Attacken zu Silvester
Rettungsdienste wollen keine Bodycams

Ein Polizeibeamter im Landkreis Harburg trägt während eines Einsatzes eine mobile Körperkamera | Foto: bim
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Mit ihrer Forderung nach der Ausrüstung von Rettungskräften mit Körperkameras (Bodycams) und Minikameras in Einsatzfahrzeugen (Dashcams) spricht die CDU Niedersachsen an den Bedürfnissen von Feuerwehr und Hilfsorganisationen vorbei. Sprecher von Feuerwehren, Deutschem Roten Kreuz (DRK) und Johannitern in den Landkreisen Harburg und Stade jedenfalls sehen in der Ausstattung ihrer Einsatzkräfte mit Bodycams keinen Sinn. Das machten sie auf WOCHENBLATT-Nachfrage deutlich. 

Nach Attacken auf Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Sanitäter in der Silvesternacht in Deutschland erhob die CDU die Forderung nach Bodycams für Bevölkerungsschützer. Rettungskräfte und Feuerwehren sollen demnach nicht flächendeckend ausgestattet werden. "Die Entscheidung über den Einsatz soll bei den Einsatzkräften liegen. Je nach Einsatzlage und Einsatzgeschehen sollen Bodycams und Dashcams, die deeskalierend wirken und Beweise sichern können, eingesetzt werden", sagte André Bock, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag, dem WOCHENBLATT. Mit einem Antrag wolle die CDU die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. 

Eine Bodycam kostet laut André Bock aktuell 378,50 Euro, eine Dockingstation 749,18 Euro. Insgesamt habe die Polizei des Landes Niedersachsen seit der Einführung 883 Bodycams und 256 Dockingstations beschafft.

Die CDU bekräftigte die Forderung nach Kameras für Rettungskräfte in dieser Woche. Das Landesparlament in Baden-Württemberg diskutierte in dieser Woche darüber. Auffällig dabei: Die Rettungsorganisationen kommen öffentlich nicht zu Wort.

Warum Rettungsdienste Zweifel an der Ausrüstung von Sanitätern mit Körperkameras haben, erklärt Thomas Grambow, DRK-Geschäftsführer im Landkreis Harburg. Rettungskräfte, die sich um Verletzte kümmern, betreten bei Einsätzen in den meisten Fällen private Räume. "Welche Bilder würden sie mit den Kameras produzieren?", fragt er und beantwortet die Frage selbst: "Wir würden Aufnahmen von Verletzten und Kranken zeigen."

Es sei Sanitätern im Einsatz nicht zuzumuten, sie umgebende Menschen zu filmen. Aufnahmen zur Strafverfolgung zu produzieren, sei Aufgabe der Polizei, sagt Grambow. "Eine Bodycam bietet keinen Schutz", gibt er zu bedenken.

"Der Bundesverband der Johanniter-Unfall-Hilfe bewertet den Einsatz von Body- und Dashcams als nicht zielführend", sagt Alexander Knoop, Johanniter-Regionalvorstand im Landkreis Harburg. Studien würden bisher keinen gewaltpräventiven Effekt von Bodycams belegen. "Vielmehr besteht die Gefahr, durch direkte Beweissicherung und die dadurch vermittelte Nähe zu Strafverfolgungsbehörden weitere Gewalt zu provozieren", warnt Alexander Knoop. 

Im ländlichen Raum sieht der Kreisbrandmeister im Landkreis Harburg, Volker Bellmann, keinen Bedarf, Feuerwehrleute bei Einsätzen mit Körperkameras auszurüsten. Im Kommando der Kreisfeuerwehr sei das bisher kein Thema gewesen. Als sinnvoll könnten sich Minikameras in Einsatzfahrzeugen erweisen, sagt  Volker Bellmann. Nicht, um möglicherweise Attacken auf Einsatzkräfte zur Strafverfolgung zu filmen, sondern um Blockierer von Rettungsgassen zu dokumentieren und solche Fälle zu ahnden.

Feuerwehrleute müssten sich zwar bei Straßensperrungen mittlerweile Beleidigungen anhören. Diese Fälle von verbalen Entgleisungen seien aber kein Grund, Feuerwehrleute mit Bodycams auszurüsten, sagt auch der Kreisbrandmeister im Landkreis Stade, Peter Winter. Kameras könnten die Eskalationsstufe nach oben schrauben, befürchtet er. Allenfalls bei "bestimmten Schadenslagen", in denen den Einsatzkräften eine Konfrontation droht, könnte sich Peter Winter ausnahmsweise den Einsatz einer Bodycam vorstellen. 

Was Feuerwehrleute  nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht begrüßen würden, bringt Matthias Köhlbrandt, Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Seevetal, zum Ausdruck: "Ich wünsche mir, dass Gerichte Täter, die bei Attacken auf Rettungskräfte ermittelt wurden, so hart bestrafen, wie es die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen bereits zulassen." Als Zeichen der Gesellschaft, dass sie Angriffe auf Rettungskräfte nicht dulde. 

Bis auf einen Test bei der Kreisfeuerwehr Northeim spielen Bodycams in anderen Kreisen und Städten in Niedersachsen keine Rolle. Das geht aus einem Bericht auf kreiszeitung.de aus dem vergangenen November hervor. „Der Nutzen zum Einsatz derartiger Bodycams drängt sich für Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungseinsätze derzeit nicht auf", zitiert das Nachrichtenprotal einen Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. 

In den meisten Fällen bei den Attacken auf Bevölkerungsschützer zu Silvester in Niedersachsen waren Polizeibeamte betroffen - nicht Rettungsdienste und Feuerwehr. Das geht aus einer Antwort des Landesinnenministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hervor. Demnach seien 73 Fälle in Niedersachsen in der Zeit vom 31. Dezember 2022 bis 2. Januar 2023 erfasst worden: In 69 Fällen davon richteten sich Angriffe gegen Polizeikräfte und in vier Fällen gegen Feuerwehrkräfte. 36 Polizeibeamte und vier Feuerwehrleute sind dabei leicht verletzt worden.

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Redakteur:

Thomas Sulzyc aus Seevetal

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