Winsen
Kunstbäckerei als Ort der Begegnung

Die Teilnehmer der Kunstbäckerei haben sichtlich Spaß | Foto: DRK
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Gewaltsame Konflikte, Verfolgung, Hungersnöte und immer häufiger klimabedingte Krisen - die Zahl der Menschen, die ihre Heimat unfreiwillig verlassen müssen, steigt weltweit. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) weist jetzt auf das Schicksal der Menschen hin und zeigt Wege der Hilfe auf. "Die Gründe für eine Flucht sind unterschiedlich, aber eines steht fest: Niemand der flieht, verlässt seine Heimat freiwillig. Deshalb ist es unsere Verantwortung, diesen Menschen in ihrer Notlage zu helfen, egal ob auf der Flucht oder nach der Ankunft in Deutschland“, sagt DRK-Generalsekretär Christian Reuter.

Im Herzen von Winsen befindet sich die Kunstbäckerei. Der Name kommt nicht von ungefähr: Der große Kreativraum diente früher als Backstube der Bäckerei Rundt in der Bahnhofstraße. Auf den etwa 150 Quadratmetern stehen nun keine Öfen mehr und es liegt auch kein Gebäckduft mehr in der Luft. Stattdessen finden sich hier zwölf Maltische, gemütliche Sitzecken, ein Fotostudio, Kleiderständer, gefüllt mit bunter Mode der vergangenen 70 Jahre, Musikinstrumente, Gesellschaftsspiele und Regale gefüllt mit allem, was man fürs Kreativsein benötigt. Seit 2021 wird hier gemalt, gebastelt, musiziert, gebatikt, getanzt, gestickt, gefilmt, fotografiert, gesprayt, gespielt, Theater geprobt, Erste Hilfe geübt, Deutsch gelernt, "Kino“ veranstaltet und mithilfe der Fantasie um die Welt gereist.

Finanziert wurde das Kunstprojekt zwei Jahre lang vom Bundesverband des DRK. Vorrangiges Ziel war in dieser Zeit die Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund in die Mehrheitsgesellschaft. Die Erwartungen an das Projekt wurden übertroffen. Nicht nur hat sich ein wöchentlich stattfindender Spieleabend etabliert, es entstanden auch mehrere Malgruppen, die sich regelmäßig zum Ausleben ihrer Kreativität treffen. Dabei waren die meisten Teilnehmer zunächst unsicher, ob sie überhaupt etwas zu Papier bringen würden. Der Satz "Ich kann nicht malen“ war häufig zu hören. Doch der Spaß am Experimentieren und am Erproben unterschiedlichster Maltechniken führte am Ende oft zu erstaunlichen Ergebnissen. Dabei lag der Schwerpunkt jedoch immer auf dem Prozess und weniger auf dem finalen Bild.

Die Ruhe beim Malen, die Gespräche untereinander über Alltagsprobleme, aber auch über die künstlerische Arbeit lösten in den Teilnehmern jedes Mal Glücksgefühle aus. "Ach, ich gehe jedes Mal total beseelt aus diesem Raum“, sagte eine ehemalige Gymnasiallehrerin einmal nach der Frauenmalgruppe. Kulturelle Unterschiede werden als Stärke wahrgenommen. Man tauscht sich über Traditionen und Sprichwörter aus. „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? Bei uns in Syrien heißt es: Lieber einen Vogel in der Hand als zehn auf dem Baum, aber gemeint ist das Gleiche“, stellte Amman fest und nutze das Motiv für ihr nächstes Bild, auf dem sie das arabische Sprichwort auf Deutsch und das deutsche auf Arabisch schrieb. Vorkenntnisse sind keineswegs erforderlich. Joel aus Ruanda äußerte zunächst fast ängstlich: „Ich weiß nicht, wie man Farben mischt.“ Doch nachdem ihm gezeigt wurde, wie er die Acrylfarben auf der Palette miteinander vermengt, legte er sofort mit dem Malen los. Ein paar Wochen später hatte er seine ersten Kunstwerke fertiggestellt, die verschiedene Motive aus der Kultur seines Landes zeigten. Gemeinsam mit seinem Freunden, die ebenfalls an ihren Bildern arbeiteten, besprach er mögliche Gestaltungsoptionen und gab seinerseits Anregungen zu den entstehenden Kunstwerken der anderen Teilnehmer. „Diese Figuren zeigen einen traditionellen afrikanischen Tanz“, sagte er einmal. „Hier in Winsen haben wir auch traditionelle Tänze. Volkstanz ist aber nicht wirklich verbreitet. Sollen wir euch das mal zeigen?“, fragte die Leiterin des Kunstprojektes, Nele Hobst, die jungen Männer aus der Mitte von Afrika, die sofort aufsprangen und begeistert die Holsteiner Dreitour tanzten.

