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Dramatische Überflutungsszenarien
Klimawandel und steigender Meeresspiegel: Wie sicher ist die Elbmündung?

Foto: OpenTopoMap/jd

An der Unterelbe hat die Sturmflutsaison begonnen. Im Landkreis Stade wird das Hochwassergeschehen an den Elbdeichen mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels wächst das Bewusstsein für die Risiken, die auf die Region zukommen. Zwei Studien aus Hamburg machen deutlich, wie stark die Elbmündung in den kommenden Jahrzehnten unter Druck geraten könnte. Eine Analyse der HafenCity Universität (HCU) zeigt auf, welche Landflächen durch die steigenden Wasserpegel bedroht sein könnten. Und das Institut für Wasserbau der TU Hamburg geht in seinem Projekt "TideelbeKlima" auf mögliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz ein. 

Die Folgen des steigenden Meeresspiegels
Auch wenn die Elbdeiche das Hinterland derzeit noch verlässlich schützen, warnen Fachleute davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Das Projekt "TideelbeKlima" simuliert Meeresspiegelanstiege von 30 Zentimetern bis 2050, einem Meter bis 2100 und bis zu zwei Metern bis zum Jahr 2200. Diese Entwicklungen verlaufen laut Projektleitung nicht linear – vielmehr beschleunigen sie sich. Das bedeutet: Selbst bei moderatem Anstieg könnte es an einzelnen Stellen bereits vor 2050 zu Überströmungen der Deiche kommen, sollten diese nicht entsprechend erhöht werden. 

Was wäre wenn? Deichbruch an der Elbe als Katastrophen-Szenario

Drei Zukunftsszenarien – und ihre Folgen für die Elbmündung
Die Studie der HCU Hamburg ergänzt diese Prognosen durch konkrete räumliche Szenarien für Norddeutschland. Sie zeigt, welche Flächen überflutet würden – abhängig davon, wie stark der Temperaturanstieg weltweit ausfällt und ob der Küstenschutz standhält. Die HCU hat drei Klimaszenarien entworfen, die mögliche Entwicklungen bis 2100 simulieren:

Dabei wird "durchgespielt", was passiert, wenn moderate Maßnahmen zum Klimaschutz (Szenario 1) ergriffen werden, gar nichts in Sachen Klimaschutz passiert (Szenario 2) oder alles noch schlimmer kommt als befürchtet (Szenario 3). Dieses dritte Szenario stellt den "Worst Case" dar und basiert auf aktuellen Daten zum Abschmelzen des grönländischen und antarktischen Eisschilds sowie zu auftauendem Permafrost. Der Meeresspiegel könnte sich stärker erhöhen als bislang angenommen. Mehr als 18.000 Menschen, die an den Küsten leben, wären direkt betroffen.

Bei allen drei Szenarien wird davon ausgegangen, dass der Küstenschutz durch entsprechende Maßnahmen (z. B. Deicherhöhungen) angepasst wird. Ohne adäquaten Schutz der Küsten wären die Folgen geradezu dramatisch. Dann würden große Bereiche (ca. 9.000 Quadratkilometer) entlang der Nordseeküste dauerhaft überflutet – in den Marschgebieten bis weit ins Landesinnere hinein. Mehr als 600.000 Menschen müssten in Sicherheit gebracht werden.

Ein Mega-Sperrwerk für die Elbe?

Kehdingen und Altes Land unter Wasser
Auch der Landkreis Stade wäre in einem erheblichen Maß betroffen. Selbst beim moderaten Szenario 1 würde das gesamte Gebiet bis zur Geestkante in den Fluten versinken. Kehdingen, Krautsand und das Alte Land stünden dann unter Wasser. Aus diesem Grund kann nicht oft genug betont werden, von welch elementarer Bedeutung die Erhöhung der Hauptdeichlinie entlang der Elbe ist. Stades Landrat Kai Seefried und die Vertreter der Deichverbände haben in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass der Deichbau in den kommenden Jahren zügig vorangetrieben werden muss.

Brandbrief an Hamburg wegen des Este-Sperrwerks

Konzepte für den Hochwasserschutz der Zukunft
Doch sind höhere Deiche das Allheilmittel? Das Projekt "TideelbeKlima" stellt ein breites Spektrum an weiteren Strategien vor, wie der Hochwasserschutz im 21. Jahrhundert gedacht werden muss. Die Forscher gegen davon aus, dass in Zukunft klassischer Deichbau allein nicht mehr ausreichen wird. Folgende Maßnahmen sind denkbar: 

Flutpolder und Raum für Wasser
Kontrolliert überflutbare Polderflächen, die im Sturmflutfall Druck vom Deich nehmen und als ökologische Rückzugsräume fungieren, könnten auch im Umfeld der Unterelbe sinnvoll sein. Ziel ist es, dem Wasser gezielt Raum zu geben, anstatt es ausschließlich abzuwehren.

Deichrückverlegungen
Durch Rückverlegung einzelner Deichlinien entstehen neue sogenannte Retentionsräume (Flächen, die bei Hochwasser überflutet werden). Das bedeutet Eingriffe in bestehende Nutzungsstrukturen – senkt aber die Hochwassergefahr im Binnenland. Dabei muss die bestehende Deichlinie zurückverlegt werden. 

Technische Verstärkungen
Besonders gefährdete Bereiche wie Industrieansiedlungen in Bützfleth oder Hafenanlagen in Stadersand müssen durch modernisierte Schutzbauwerke gesichert werden – dabei sind neue Materialien und Konstruktionen gefragt.

Punktuelle Groß-Sperrwerke
Großtechnische Bauwerke wie ein Elbe-Sperrwerk - entweder flussaufwärts in Höhe von Wedel oder direkt an der Elbmündung bei Friedrichskoog - sind denkbar. Solche Flutbollwerke, die eine ähnliche Funktion wie die niederländischen Deltawerke als größte Sturmflutwehr der Welt haben, wären in der Konstruktion extrem aufwändig und mit erheblichen Eingriffen in die Ökologie verbunden.

Resilientes Bauen
In tiefliegenden Gebieten könnten künftig nur noch Häuser auf Ständern oder solche mit Rückzugsmöglichkeiten im Obergeschoss genehmigt werden.

Anpassung der Hinterlandentwässerung
Der steigende Meeresspiegel und zunehmender Salzeintrag machen es notwendig, bestehende Entwässerungssysteme neu zu denken. Dazu zählen flexible Sielsysteme, Pumpsysteme und neue Drainagestrategien.

Noch sind die durchgespielten Flut-Szenarien "Zukunftsmusik". Doch was heute als „Extremereignis“ gilt, könnte in wenigen Jahrzehnten zum Normalfall werden. Die Elbe braucht ein Hochwasserschutzsystem, das nicht nur dem nächsten Sturm trotzt – sondern auch den nächsten Generationen Sicherheit bietet.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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