Wochenblatt-Sonderthema
Krankenhäuser in Not: Interview mit Landrat Rainer Rempe, Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann und Geschäftsführer Norbert Böttcher

Landrat Rainer Rempe (v. l.), Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann und Geschäftsführer Norbert Böttcher - hier vor dem Anbau des Krankenhauses Buchholz - machen sich für eine gesicherte Zukunft der Krankenhäuser im Landkreis Harburg stark | Foto: Krankenhaus Buchholz
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Nach zwei Jahren maximaler Belastung durch die Corona-Pandemie wartet auf die Krankenhäuser jetzt eine weitere Herausforderung: die exorbitante Preissteigerung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt bereits vor möglichen Leistungseinschränkungen und hat deshalb zu einer Aktionswoche aufgerufen. Welche Probleme die Kliniken haben, was sie kritisieren und wie die Politik sich dazu stellt, ist Thema dieser Sonderseite. Nach zwei Jahren maximaler Belastung durch die Corona-Pandemie wartet auf die Krankenhäuser jetzt eine weitere Herausforderung: die exorbitante Preissteigerung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt bereits vor möglichen Leistungseinschränkungen und hat deshalb zu einer Aktionswoche aufgerufen. Welche Probleme die Kliniken haben, was sie kritisieren und wie die Politik sich dazu stellt ist Thema unserer Sonderseite.

„Es ist überfällig, dass die Bundesregierung endlich handelt“

Interview mit Landrat Rainer Rempe und Norbert Böttcher, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen

Seit Jahrzehnten sichern die Krankenhäuser Buchholz und Winsen im Landkreis Harburg die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Wie wirkt sich die Preisexplosion auf die Situation vor Ort aus? Das WOCHENBLATT hat Landrat Rainer Rempe und Geschäftsführer Norbert Böttcher um eine Stellungnahme gebeten.

WOCHENBLATT: Die Krankenhäuser Buchholz und Winsen sind die medizinischen Schwerpunktversorger im Landkreis Harburg, die Sie, Herr Böttcher, als Geschäftsführer verantwortlich führen. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Lage Ihrer Häuser, Herr Böttcher?

Norbert Böttcher: So wie gegenwärtig wohl alle Krankenhäuser sind wir in einer erheblichen wirtschaftlichen Schieflage. Mit Einnahmen, die noch unter denen von 2019 liegen, sollen wir die gestiegenen Kosten aus den Jahren 2020 und 2021 bezahlen. Das ist nicht möglich.

Norbert Böttcher, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen | Foto: Krankenhäuser Buchholz und Winsen
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WOCHENBLATT: Gibt es nicht so etwas wie eine stille finanzielle Reserve?

Böttcher: Leider nein, nach zwei Jahren Corona-Pandemie, in denen wir Operationen verschoben und Betten, ja ganze Stationen gesperrt haben und in denen bei hohem Krankenstand unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichzeitig der Betreuungsaufwand für die einzelnen Patienten enorm gestiegen ist, sind die Kassen leer. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Großartiges geleistet. Aber aufgrund der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung über Fallpauschalen hatten und haben wir starke Erlösrückgänge. Umso härter trifft uns die Inflation. Jetzt sind wir in einer existenzbedrohenden finanziellen Situation. Die Preisexplosion bei Energie, Medikamenten, Medizinprodukten und Lebensmitteln können wir nicht mehr bewältigen.

Rainer Rempe: Damit stehen unsere Krankenhäuser nicht alleine da. Land auf, Land ab befinden sich die Krankenhäuser in einer wirtschaftlich bedrohlichen Lage, die sie nicht zu verantworten haben.

Landrat Rainer Rempe | Foto: Landkreis Harburg

WOCHENBLATT: Herr Rempe, als Landrat haben Sie sich seit vielen Jahren für eine optimale Gesundheitsversorgung im Landkreis Harburg engagiert. Waren Sie auf die jetzige Krise vorbereitet?

Rempe: Der Landkreis Harburg ist, was die Gesundheitsversorgung angeht, sehr gut aufgestellt: Wir haben zwei kommunale Krankenhäuser, drei kommunale Altenheime, eine kommunale Krankenpflegeschule, daneben ein übergreifendes europagefördertes Ausbildungsnetzwerk für die generalistische Pflegeausbildung und seit sechs Jahren einen zusätzlichen kommunalen Rettungsdienst. Mit der Initiative Stadtlandpraxis versuchen wir darüber hinaus, den Hausärztemangel vor Ort zu bekämpfen. Denn fehlende Hausärzte führen auch zur Überlastung der Notaufnahmen in den Krankenhäusern. Doch jetzt ist unser Handlungsspielraum erschöpft. Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt, jetzt ist der Bund gefordert.