Ob Theaterstücke, Musikabende, Fotoshootings, Aktivitäten mit Schulklassen, Geburtstage oder Junggesellinnenabschiede: Die Kunstbäckerei hat schon viel erlebt und wird ihren Nutzen in Zukunft sicherlich noch weiter unter Beweis stellen. Geleitet und durchgeführt werden alle Aktionen ehrenamtlich von Nele Hobst (Jahrgang 1988) und Susanne Brüggemann (Jahrgang 1954), die bereits seit 1997 im DRK Winsen aktiv sind und als (ehemalige) Lehrerinnen an Brennpunktschulen schon immer die Integration aller Menschen im Blick hatten. Seit 2014 sind sie in der Flüchtlingsarbeit aktiv. „Es ist wichtig, dass den ankommenden Personen die Möglichkeit gegeben wird, ihre neu erworbenen Deutschkenntnisse in der Praxis anzuwenden. Das passiert nicht, wenn sie den ganzen Tag in ihrer Flüchtlingsunterkunft verbringen und nur mit Menschen zusammen sind, die ebenfalls kein Deutsch sprechen“, sagt Nele Hobst. Integration setzt Angebote der Gesellschaft voraus, an denen jeder teilnehmen kann und bei denen jeder willkommen ist. Rassismus ist nach wie vor ein Problem, auch in Winsen. Doch auf der anderen Seite gibt es auch eine riesige Hilfsbereitschaft und eine Menge aufgeschlossener Menschen, die sich um eine gute Integration und ein gewinnbringendes Miteinander bemühen. „Schlechte Einstellungen und Verhaltensweisen gibt es überall. Man sollte sich jedoch vor Verallgemeinerungen hüten, um den Blick für das Positive nicht zu verlieren und um die wertvollen Menschen nicht zu übersehen, die unter uns leben“, so Susanne Brüggemann. Bisher wurden über 250 Kinder und etwa 120 Jugendliche und Erwachsene mit dem integrativen Projekt erreicht. Die Teilnehmenden kamen und kommen aus Syrien, Pakistan, dem Iran, dem Irak, Afghanistan, Burundi, Ruanda, der Ukraine, der Türkei, dem Libanon, Griechenland, Albanien, Rumänien, Kolumbien, dem Kongo und aus Deutschland. Die Teilnahme an den vielfältigen Angeboten ist kostenlos. Für Schulklassen und nicht regelmäßig stattfindende Aktionen wie Geburtstage, Junggesellenabschiede oder das Ferienprogramm des Egon’s werden lediglich die Materialkosten in Rechnung gestellt. Die Kunstbäckerei finanziert sich allein durch Spenden und ist beim Verbrauch immer sehr auf Sparsamkeit und Nachhaltigkeit bedacht. Die Liste der Aktivitäten ist lang und zeigt welches große Engagement dahintersteckt.

Wer sich über die Kunstbäckerei in Winsen informieren möchte, kann sich an Nele Hobst unter N.Hobst@drk-lkharburg.de wenden.

Redakteur:

Thomas Lipinski aus Winsen

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