Trassenpläne und Kostenexplosion
Landrat Rainer Rempe im WOCHENBLATT-Interview

Am Schreibtisch im Winsener Kreishaus: Landrat Rainer Rempe muss viele Themen abarbeiten | Foto: Landkreis Harburg
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Die umstrittenen Trassen-Neubaupläne der Deutschen Bahn, die angespannte Situation bei den Pflegediensten und der weiterhin grassierende Fachkräftemangel brennen den Menschen im Landkreis Harburg unter den Nägeln. Über diese und andere Themen sprach Landrat Rainer Rempe im Sommerinterview mit WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann.

WOCHENBLATT: Herr Rempe, wie ist der Sachstand bei den Plänen der Deutschen Bahn für den ICE-Trassenneubau durch die Region?

Rainer Rempe: Das Bundesverkehrsministerium ist jetzt – im wahrsten Wortsinn – am Zug. Die letzten Aussagen von Staatssekretär Michael Theurer, wonach „nur ein umfassender bestandsferner Aus- bzw. Neubau langfristig ausreichende Kapazitäten und die notwendige Engpassbeseitigung im Korridor Hamburg – Hannover gewährleistet“, teile ich nicht. Ich stehe als Landrat des Landkreises Harburg weiterhin uneingeschränkt hinter den mit großer Mehrheit gefassten Beschlüssen des Dialogforums Schiene Nord aus dem Jahr 2015. Diese Haltung habe ich auch immer wieder gegenüber Vertretern des Landes, des Bundes und der Deutschen Bahn deutlich gemacht. Der Kompromiss Alpha-E wurde in einem langen, konstruktiven Abstimmungsprozess zwischen vielen Beteiligten gefunden und diesem Ergebnis fühle ich mich verpflichtet. Die Umsetzung ist für mich auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. Insofern freue ich mich über die klare Positionierung und Unterstützung der Landesregierung in dieser Frage.

WOCHENBLATT: Befürworter der Neubaustrecke betonen immer wieder, dass ein Ausbau der Bahnstrecke nicht die nötigen Kapazitäten schafft.

Rempe: Diese Frage kann seriös erst dann beantwortet werden, wenn Alpha-E umgesetzt wurde – eine Maßnahme, die für die Menschen in der Region auch schon mit erheblichen Veränderungen und Belastungen verbunden sein würde. Hier sind leider schon wieder acht Jahre verstrichen, ohne dass an der Strecke Hamburg - Hannover irgend etwas passiert ist. Umso wichtiger ist es, dass jetzt die Chance einer geplanten Generalsanierung dieser Strecke genutzt wird, um möglichst viele kapazitätssteigernde Maßnahmen aus den Alpha-E-Beschlüssen umzusetzen. Hierzu gehören beispielsweise neue Weichen, genauso wie eine moderne Signal- und Steuerungstechnik. Erst dann kann beurteilt werden, ob weitere Kapazitäten auf der Schiene überhaupt erforderlich sind. Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass ein Ausbau schneller, kostengünstiger und landschaftsschonender ist als ein Neubau. Den Nachteilen eines Neubaus, wie zerstörte Naturräume und erheblichen Einschnitten in die Lebensqualität vieler Menschen, stünden keine erkennbaren Vorteile gegenüber. Und nicht zuletzt der Bundesverkehrsminister hat immer wieder betont, dass es keine Entscheidung gegen die Menschen in der Region geben wird. Wir werden ihn beim Wort nehmen.

WOCHENBLATT: Ein anderes Thema: Immer mehr Pflegedienste schließen oder sind von einer Schließung bedroht. Wie ist die Situation in den kreiseigenen Pflegeheimen?

Rempe: Die Situation ist stabil. Der Mitarbeiterstamm ist in allen drei Heimen konstant, und die Bewohnerplätze sind gut ausgelastet. Tatsächlich könnte man bei einer Vollauslastung weitere Personen unterbringen, aber dafür fehlt auch in unseren Heimen ausreichend Personal. Letztlich stehen alle Pflegeheime und -dienste vor derselben Problematik, und die besteht neben immer weiter steigenden Kosten vor allem im Mangel an Pflegefachkräften, -helfern und -assistenten. Eine weitere Herausforderung stellt die neue Personalbemessung dar. Umso wichtiger ist es, dass wir als Landkreis mit dem Ausbildungsnetzwerk Pflege ein wichtiges Instrument geschaffen haben, um die Unternehmen bei der Ausbildung von Pflegefachkräften zu unterstützen.

WOCHENBLATT: Fachkräftemangel, Inflation, Rezession – die Wirtschaft in Deutschland steht vor großen Herausforderungen, und auch viele leiden weiter unter den gestiegenen Preisen. Wie sieht die Situation bei der Kreisverwaltung aus?

