Viele neue Leitungen in den kommenden Jahren
Der Landkreis Stade wird zur Strom-Schaltstelle
Hoch im Norden an der Nordseeküste weht der Wind, den die deutsche Industrie landeinwärts für eine umweltfreundliche und klimaneutrale Produktion benötigt. Um den per Windkraft erzeugtem Strom in den Süden transportieren zu können, müssen ausreichend Leitungskapazitäten geschaffen werden. Eine solche "Stromautobahn" befindet sich nach langen Jahren der Planung endlich im Bau: Vor ein paar Wochen erfolgte der erste Spatenstich für die "Suedlink"-Trasse. Diese Stromleitung wird in nord-südlicher Richtung quer durch den Landkreis Stade verlaufen - von Wischhafen über Himmelpforten bis Kutenholz, und zwar in Form eines Erdkabels. "SuedLink" wird aber nicht die einzige neue Stromtrasse sein, die durch das Kreisgebiet führt. In den kommenden 15 Jahren entstehen im Zuge der Energiewende weitere Höchst- und Hochspannungsleitungen im Landkreis Stade.
Schon die jetzigen 380-kV-Leitungen in der Region gehören zu den am stärksten belasteten im deutschen Stromnetz. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Umspannwerk in Dollern, das bereits ausgebaut worden ist und weitere technische Anlagen erhalten wird. Die Grundlage für den Bau weiterer Stromtrassen bildet der "Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045". Dessen aktuell vorliegende Fassung ist eine Antwort auf die grundlegende Neuausrichtung der Stromsysteme nach dem Klimaschutzgesetz – weg von großen Kraftwerken in der Nähe von Industrie- und Ballungszentren hin zu dezentralen Stromerzeugungsformen wie Wind- oder Solarparks.
Dabei gebe es einen wichtigen Aspekt zu berücksichtigen, wie Referent Andreas Denninghoff vom Netzbetreiber Tennet kürzlich im Stader Kreishaus erläuterte: Die Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen sei naturgemäß sehr stark witterungsabhängig und damit massiven Schwankungen unterworfen. An windigen oder stürmischen Tagen steige die Stromproduktion in Windparks deutlich an, bei Flaute komme sie zum Erliegen. Diese "volatile Einspeisung" führe dazu, dass die Erzeugung von erneuerbarer Energie im ungünstigsten Fall um das 2,4-Fache über der "Last", also dem Verbrauch, liege, sagte Denninghoff.
In diesem Fall greifen "Dispatch-Maßnahmen", wie die Fachleute das kurzfristige Hoch- und Herunterregeln von Kraftwerken und Windkraftanlagen im Falle einer drohenden Überlastung des Stromnetzes nennen. Das ist aber eine kostspielige Lösung. Der Aus- und Neubau von Stromtrassen entschärft das Problem. Kraftwerke und Windparks müssen wesentlich seltener abgeschaltet werden. Als Beispiel nannte Denninghoff die neue 380-Kilovolt-Trasse von Stade nach Landesbergen im Landkreis Nienburg/Weser.
Doch allein mit den neuen Stromleitungen ist es nicht getan. Aus elektrotechnischen Gründen ist es erforderlich, dass in Umspannwerken wie in Dollern spezielle Technik installiert wird. Diese gewährleistet, dass vom erzeugten grünen Strom möglichst viel von den Verbrauchern genutzt werden kann. „Diese netzstabilisierende Leistung haben bisher vor allem Großkraftwerke übernommen“, so der Fachmann von Tennet. Künftig liege diese Aufgabe bei den Betreibern der Übertragungsnetze, sodass viele Umspannwerke - darunter eben auch Dollern - erweitert werden.
Zehn Höchst- und Hochspannungsleitungen durch den Landkreis Stade werden in den kommenden Jahren das deutsche Stromnetznetz stabilisieren und so die Energiewende mit ermöglichen:
- SuedLink: Das Erdkabel von Tennet soll Hochspannungs-Gleichstrom (HGÜ) bei 525 kV von Schleswig-Holstein nach Bayern transportieren. Geplante Inbetriebnahme laut Bundesnetzagentur (BNA) im Jahre 2028.
- HGÜ-Erdkabel (525 kV) Heide/West (SH) - Polsum (NRW) von Amprion: Stand: Raumordnungsverfahren/Bundesfachplanung. Inbetriebnahme laut BNA 2031.
- Suchraum Pöschendorf-Hemmoor-Alfstedt (Tennet): Vorgesehen ist der Neubau einer 380-kV-Doppelleitung als Erdkabel zwischen Wewelsfleth (SH) und Freiburg/Wischhafen. (Elbquerung in einem Tunnelbauwerk gebündelt mit SuedLink) und der Neubau als 380-kV-Überlandleitung von Freiburg/Wischhafen in Richtung Hemmoor-Alfstedt. Stand: Bislang noch kein Verfahren.
- Stade-Landesbergen (Tennet): Netzverstärkung und Ausbau zwischen Stade-West und Dollern. Stand: fertiggestellt (380 KV-Leitung und Schaltanlage).
- Dollern - Sottrum (westlich von Bremen): Ersatzneubau einer 380-kV-Leitung für bestehende 220 kV-Leitung Stand: teils genehmigt und in Bau, zwischen Elsdorf und Sottrum fertiggestellt. Sottrum-Landsbergen teils genehmigt, teils im Planfeststellungsverfahren. Geplante Inbetriebnahme laut BNA 2026.
- Netzverstärkung zwischen Brunsbüttel und Stade/West (NordElbe) über Lühesand (TenneT): Ersatzneubau einer 380 kV-Leitung. Stand: Vorbereitung Planungs- und Genehmigungsverfahren.
- Netzverstärkung Hamburg/Ost - Hamburg/Süd - Dollern (Tennet): Ersatzneubau der 380 kV-Leitung. Stand: bisher noch kein Verfahren.
- Elbe-Lippe-Leitung (Tennet): Ersatzneubau einer 380 kV-Leitung neben der in Bau befindlichen 380 kV-Leitung (Ersatz für 220 kV-Leitung) nach Landesbergen (siehe oben). Stand: Trassenvoruntersuchungen, Vorbereitung der Planungs- und Genehmigungsverfahren.
- Netzverstärkung Dollern - Sottrum - Landesbergen (Tennet). Ersatzneubau einer 380 kV-Doppelleitung in bestehender Trasse. Stand: Vorbereitung Planungs- und Genehmigungsverfahren.
- Netzverstärkung Dollern - Elsfleth/West (Elbe-Weser-Leitung) durch Tennet: Ersatzneubau einer 380-kV-Leitung zwischen Dollern – Alfstedt - Schwanewede/Hagen im Bremischen und Elsfleth/West. Stand: im Raumordnungsverfahren/Bundesfachplanung. Inbetriebnahme geplant für 2031.
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