WOCHENBLATT sprach mit junger Ukrainerin
Skype-Botschaft aus der Ukraine: "Hier herrscht keine Kriegsstimmung"

Tetiana möchte nicht aus der Ukraine wegziehen. Einer ihrer Lieblingsplätze ist der Hafen von Mikolajiw  | Foto: T.P.
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(jd). Die Ukraine-Krise beherrscht neben Corona derzeit die Schlagzeilen. Fast täglich wird in den Medien berichtet, dass ein Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine kurz bevorstehe. In Deutschland ist dieser drohende militärische Konflikt ein großes Thema, das in der Berichterstattung einen breiten Raum einnimmt und den Menschen Angst macht. Doch wie beurteilen die Ukrainer selbst die aktuelle Situation? Der Stader WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann hat persönliche Kontakte in die Ukraine. Er sprach in dieser Woche mit einer jungen Ukrainerin, die schon öfter in Deutschland zu Besuch war und über das Internet auch verfolgt, wie hier über den Konflikt berichtet wird. Sie sagt: "Das meiste davon ist völlig überzogen."

"Das Leben läuft hier normal"

"Hier herrscht keine Kriegsstimmung. Das Leben läuft ganz normal und wir fühlen uns auch nicht bedroht." Diese Sätze fielen am Vorabend des Tages, den US-amerikanische Geheimdienste als Datum für einen möglichen russischen Angriff ausgemacht hatten. Die Worte stammen von Tetiana P., einer jungen Frau, die mit ihrer Familie in der ukrainischen Stadt Mikolajiw wohnt. Die knapp eine halbe Million Einwohner zählende Metropole liegt nur 140 Kilometer von der Krim entfernt und bis zur Schwarzmeerküste - dort, wo laut US-Geheimdiensten russische Landungsboote bei einer Invasion anlanden sollen - sind es lediglich 50 Kilometer.

Sich selbst bezeichnet Tetiana zwar als unpolitischen Menschen. Die Frage, ob man das als Bürger der Ukraine überhaupt sein kann, übergeht sie lächelnd beim Skype-Gespräch. Man kann es ihr nicht verübeln: Sie ist aufgewachsen in einem innerlich zerrissenen Land, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen politischen Schlingerkurs erlebte wie kaum ein anderer Staat in Europa - hin- und herwechselnd zwischen Westbindung und Ostorientierung. Dass diese Generation junger Ukrainer genug hat von den machtpolitischen Ränkespielen in Kiew und Moskau, ist verständlich.

Tetiana macht sich keine Sorgen über einen möglichen militärischen Konflikt | Foto: T.P.
  • Tetiana macht sich keine Sorgen über einen möglichen militärischen Konflikt
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Derzeit sei für sie eher Corona das größte Problem, meint Tetiana, die als Deutsch-Lehrerin tätig ist. Seit einiger Zeit finde nur noch Homeschooling statt. Abgesehen von den Corona-Beschränkungen gebe es in Mikolajiw keine Anzeichen einer Krise: "In den Läden ist alles Nötige zu bekommen. Natürlich gibt es bei uns im Land Menschen, die jetzt Panik schüren und über die sozialen Netzwerke verkünden: 'Morgen sind die Russen da.'" Auch einige Zeitungen und Rundfunksender würden sich an dieser Panikmache beteiligen. Satiriker hätten solche Pseudonachrichten bereits auf die Schippe genommen und die Meldung lanciert: Man wisse aus gut unterrichteten Quellen, dass die Russen nicht morgen, sondern übermorgen kämen.

Sie halte ohnehin nichts davon, Feindbilder zu propagieren und einen ukrainisch-russischen Gegensatz herbeizureden, meint Tetiana. In der Südukraine sind laut Zensus mehr als 30 Prozent ethnische Russen. An der Sprache lässt sich das aber nicht festmachen. Denn rund 60 Prozent der Bewohner Mikolajiws sprechen russisch, auch für Tetiana ist es die normale Umgangssprache, wenn sie sich etwa mit Freunden trifft. "Im Süden der Ukraine hat früher fast jeder russisch gesprochen, das änderte sich erst nach dem Euro-Majdan von 2014", berichtet Tetiana, die selbst in einem ukrainisch-sprachigen Elternhaus aufgewachsen ist.

"Die Ukraine ist nicht reif für die EU"

Aufgrund ihrer sehr guten deutschen Sprachkenntnisse wäre es für Tetiana wahrscheinlich ein Leichtes, hierzulande Fuß zu fassen. Doch das will sie gar nicht - auch wenn sich die Situation wider Erwarten doch noch zuspitzen sollte: "Als Touristin komme ich gern nach Deutschland und ich plane für den Sommer auch schon eine Reise mit einem Abstecher nach Harsefeld." Doch dauerhaft leben möchte sie weiterhin in der Ukraine. Die Diskussion über eine Hinwendung der Ukraine zur EU und auch zur NATO hält sie für deutlich verfrüht: "Unser Land ist dafür noch lange nicht so weit."

Zum Abschluss des Gesprächs gibt sie eine Bitte mit auf den Weg: "Sag den Menschen in Deutschland, dass sie sich um uns Ukrainer keine Sorgen machen müssen."


Anmerkung der Redaktion:

In den Aussagen der jungen Ukrainerin mag eine gehörige Portion Zweckoptimismus stecken. Doch aus der Ferne vermag niemand zu beurteilen, wie ernsthaft die Bedrohung durch den Kreml-Machthaber Putin tatsächlich ist. Mit dem Artikel soll die Situation keinesfalls verharmlost werden. Aber wir halten es für wichtig, auch mal andere Stimmen zu hören und sich nicht einseitig darauf zu verlassen, was die großen Medien berichten.

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Tetiana möchte nicht aus der Ukraine wegziehen. Einer ihrer Lieblingsplätze ist der Hafen von Mikolajiw  | Foto: T.P.
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Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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