Landtagswahl 2022 - ein Fazit
Drei Frauen machen jetzt Landespolitik für den Kreis Stade
Die Landtagswahl hat die politische Landkarte im Kreis Stade verändert: Sie ist jetzt rot-schwarz gefärbt. Während die SPD-Kandidatin Corinna Lange überraschend den Nordkreis rund um Stade erobert hat, kann sich die Union im Südkreis mit Buxtehude behaupten, wo Birgit Butter (CDU) gewonnen hat. Ein schwarzer Farbtupfer kommt noch hinzu, denn die unterlegene CDU-Bewerberin im Wahlkreis Stade, Melanie Rost-Reinecke, erringt mit ihrem Listenplatz 4 auf der CDU-Landesliste ebenfalls ein Landtagsmandat.
Damit ist der Landkreis Stade künftig durch ein Politikerinnen-Trio in Hannover vertreten. Ob jetzt Frauenpower von der Küste frischen Wind in den Landtag bringen wird, bleibt abzuwarten. Denn alle drei sind landespolitische Neulinge. Die beiden CDU-Frauen, die auch im Kreistag sitzen, verfügen zumindest über langjährige kommunalpolitische Erfahrung - im Gegensatz zu Corinna Lange (SPD), die erst seit der Kommunalwahl 2021 dem Gemeinderat Deinste angehört. Am meisten Erfahrung über den Tellerrand des Landkreises hinaus kann Birgit Butter aufweisen. Sie leitet bereits seit mehr als zehn Jahren die hiesigen Büros der CDU-Bundestagsabgeordneten aus der Region.
Ohnehin dürfte es für den Landkreis Stade schwieriger werden, bei den politischen Entscheidern in Hannover Gehör zu finden. Es wird in Niedersachsen mit ziemlicher Sicherheit zu einer Neuauflage der rot-grünen Koalition kommen. Bei der bisherigen "GroKo" gehörten die drei Abgeordneten aus dem Landkreis Stade den beiden Regierungsfraktionen an. Das wird künftig anders sein: Butter und Rost-Reinecke müssen die Oppositionsbank drücken. Direktes Gehör in den Ministerien wird sich nur Lange verschaffen können - zunächst womöglich nur auf Umweg über ihre Fürsprecherin Petra Tiemann.
Und auch für den auf Landesebene bestens vernetzten Landrat Kai Seefried (CDU) dürfte es jetzt schwieriger werden, mit seinen Anliegen und Themen in Hannover durchzudringen.
Tatsächlich hat diese Landtagswahl hat die politische Landschaft im Landkreis Stade verändert. Die landespolitischen Platzhirsche sind abgetreten. Bei der Wahl ging es in den Wahlkreisen Buxtehude und Stade um die Nachfolge der langjährigen Mandatsträger Helmut Dammann-Tamke und Kai Seefried (beide CDU). Hier ein kleiner Überblick über beide Wahlkreise:
SPD holt mehr Zweit- als Erststimmen
Für die CDU hält das Wählervotum im Wahlkreis Buxtehude Licht und Schatten bereit: Birgit Butter siegte bei den Erststimmen (35,54 Prozent) knapp vor Matthias Mittlmejer (SPD, 31,18). Doch bei den Zweitstimmen lag die SPD mit 31,24 Prozent knapp vor der CDU mit 30,51.
14,91 Prozent bei den Zweitstimmen für die Grünen zeigt: Buxtehude wählt - und das stabil seit Jahren von der Kommunal- bis zur Europawahl - rot-grün. Die Zeiten einer sicheren CDU-Hochburg sind im Wahlkreis 55 passé. Was übrigens mit Blick in die Zukunft eine interessante lokalpolitische Frage aufwirft: Werden SPD und Grüne bei der nächsten Bürgermeisterwahl gemeinsam mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin antreten? Das Wählerpotenzial ist da. Zu den Gewinnern der Landtagswahl im Wahlkreis 55 zählt auch die AfD: Mehr als zehn Prozent bei den Erst- und Zweitstimmen. 2017 warten es lediglich etwas mehr als sechs Prozent. Die Zahl der Denkzettel-Wähler hat sich signifikant erhöht.