Rempe: Man muss ganz klar sagen: Die Zeiten, in denen wir am Jahresende noch einen Überschuss verzeichnen konnten, sind erst einmal vorbei. Für den diesjährigen Haushalt müssen wir mit einem Fehlbetrag von rund 28,5 Millionen Euro planen. Grund hierfür sind vor allem die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung und die notwendige Unterstützung unserer Krankenhäuser. Im Bereich der Flüchtlingsunterbringung sind die Pauschalen des Landes bei Weitem nicht ausreichend, hier bleiben wir 2023 auf einem Minus von mindestens zwölf Millionen Euro sitzen – mit steigender Tendenz für das kommende Jahr.

WOCHENBLATT: Und die Krankenhäuser?

Rempe: Unsere Krankenhäuser weisen ein Defizit von rund 17 Millionen Euro aus, das wir auffangen werden. Hier muss dringend etwas passieren. Es kann nicht sein, dass wir als kommunaler Krankenhausträger mit dieser Situation alleine gelassen werden, denn sie ist nicht selbstverschuldet. Unsere Forderung bleibt deshalb weiterhin, dass der Bund noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Krankenhausstrukturreform, was zum 1. Januar 2024 geplant ist, seiner Verantwortung gerecht wird und einen Inflationsausgleich zahlt, der die Handlungsfähigkeit der Krankenhäuser kurzfristig wieder herstellt. Und nicht vergessen darf man die Herausforderungen, die durch den Klimaschutz und die bis 2040 zu erreichende Klimaneutralität auf uns zukommen werden. Auch dieses Ziel gibt es nicht zum Nulltarif. Investitionen in energetische Gebäudesanierung, Ausbau von Windkraft und Großflächenphotovoltaik sowie kommunale Wärmeplanung werden uns intensiv beschäftigen und fordern.

WOCHENBLATT: Was stimmt Sie in dieser Situation optimistisch?

Rempe: Der Landkreis Harburg ist weiter ein gefragter Wirtschaftsstandort mit erfolgreich agierenden, vor allem mittelständischen Unternehmen und verzeichnet einen konstanten Bevölkerungszuwachs. Das ist für eine eher ländlich geprägte Region alles andere als selbstverständlich. Unsere Städte und Gemeinden sorgen mit ihren Gewerbegebieten dafür, dass der örtlichen Wirtschaft Entwicklungsperspektiven geboten werden und neue Unternehmen sich ansiedeln können. Wichtig ist, dass wir auch in Zukunft, trotz steigender Flächenkonkurrenz, ausreichend Gewerbeflächen ausweisen, damit wirtschaftlicher Erfolg langfristig gesichert wird.
Mit dem TIP-Innovationspark in Buchholz haben wir außerdem einen Gewerbestandort, der mit smarter Infrastruktur inklusive 5G-Campusnetz ein absolut attraktives Umfeld für innovative Unternehmen, Technologieförderung und Wissenstransfer bietet. Dadurch bietet sich auch die Chance, den Anteil wissensbasierter Arbeitsplätze im Landkreis zu erhöhen. Und wir selbst als Kreisverwaltung werden unseren Teil dazu beitragen, dass der Landkreis Harburg weiter vorne mitspielt.

WOCHENBLATT: Haben Sie dafür Beispiele?

Rempe: Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern nutzen wir die Infrastruktur im TIP-Innovationspark, um 5G-Einsatzszenarien in den Bereichen "Intelligenter Katastrophenschutz" sowie "Smarte Produktion und Gebäude" in der Praxis zu testen – ein wirklich zukunftsweisendes Projekt, bei dem wir unter anderem auch mit unseren Feuerwehren zusammenarbeiten. Anders als viele andere Regionen haben wir außerdem den Digitalpakt Schule und den Ausbau der digitalen Infrastruktur an unseren weiterführenden Schulen sehr erfolgreich umgesetzt, und auch unser Ausbau des Breitbandnetzes zur Schließung der sogenannten weißen Flecken befindet sich auf der Zielgeraden. Wir arbeiten zudem weiter intensiv am Ausbau unserer Online-Services. In unserem Serviceportal bieten wir gemeinsam mit den teilnehmenden Kommunen – in Niedersachsen übrigens ein bislang einzigartiges Modell – inzwischen 170 Dienstleistungen, die die Bürgerinnen und Bürger bequem vom heimischen Sofa aus erledigen können. Wirtschaftsförderung hat für uns eine hohe Priorität und wir engagieren uns aktiv für eine engere Vernetzung von Schule und Wirtschaft, um den Übergang von Schule und Beruf besser zu gestalten und damit dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Außerdem fördern wir erfolgreich die Niederlassung von Allgemeinmedizinern im Landkreis. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie wir auf vielen verschiedenen Ebenen daran arbeiten, dass der Landkreis Harburg in eine erfolgreiche Zukunft blicken kann.

WOCHENBLATT: Herr Rempe, vielen Dank für das Gespräch.

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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