Fahrschulen üben Kritik am Landkreis Stade
Fahrprüfung bestanden, aber kein Führerschein
tk. Stade. Vor Corona übliche und in aller Regel funktionierende Praxis: Wer seine praktische Fahrprüfung bestanden hatte, bekam unmittelbar danach seinen Führerschein vom TÜV-Prüfer ausgehändigt. "Zwölf Schüler haben bei einem Prüfungsblock Mitte September bestanden, aber nur zwei Führerscheine waren tatsächlich da", sagt ein Fahrlehrer* aus Stade. Die übrigen Prüflinge mussten sich bei der Führerscheinstelle im Straßenverkehrsamt des Landkreises in Stade telefonisch einen Termin besorgen, um ihren Führerschein dort abzuholen. Ein Fahranfänger soll nach Auskunft des Fahrlehrers im Dezember, einer sogar erst im Januar 2021 einen Termin bekommen haben. Für den Stader ein unhaltbarer Zustand. "Nach bestandener Prüfung sollen die jungen Verkehrsteilnehmer sofort fahren, um Praxiserfahrung zu sammeln."
Der Landkreis weist diese Kritik allerdings zurück. Dezernentin Nicole Streitz. "Das funktioniert bei uns." Wenn der Führerschein nicht direkt nach der Prüfung vorliege, gebe es nach telefonischer Vereinbarung spätestens am Folgetag einen Termin. Aber: Das WOCHENBLATT hat bei drei weiteren Fahrschulen nachgefragt. Antwort unisono: Vier bis sechs Wochen Wartezeit auf den Lappen sind seit Corona gängige Praxis. Und: Alle vier Fahrschulen aus dem Landkreis Stade bestätigen auch, dass es nicht sofort am Tag nach der Prüfung einen Termin zur Aushändigung des Führerscheins gebe.
Der Stader Fahrlehrer ist über diese gravierende Verschlechterung im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten erbost. "Allein, um einen Termin mit der Führerscheinstelle zu vereinbaren, müssten die Betroffenen eigentlich einen halben Tag Urlaub nehmen." Es sei nicht einfach, telefonisch durchzukommen.
"Eltern motzen bei uns
und nicht beim Landkreis"
Die Fahrschulen berichten dem WOCHENBLATT auch, dass es für sie eine Möglichkeit gibt, ihren erfolgreichen Prüflingen die heiß begehrte Fahrerlaubnis schnell zukommen zu lassen. Sie holen die Führerscheine selbst in Stade beim Straßenverkehrsamt ab. "Ich mache das, weil die wütenden Eltern der Ex-Schüler bei mir und nicht beim Landkreis auf der Matte stehen", sagt ein Fahrlehrer. Und eine Kollegin ergänzt: "Das ist eine Dienstleistung, die wir notgedrungen und ohne Bezahlung derzeit erbringen müssen."
Der Stader Fahrlehrer erklärt, dass es beim Fehlen des richtigen Führerscheins nach bestandener Prüfung die Möglichkeit gebe, eine vorläufige Fahrerlaubnis zu beantragen. Die gilt für drei Monate und kostet 7,70 Gebühr. Allerdings werden auch diese provisorischen Papiere nicht mit der Post verschickt, so der Fahrlehrer. Was hinzukommt: Die Fahrschüler haben ihre Gebühr zur Erteilung des Führerscheins bereits bezahlt. Wenn die 7,70 Euro berappt werden müssen, werde doppelt abkassiert.
Die Probleme
sind behoben
Für Landkreis-Dezernentin Nicole Streitz sind diese Vorwürfe allesamt nicht haltbar. Sie habe gründlich im Straßenverkehrsamt recherchiert und habe keinen einzigen Fall einer wochenlangen Wartezeit für die Aushändigung des Führerscheins gefunden. Es habe nur bis Anfang September Probleme gegeben, doch die seien behoben worden, indem ein weiterer Schalter geöffnet wurde. Der Extremfall, dass es nach bestandener Prüfung im September einen Termin zur Führerscheinabholung erst im Januar gegeben habe, könne gar nicht sein. "Für Januar haben wir noch keine Termine vergeben", sagt Streitz.
Allenfalls könne es bei Doppelklassen, zum Beispiel Auto und Motorrad, Probleme geben, wenn beide Klassen auf einem Führerschein enthalten sein sollen. Dann, so Streitz, gebe es den Führerschein natürlich erst, wenn die zweite Prüfung erfolgreich bestanden sei. Der Fahranfänger könne aber einen vorübergehenden Führerschein bekommen.
TÜV weist den
Schwarzen Peter zurück
"Dafür hätte ich Verständnis", sagt eine Fahrlehrerin, "wenn es nur die Doppelklassen betreffen würde."
Für Nicole Streitz passt die Kritik der Fahrschulen und das Ergebnis ihrer internen Recherche "nicht zusammen". Sie ist überzeugt, dass der Service in der Führerscheinstelle funktioniert. Probleme könnte es vielleicht beim TÜV Nord geben, der die Prüfungen abnimmt und anschließend die Führerscheine aushändigen soll. Der TÜV, das ist geübte Praxis, bekommt die Führerscheine aus der Bundesdruckerei, nachdem der Landkreis die Zulassung zur Fahrprüfung bejaht hat.
TÜV-Nord-Sprecher Rainer Camen nimmt den Schwarzen Peter allerdings nicht an. Nach Rücksprache mit den Mitarbeitern vor Ort sagt er: "Wir händigen die Führerscheine aus. Wenn sie nicht da sind, liegt das nicht in unserer Verantwortung."
Ein weiterer Fahrlehrer hat nach Gesprächen mit Mitarbeitern aus dem Straßenverkehrsamt erfahren: "Die hängen mit der Bearbeitung vieler Anträge weit zurück." Das betreffe auch die Anträge, die vor der Fahrprüfung bearbeitet werden müssen.
* Namen der Fahrschulen sind der Redaktion bekannt
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Was sind Ihre Erfahrungen?
(tk). Vier Fahrschulen erheben unabhängig voneinander Kritik am Landkreis. Es dauere mittlerweile viele Wochen, bis Führerscheine nach bestandener Prüfung ausgehändigt werden. Der Landkreis wiederum weist diese Kritik zurück. Sie stimme nicht.
Was sind Ihre Erfahrungen? Mussten Sie auf Ihren Führerschein lange warten, gibt es aktuell Probleme bei der Terminvergabe im Straßenverkehrsamt?
Schreiben Sie uns an thomas.kreib@kreiszeitung.net.
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