Brisantes Thema im Jugendhilfeausschuss
Kindeswohl ist immer öfter gefährdet

Vertreter des Jugendamtes und des Allgemeinen Sozialen Dienstes referierten im Jugendhilfe-Ausschuss (v. li.): Jakob Schiel, Katrin Richter-Fuss, Gabriele Fried, Andrea Mac Kenzie, Linda Schweitzer, Ute Sternberg und Florian Wolff | Foto: ce
  • Vertreter des Jugendamtes und des Allgemeinen Sozialen Dienstes referierten im Jugendhilfe-Ausschuss (v. li.): Jakob Schiel, Katrin Richter-Fuss, Gabriele Fried, Andrea Mac Kenzie, Linda Schweitzer, Ute Sternberg und Florian Wolff
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Dieses Verbrechen schockiert ganz Deutschland: Wegen zum Teil schweren Kindesmissbrauchs in 84 Fällen hat das Landgericht Köln vor wenigen Tagen einen 45-jährigen IT-Fachmann aus Wermelskirchen (Nordrhein-Westfalen) zu 14 Jahren und sechs Monaten Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann hatte seine Taten zum Teil gefilmt und sie mit anderen pädophilen Straftätern via Internet geteilt. Ein besonders extremes Beispiel für die bundesweit zunehmenden Fälle von Kindeswohlgefährdung. Auch im Landkreis Harburg zeichnet sich der dramatische Trend ab: Gingen 2019 noch 150 Meldungen einer Gefährdung von Kindern beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Jugendamtes des Landkreises Harburg ein, so waren es 2021 schon 281 - und im vergangenen Jahr sogar über 400. Die Bandbreite reichte dabei von Verwahrlosung über häusliche Gewalt bis zu Kinderpornographie.

Zahl der Meldungen von Kindeswohlgefährdung hat sich in drei Jahren mehr als verdoppelt

"Kinderschutz bedeutet immer einen sorgfältigen Abwägungsprozess zwischen Elternrecht und -verantwortung auf der einen und staatlichem Wächteramt auf der anderen Seite", betonte Jugendamtsleiterin Katrin Richter-Fuss am Mittwoch im Jugendhilfeausschuss des Kreises. Richter-Fuss und ihre rund 30 für verschiedene Bezirke zuständigen Mitarbeiter sind die ersten Ansprechpersonen für Probleme, die Kinder, Jugendliche und ihre Eltern betreffen. Die Sozialarbeiter beraten und vermitteln die geeigneten Hilfen.

Der Anruf des Handwerkers beim Jugendamt des Landkreises Harburg war alarmierend: Er kam gerade aus der Wohnung eines Kunden, die völlig verdreckt und zugemüllt war und in der Eltern ihre vier Kinder zwischen vier und neun Jahren verwahrlosen ließen. "Hier konnten wir es nicht bei einer bloßen Beratung der Eltern belassen, sondern mussten eingreifen, da das Kindeswohl akut gefährdet war", berichtete Florian Wolff vom ASD im Jugendhilfeausschuss von einem besonders gravierenden Fall aus seinem Arbeitsalltag.

Nachdem die Eltern einen Antrag auf Erziehungshilfe beim Jugendamt gestellt hatten, habe die Behörde - so Wolff - die Kinder vorübergehend in stationäre Obhut gegeben. Ursache für die verheerende vorgefundene Situation sei eine psychische Überforderung von Mutter und Vater gewesen. In Kooperation mit den zuständigen Institutionen sorgte das Jugendamt für eine psychologische Betreuung der Eltern. "Auch dank dieser Unterstützung lebt die Mutter heute wieder gut mit ihren Kindern zusammen. Zum Vater hat die Familie dagegen nur noch sporadischen Kontakt", so Florian Wolff.

ASD-Mitarbeiterin Andrea Mac Kenzie ging auf die Kindeswohlgefährdung bei einer Trennung oder Scheidung der Eltern ein. Fälle mit Eltern, die sich - bis hin zu tätlichen Angriffen - extrem um ihren Nachwuchs streiten würden, seien sehr zeitintensiv. Jugendhilfeausschuss-Mitglied Elisabeth Meinhold-Engbers bedauerte, dass bei Trennungsfällen das Kindeswohl gesetzlich nicht an erster Stelle stehe. "Viele Eltern schieben ihre Kinder nur vor, um die eigenen Ziele durchzusetzen", beklagte sie. Jugendamtsleiterin Katrin Richter-Fuss betonte, dass gerade in diesen Fällen den Erziehungsberechtigten klargemacht werden müsse, wie sehr sie durch ihr Verhalten das Wohl ihrer Kinder aufs Spiel setzen.

Auch Kinder immer öfter von häuslicher Gewalt betroffen

Alarmierende Zahlen und Fakten von häuslicher Gewalt, der auch Kinder ausgesetzt sind, nannte Jakob Schiel vom ASD. Von 2021 auf 2022 sei im Landkreis Harburg die Zahl der Fälle von 173 auf 205, die der betroffenen Jungen und Mädchen von 256 auf 383 angestiegen. "Hat ein Kind dabei akute Verletzungen erlitten, müssen diese in der Gerichtsmedizin untersucht und dokumentiert werden", so Schiel. Wenn ein Kind nach einem solchen Vorfall nicht wieder zurück nach Hause möchte, werde es vom Jugendamt vorübergehend in Obhut gegeben. Diese Maßnahme sei für manche Kinder hochtraumatisierend, weil sie sich bestraft fühlten. Schiel: "Damit diese Kinder möglichst zu Hause bleiben können, erstellen wir gemeinsam mit der Familie einen Schutzplan inklusive einer räumlichen Wegweisung des jeweiligen Gewalttäters."

Aktuell habe - so Katrin Richter-Fuss - das Jugendamt verstärkt mit Flüchtlingsfamilien zu tun, bei denen für die Kinder zuweilen nachteilige Erziehungsmaßnahmen mit unterschiedlichen kulturellen Bräuchen in den Herkunftsländern begründet würden. "Kultur hin oder her - es darf keinen Kinderschutz erster und zweiter Klasse geben. Alle Kinder müssen gleich geschützt werden", mahnte Richter-Fuss.

"Wenn ein Kind in der Kindertagesstätte oder in der Schule plötzlich extrem zurückhaltend oder nervös ist, könnte sein Wohlergehen gefährdet sein", erklärte Gabriele Fried vom Jugendamt am Rande der Ausschusssitzung gegenüber dem WOCHENBLATT. Sie verwies auf das "Lüneburger Ampelmodell", das Vertreter aus den Bereichen Beratung, Gesundheit, Polizei und Jugendhilfe erarbeiteten und das auch Warnsignale für eine Kindeswohlgefährdung aufzeigt. Dazu gehören unter anderem ein schwieriges Temperament des Kindes, motorische oder sprachliche Entwicklungsverzögerungen, stark ungepflegte Erscheinung sowie körperliche oder geistige Beeinträchtigungen der Eltern.

• Wer einen Fall von Kindeswohlgefährdung melden möchte, erreicht den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes des Landkreises unter Tel. 04171 - 693480 oder per E-Mail an jugend+familie@lkharburg.de. Weitere Infos unter www.kinderschutz-niedersachsen.de und unter www.weisser-ring.de.

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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