Im Wahlkreis Buxtehude spielen FDP und Die Linke auf landespolitischer Ebene keine Rolle. Linken-Dauerkandidat Benjamin Koch-Böhnke holte 2017 noch 4,14 Prozent der Erstimmen, jetzt nur noch 3,32. Beispiel FDP: Die hat ihren Stimmenanteil von 8,03 auf jetzt 4,56 bei den Zweitstimmen fast halbiert.
Birgit Butter ist über ihren Wahlsieg - "entgegen dem Landestrend" - erfreut. Dass sie auf den Oppositionsbänken landet, ärgert sie. "Ich kann weniger gestalten, als ich mir vorgenommen habe." Die kommenden fünf Jahre wird die Christdemokratin nutzen müssen, Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern aufzubauen - aus der Opposition heraus. Von den 44,03 Prozent der Erststimmen, die Helmut Dammann-Tamke, dem sie in Hannover nachfolgt, eingefahren hat, ist Butter noch meilenweit entfernt.
Wahlkreis nach 24 Jahren wieder rot
Es war vielleicht die überraschendste Nachricht am Wahlabend: Der Wahlkreis Stade ist erstmals seit 24 Jahren wieder rot. 1998 holte Erhard Wolfkühler in diesem Wahlkreis zum letzten Mal das Direktmandat für die SPD. Danach war der Nordkreis rund um die Hansestadt fest in CDU-Hand. Dreimal war Petra Tiemann für die Genossen angetreten - und dreimal unterlag sie Kai Seefried (CDU), der im Herbst 2021 auf den Posten des Landrates gewechselt ist. Nun triumphierte Corinna Lange (SPD) aus Deinste über ihre CDU-Konkurrentin, die Staderin Melanie Rost-Reinecke - wenn auch ziemlich knapp. Lange holte 34,2 Prozent, Rost-Reinecke 32,4 Prozent, der Unterschied macht ungefähr 800 Stimmen aus.
Obwohl die CDU-Kreisvorsitzende Rost-Reinecke stellvertretende Bürgermeisterin in Stade ist und sich in diese Funktion zuletzt auch regelmäßig in der Öffentlichkeit präsentierte, schaffte sie es nicht, in ihrer Heimatstadt zu punkten. In der Stadt Stade unterlag sie mit 28 Prozent deutlich Corinna Lange, die dort 35,1 Prozent holte. Ihren Misserfolg vor allem in der Hansestadt führt Rost-Reinecke u.a. auf den hohen Stimmenzuwachs bei der AfD zurück. Tatsächlich schaffte es die Rechtsaußen-Partei in einigen Stader Stadtteilen wie Haddorf, Wiepenkathen und Hahle, deutlich über 20 Prozent zu holen. Ein schwaches Trostpflaster dürfte es für Rost-Reinecke sein, dass sie in Langes Heimatkommune Deinste mehr Stimmen als ihre Gegenkandidatin einheimste.
Einzug über die Landesliste
Zunächst war Rost-Reinecke der Frust deutlich anzusehen. Spät am Wahlabend konnte sie sich aber freuen: Da stand fest, dass ihr mit dem Platz 4 auf der CDU-Landesliste ein Mandat im Landtag sicher ist. Damit wird der Wahlkreis Stade - wie schon im Fall von Seefried und Tiemann - wieder mit zwei Abgeordneten vertreten sein - diesmal nur in umgekehrter Konstellation. Sowohl Lange als auch Rost-Reinecke haben erklärt, ihre kommunalpolitischen Mandate zu behalten. "Das ist die notwendige Erdung, um mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu bleiben", sagt Rost-Reinecke, die sich inzwischen trotz aller Enttäuschung wieder etwas freuen kann.
Freude pur hingegen bei den Genossen: Bei der SPD herrschte angesichts des Erfolges im Wahlkreis Stade geradezu Jubelstimmung. "Ich bin stolz wie Bolle", verkündete Langes politische Ziehmutter Tiemann. Sie sei so glücklich, dass "ein Kind aus meinem Ortsverein" es geschafft habe, in den Landtag zu kommen. Die Grand Dame der Kreis-SPD will ihrem Zögling beim Neustart im Landesparlament mit Tipps zur Seite stehen - "natürlich nur, wenn Corinna das wünscht", so Tiemann.
Für die neuen Landtagsabgeordneten gab es nur eine kurze Verschnaufpause nach dem Wahlkampf. Die neue CDU-Landtagsfraktion hat sich bereits am Dienstag zu ihrer konstituierenden Sitzung in Hannover getroffen. (jd/tk)
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