WOCHENBLATT: Können Sie den Krankenhäusern, deren Gesellschafter der Landkreis Harburg ist, nicht mit einem Zuschuss über die Runden helfen?

Rempe: In den vergangenen Monaten hat der Landkreis den Krankenhäusern über zwölf Millionen Euro an Liquiditätshilfe kurzfristig zur Verfügung gestellt. Auch unsere Möglichkeiten sind begrenzt.

WOCHENBLATT: Die Krankenhäuser werden als gemeinnützige GmbH geführt. Könnten Sie nicht, wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch, die Preise für Behandlungen erhöhen, um aus der finanziellen Engpass zu kommen?

Böttcher: Das funktioniert nicht. Die Preise, die wir den Krankenkassen in Rechnung stellen, sind staatlich vorgegeben. Wir haben also keine Chance, unsere Einkommenssituation auf diesem Wege zu verbessern. Für das Jahr 2022 ist bei den Vergütungen aktuell nur ein Preisanstieg von 2,32 Prozent berücksichtigt worden. Die extremen Auswirkungen der Inflation sind in keiner Weise einkalkuliert.

Rempe: Die Verantwortung für die Lösung des Problems liegt allein beim Bund. Der Bundesgesundheitsminister und die Bundesregierung müssen auf die bundesweit dramatische Lage der Krankenhäuser reagieren und nicht nur der Argumentation der Krankenkassen folgen, wenn wir die Funktionsfähigkeit unserer Krankenhäuser aufrechterhalten wollen. In meinen Funktionen als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des niedersächsischen Landkreistags und als stellvertretender Vorsitzender der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) setze ich mich auf allen politischen Ebenen für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein, damit die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit unserer Krankenhäuser auch zukünftig noch gesichert ist.

WOCHENBLATT:
Was konkret fordern Sie?

Rempe: Eine angemessene Vergütung für die Krankenhäuser, die der aktuellen Preisentwicklung gerecht wird. Diese Vergütung muss aus den Beiträgen der Krankenkassen finanziert werden und nicht aus Haushaltsmitteln des Landkreises.

Böttcher: Außerdem muss die Refinanzierung der Pflegekosten gesichert werden.

WOCHENBLATT:
Welche Probleme gibt es dort?

Rempe:
Der Kabinettsentwurf des Finanzstabilisierungsgesetzes für die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sieht vor, dass pflegerische Tätigkeiten qualifizierter Beschäftigter, die nicht über eine klassische Pflegeausbildung verfügen, künftig im Pflegebudget nicht mehr berücksichtigt, also von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt werden. Mit ihrer Kompetenz leisten gerade auch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen wichtigen Beitrag zur Patientenversorgung. Vor dem Hintergrund des jetzt schon gravierenden Fachkräftemangels verkennt eine solche Regelung vollständig die Lebenswirklichkeit.

Böttcher:
Diese Regelung bedeutet für die Krankenhäuser weitere empfindliche Einnahmeeinbußen, die uns zusätzlich belasten. Außerdem sind sie eine Missachtung unserer überaus engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die allen Dank verdient haben. Auf dem Hintergrund der zu erwartenden neuen Corona-Welle macht uns diese Entwicklung große Sorgen. Herr Lauterbach gefährdet mit diesem Gesetzentwurf Arbeitsplätze in der Pflege.

WOCHENBLATT: Was kommt da auf uns Landkreisbewohner zu? Sind die Krankenhäuser Buchholz und Winsen bald nicht mehr handlungsfähig?

Rempe:
Als Landrat sehe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben an, den Bestand und die Leistungsfähigkeit unserer Krankenhäuser für die Menschen im Landkreis Harburg zu sichern. Im Namen der 2.300 Beschäftigten unserer Krankenhäuser und der über 256.000 Einwohner des Landkreises Harburg fordere ich mit allem Nachdruck, dass die Bundespolitik ihrer Verantwortung endlich nachkommt: Diejenigen, die rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres für uns da sind, brauchen jetzt selbst Hilfe, die schnellstens gewährt werden sollte.

WOCHENBLATT: Vielen Dank für das Gespräch.

