich bedingt Schmerzen erleiden und Schäden unterliegen, ausgestellt werden oder Ausstellungen mit diesen Hunden organisiert werden. Dazu gehört, dass erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten, mit Leiden verbundene Verhaltensstörungen auftreten, jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.
  • Eine Verschärfung der Anforderungen an die Hundezucht: So darf in der gewerbsmäßigen Hundezucht eine Betreuungsperson künftig maximal drei Würfe gleichzeitig betreuen. Zudem wird eine Mindestzeit von vier Stunden für den täglichen Umgang mit den Welpen vorgegeben. Dies gilt sowohl für die gewerbsmäßige als auch die private Zucht von Hunden.
  • Spezielle Regelungen für Herdenschutzhunde: Für die besonderen Bedingungen beim Einsatz und der Ausbildung von Herdenschutzhunden vor allem wegen der Wiederansiedelung des Wolfs in Deutschland werden nunmehr spezielle Regelungen getroffen. So wird u.a. klargestellt, dass das Vorhalten einer Schutzhütte beim Einsatz von Herdenschutzhunden nicht erforderlich ist, wenn ein anderer ausreichender Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen zur Verfügung steht.
  • Um unzureichende Haltungsbedingungen zu vermeiden, werden die geltenden Anforderungen an die Hundehaltung konkretisiert. So wird die Anbindehaltung (sog. "Kettenhund", nicht das Anleinen) von Hunden grundsätzlich verboten. Sie ist nur noch im Rahmen der Arbeitstätigkeit von Hunden unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
    Die bereits bestehenden Regelungen zum erforderlichen Auslauf im Freien werden im Hinblick auf Dauer und Häufigkeit konkretisiert. Einem Hund soll demnach mindestens zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien (z.B. Spaziergang, Auslauf im Garten etc.) außerhalb eines Zwingers gewährt werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Hunden künftig ein ausreichendes Maß an Bewegung und Kontakt mit Umweltreizen geboten wird. Der Vollzug liegt wie im Föderalismus festgelegt bei den Bundesländern.
  • Änderung der Tierschutztransportverordnung: Die Transportdauer für Transporte von Nutztieren (innerhalb Deutschlands) wird auf viereinhalb Stunden begrenzt, wenn nicht sichergestellt ist, dass zu jedem Zeitpunkt während der Beförderung, in dem Bereich, in dem sich die Tiere während des Transportes aufhalten, eine Temperatur von nicht mehr als 30 Grad Celsius herrscht.

Derzeit wertet das Bundeslandwirtschaftsministerium die eingegangenen Stellungnahmen von Ländern und Verbänden aus. Danach folgen eine Anhörung der Tierschutzkommission, die EU-Notifizierung und das Bundesratsverfahren. Die Verkündung ist fürs erste Quartal 2021 vorgesehen.

Das sagt der Deutsche Tierschutzbund
Aus Sicht des Tierschutzes sind unbedingt weitergehende Regelungen zum Schutz aller Heimtiere erforderlich. Durch den Erlass einer Heimtierschutzverordnung könnten derzeit vorhandene Gesetzeslücken geschlossen und die Haltung, Kennzeichnung, Registrierung, die Zucht und der Handel mit Heimtieren wirksam und umfassend einheitlich geregelt werden. Eine Überarbeitung der derzeit in Deutschland gültigen Tierschutz-Hundeverordnung sei begrüßenswert und in vielen Punkten ein Schritt in die richtige Richtung, gehe aber nicht weit genug. Was aus Sicht der Tierschützer fehlt: Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Hundes (Prävention, Verhinderung von Spontananschaffungen), eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht sowie nähere Ausführungen zur Erziehung/Training von Hunden.
Das sagt der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH)
Es sei zwingend notwendig, zu einigen Punkten auch noch den Rat von sachkundigen Beratern und dem wissenschaftlichen Beirat des VDH einzuholen. Der VDH fordert Nachbesserungen, u.a. eine Festlegung von Anforderungen an die Gruppenhaltung von Hunden, Absenkung des Betreuungsschlüssels bei der gewerbsmäßigen Hundezucht, Konkretisierung der Anforderungen an die Wurfkiste und an den Welpenauslauf sowie ein Verbot der Anbindehaltung von Hunden.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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