"Unsere Oberschule wird ausbluten!"
Offener Brief von Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler zur Schulentwicklung im Landkreis Harburg

Dirk Seidler appelliert an alle Kreistagsmitglieder, den Elternwillen aller weiterführenden Schulen zu erfragen und erst unter Berücksichtigung aller Argumente (auch der wirtschaftlichen Erwägungen) eine abschließende Entscheidung zur Zukunft der Schulstandorte zu fällen | Foto: lm
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JOBS und KARRIERE

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as. Nenndorf. Die Oberschule Rosengarten soll nicht zu einer IGS umgewandelt werden - das hatte der Schulausschuss des Landkreis Harburg im Rahmen der Schulentwicklung empfohlen. Kritik daran äußert unter anderem Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler. Sein Vorwurf: Die für die Entscheidung zugrunde gelegten Fakten sind nicht korrekt. 

Am heutigen Mittwoch soll der Kreistag entscheiden, wie die Schullandschaft im Landkreis Harburg zukünftig gestaltet wird, wo aus einer Oberschule eine IGS oder ein Gymnasium wird. Dirk Seidler appelliert an alle Kreistagsmitglieder, den Elternwillen aller weiterführenden Schulen zu erfragen und erst unter Berücksichtigung aller Argumente (auch der wirtschaftlichen Erwägungen) eine abschließende Entscheidung zur Zukunft der Schulstandorte zu fällen. Rosengartens Bürgermeister wendet sich mit einem Offenen Brief an Landrat Rempe und die Mitglieder des Kreistags:

Sehr geehrter Herr Landrat Rempe, verehrte Kreistagsmitglieder,
der Verwaltungsausschuss hat mich in seiner letzten Sitzung beauftragt, die Umwandlung der Oberschule
Rosengarten in eine Integrierte Gesamtschule (IGS) bei Ihnen einzufordern. Diesem Auftrag möchte ich mit
diesem Schreiben gerne nachkommen.

In der bisherigen Diskussion, wurde immer der Wert des Elternwillens hervorgehoben. Eine grundsätzliche
Befragung aller Eltern vermisse ich jedoch. Nur so kann ein umfassendes Meinungsbild vom Elternwillen in
Erfahrung gebracht werden. Die Befragung nur in den Schulen, für die eine Änderung angedacht ist, kommt
hier viel zu kurz. Da stellt sich die Frage nach Eltern erster und zweiter Klasse. Die bisher vorgebrachte
Argumentation, man wolle keine unerfüllbaren Erwartungen wecken greif meines Erachtens nicht. Sämtliche
Eltern der Oberschulen sind zu befragen, dies gebietet schon das Gebot der Fairness.

Zum Gebot der Fairness zähle ich auch, dass den Kreistagsmitgliedern korrekte Angaben zu den Standorten
gegeben werden. 

Leider wurden den Kommunen die im Schulausschuss vorgestellte Präsentation erst im Nachhinein zur
Verfügung gestellt. Bei der Durchsicht musste ich leider feststellen, dass hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen worden ist, im wahrsten Sinne des Wortes.

Während im "Factsheet" zur SG Hollenstedt (9.4) die Entfernung zu Buchholz offenbar vom Standort der
Oberschule gerechnet worden ist (15 Kilometer), wurde die Entfernung Zwischen der Oberschule Rosengarten und Buchholz offenbar vom äußersten nördlichen Rand der Gemeinde gemessen (9.7). Nur so kommen 18 Kilometer zu Stande. Fakt ist, dass die Oberschule Rosengarten vom Bahnhof von Rosengarten gemessen lediglich 9 Kilometer entfernt liegt. Ortsteile wie Dibbersen liegen in einer Entfernung von weniger als 4 Kilometern zum Schulstandort Rosengarten. 
In dem sogenannten "Factsheet" wurde also suggeriert, dass Hollenstedt von Buchhols aus leichter und kürzer zu erreichen wäre. Dies führt automatisch zu einer weiteren Schwäche, der von der Arbeitsgruppe vorgelegten Untersuchung.