„Niedersachsen kann auf seine Krankenhäuser nicht verzichten“

Interview mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann

Das WOCHENBLATT hat den niedersächsischen Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann (CDU) gefragt, wie er die gegenwärtige Situation der Krankenhäuser beurteilt und was aus seiner Sicht getan werden kann, um die Krise zu meistern.

Dr. Bernd Althusmann, niedersächsischer Wirtschaftsminister | Foto: os
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WOCHENBLATT: Die Krankenhäuser rufen um Hilfe. Mehr als dreiviertel der 168 niedersächsischen Kliniken sehen sich langfristig in ihrer Existenz bedroht. Was ist da los?

Dr. Bernd Althusmann: In der Tat hat sich die wirtschaftliche Situation der Kliniken laut Deutscher Krankenhausgesellschaft bundesweit weiter verschlechtert. Das ist besonders dramatisch in einem Flächenland wie Niedersachsen, wo Krankenhäuser einen großen Teil der flächendeckenden und hochwertigen Patientenversorgung sichern und in der Pandemie gerade einmal wieder ihre Bedeutung und Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben.

WOCHENBLATT: Wie wichtig sind Krankenhäuser für die Wirtschaft des Bundeslandes?

Althusmann: Niedersachsens Krankenhäuser sind mit 115.000 Beschäftigten, die rund 1,8 Millionen Patienten pro Jahr versorgen, nicht nur wichtige Arbeitgeber, sondern bilden jährlich rund 10.000 junge Leute aus. Neben ihrer unverzichtbaren Funktion in der Gesundheitsversorgung sind sie also ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der Entscheidendes zur Wertschöpfung beiträgt und den es unbedingt zu erhalten gilt.

WOCHENBLATT: Was sind die Ursachen für die gegenwärtige Misere?

Althusmann:
Es herrscht Reformstau. Die Bundesregierung macht ihre Hausaufgaben nicht. Dort hat man im Moment leider nur die Bekämpfung der Corona-Krise im Fokus. Bei der Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes fällt die Ampel eher durch interne Streitigkeiten auf statt durch einen klar definierten und den Umständen angepassten Gesetzentwurf. Die anderen Baustellen im Gesundheitsbereich im Bereich der Pflege, in der Digitalisierung, bei der Vernetzung der Akteure, um nur wenige Beispiele zu nennen, werden aber nicht angegangen. Nur durch eine umfassende Finanzierungsreform kann der kalte Strukturwandel - also der Abbau von Stellen und letztlich die Schließung von Kliniken - verhindert werden.

WOCHENBLATT: Was wurde bisher unternommen, um den Krankenhäusern zu helfen?

Althusmann: Die Bundesregierung hat bisher geeignete Hilfsmaßnahmen weder angekündigt noch in die Wege geleitet. Doch die Zeit drängt. Krankenhäuser brauchen im dritten Pandemiejahr eine Sicherung ihrer wirtschaftlichen Zukunft. WOCHENBLATT: Was werden Sie als niedersächsischer Wirtschaftsminister tun, um den Krankenhäusern zu helfen? Welche Initiativen haben Sie geplant? Althusmann: Als Landtagsabgeordneter habe ich mich für die Krankenhäuser im Landkreis Harburg eingesetzt. Inzwischen wurde Fördermittel in Höhe von insgesamt 43 Mio. Euro freigegeben. Das ist gut für eine hohe Qualität der Krankenhausversorgung in unserer Region. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass die Krankenhäuser in der Fläche in Niedersachsen eine zentrale Säule der Gesundheitsversorgung sind und bleiben. Wir werden daher weiter in die Krankenhaustruktur investieren, die Mittel haben wir dazu von 120 Mio auf 150 Mio erhöht. Wir haben das Sondervermögen zur Förderung von Krankenhausinvestitionen eingerichtet. Mittelfristig will ich vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Enquete-Kommission prüfen, ob das reicht, die Krankenhäuser in Niedersachsen zukunftssicher aufzustellen. Dazu gehört auch, sich in Berlin dafür stark zu machen, dass das System der Fallpauschalen auf den Prüfstand gestellt wird und dass endlich die Themen Entbürokratisierung und Digitalisierung angegangen werden.

WOCHENBLATT:
Vielen Dank für das Gespräch.
(nw/nf).

20 Millionen-Zuschuss für das Krankenhaus Buchholz
Hightech, perfekte Organisation und ganz viel Wohlfühlambiente
Redakteur:

Tamara Westphal aus Buchholz

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