Es fehlen belastbare Darstellungen zu den Schülerbeförderungs- und Investitionskosten für die jeweiligen
Lösungen. Bisher sollten die Ergebnisse der Untersuchungen ganzheitlich, also auch im Hinblick auf die
Wirtschaftlichkeit abgebildet werden. Schülertransportkosten stellen dabei eine nicht unerhebliche Größe dar. 
Diese Betrachtungsweise ist in der Arbeitsgruppe jedoch vollkommen ausgeblendet worden. In Rosengarten
sprechen die Anmeldezahlen bei den weiterführenden Schulen klare Worte. Die Masse der Schülerinnen und
Schüler wird nicht in der Oberschule angemeldet, sondern bei den Integrierten Gesamtschulen oder Gymnasien in den Nachbarkommunen. Als Grund geben die Eltern in der Regel das fehlende IGS-Angebot an. Damit wird die Schülerbeförderung künstlich nach oben getrieben und unnötig Steuergelder eingesetzt. Zudem schmälern längere Busfahrzeiten das den Schülerinnen und Schüler zu Verfügung stehende Zeitbudget für Freizeit und Hobbys. 

Im Gutachten von Biregio, das im Juni 2020 vorgelegt worden ist, wurde zudem deutlich, dass weitere IGS-Standorte um Rosengarten herum zu einer verstärkten Abwanderung von Schülerinnen und Schülern führen
wird, die bisher an anderen IGS-Standorten wegen fehlender Plätze abgelehnt worden sind. Damit wird der
Standort Rosengarten "ausbluten", damit wird auch der Oberschulstandort mittelfristig gefährdet sein. Ein
gymnasiales Angebot in den Klassen 9 und 10 kann derzeit mit 7 bzw. 14 Schülerinnen und Schülern auch nur noch mit Mühe aufrecht erhalten werden. Die vom Land geforderten Schülerzahlen für ein gymnasiales
Angebot werden also jetzt schon nicht erreicht. Wenn hier zu wenige lernstarke Schülerinnen und Schüler
vorhanden sind, wird dieses Angebot sicherlich gestrichen werden müssen, was zu einer weiteren
Unattraktivität der Oberschule führen wird.

Die Qualität einer Schule wird darüber hinaus auch von der Personalausstattung bestimmt. Integrierte
Gesamtschulen werden vom Land besser mit Funktionsstellen ausgestattet. Hier sind die Jahrgangsleitungen anzuführen, die es in einer Oberschule nicht gibt oder auch ein verbessert ausgestatteter Verwaltungsbereich.
In IGS-Standorten wird eine Schulassistenz eingesetzt. Dieses Personal gibt es in Oberschulen nicht. Hier
müssen Lehrkräfte diese Aufgabe übernehmen, was von der pädagogischen Arbeit abzuziehen ist. Auch dies
ist den Eltern bewusst und entscheidet auch über die Schulwahl.

Beim Thema Inklusion gibt es offenbar auch erhebliche Differenzen zwischen den Schulformen. Bei den
sonderpädagogischen Bedarfen werden bei den Oberschulen mindestens 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler betreut. In den Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien liegt diese Quote deutlich niedriger. Während Gymnasien und Integrierte Gesamtschulen wegen der begrenzten Plätze eine Schülerauswahl treffen können, müssen die Oberschulen alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen. Den Oberschulen gehen damit insbesondere die leistungsstärksten Schülerinnen und Schüler verloren. Auch dies bleibt den Eltern nicht verborgen und wird bei der Schulwahl berücksichtigt.

Die Gemeinde Rosengarten appelliert daher an alle Kreistagsmitglieder den Elternwillen aller weiterführenden Schulen zu erfragen und erst unter Berücksichtigung aller Argumente (auch der wirtschaftlichen Erwägungen) eine abschließende Entscheidung zur Zukunft der Schulstandorte zu fällen.

Dirk Seidler,
Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten

Dirk Seidler appelliert an alle Kreistagsmitglieder, den Elternwillen aller weiterführenden Schulen zu erfragen und erst unter Berücksichtigung aller Argumente (auch der wirtschaftlichen Erwägungen) eine abschließende Entscheidung zur Zukunft der Schulstandorte zu fällen | Foto: lm
Seidler befürchtet, dass weitere IGS-Standorte um Rosengarten herum zu einer verstärkten Abwanderung von Schülerinnen und Schülern führen wird, die bisher an anderen IGS-Standorten wegen fehlender Plätze abgelehnt worden sind. 
Damit werde der Standort Rosengarten "ausbluten" und damit auch der Oberschulstandort mittelfristig gefährdet sein
Redakteur:

Anke Settekorn aus Jesteburg

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