Verliert Geflüchtete ihren Job?
Wenn Integration vor Gericht nicht zählt

Ohne Flüchtlingsstatus, ohne gültige Ausweisdokumente und weil ihre Familie sich nicht in das Konsultat traut, um Najanas* Identität zu bestätigen, kann die Iranerin keinen Pass beantragen | Foto: Pixabay
  • Ohne Flüchtlingsstatus, ohne gültige Ausweisdokumente und weil ihre Familie sich nicht in das Konsultat traut, um Najanas* Identität zu bestätigen, kann die Iranerin keinen Pass beantragen
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JOBS und KARRIERE

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Najana* hat alles getan, um sich in Jork zu integrieren. Doch weil sie im Juni einen Gerichtstermin verpasst hat, wird die Iranerin nicht als Flüchtling in Deutschland anerkannt. Ohne iranische Ausweisdokumente steht ihr neues Leben in Jork nun auf dem Spiel. Das Frustrierende daran: Sie hat die Einladung zum entscheidenden Gerichtstermin nie erhalten. Selbst ihre Anwältin bemühte sich laut Najana weder im Voraus noch am Tag der Verhandlung, sie zu erreichen.

Obwohl sich die 27-Jährige seit ihrer Flucht aus dem Iran vor vier Jahren gut in Deutschland eingelebt hat, wurde ihr Antrag auf Asyl 2018 vor Gericht abgelehnt. Sie habe nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihr "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verfolgung droht". Die Iranerin reichte nur wenige Tage später Klage ein. Das Verfahren zog sich - auch Pandemie-bedingt - hin. In der Zwischenzeit zog Najana mit ihrer ebenfalls geflüchteten Mutter in eine Wohnung in Jork, besuchte Sprachkurse, fing eine Ausbildung zur Bürokauffrau an und begann, in einem Restaurant als Aushilfe zu arbeiten. Sie baute sich ihr Leben in Jork auf. Fern vom Iran, wo ihre Familie politisch aber auch aus Gründen, die sie in der Zeitung nicht aufführen will, verfolgt wurde.

Und dann aus heiterem Himmel das Urteil: Klage abgelehnt. Und damit auch ihr Ersuch um den Flüchtlingsstatus.

Die Chancen auf Berufung sind gering

"Ich wusste von nichts", sagt Najana, als sie das fünfseitige Dokument auf den Tisch legt. "Kein Brief, kein Anruf, keine E-Mail. Auch nicht von meiner Anwältin und die hat an dem Termin teilgenommen!" Auch ihre Arbeitgeberin ärgert sich über das Vorgehen: "So ein wichtiger Termin muss doch schriftlich per Einschreiben geschickt werden!"

Doch das Urteil steht, die Chancen auf eine erfolgreiche Berufung sind gering. Nur mit einer Duldung wird Najana bald nicht mehr arbeiten dürfen. Ihre Aufenthaltsgestattung läuft im Oktober ab. "Ich muss jetzt einen richtigen Ausweis beantragen und meine Identität bestätigen. Aber da ich auf meiner Flucht aus dem Iran keine Ausweise mitnehmen konnte und meine Familie sich nicht in die Botschaft traut, weiß ich nicht, was ich machen soll", sagt Najana.

Ein Ausweg bleibt ihr. Ein Sprecher des niedersächsischen Flüchtlingsrats verweist auf einen Erlass des niedersächsischen Innenministeriums: "Sie muss vor der Ausländerbehörde glaubhaft machen, dass sie alle ihr zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um ihre Identität zu klären. Wenn man ihr glaubt, können ihre eigenen Angaben für die Ausweiserstellung genügen."

Auch Kreissprecher Daniel Beneke beruhigt: "Aufgrund der Situation im Iran wird ohnehin aktuell niemand aus dem Landkreis Stade in den Iran abgeschoben."

Doch Najana will mehr, als nicht abgeschoben werden: "Ich will arbeiten, ich will meine Ausbildung zu Ende machen und nicht all das verlieren, was ich mir in den vier Jahren hier aufgebaut habe."

*Name der Redaktion bekannt

Das ist der völlig falsche Weg

Das Paradoxe an dem Fall von Najana ist, abgesehen von dem verpassten Gerichtstermin, dass wir doch genau solche Menschen in Deutschland brauchen. Najana spricht fließend Deutsch und zeigt, dass sie arbeiten will. Anstatt die Füße hochzulegen und sich auf staatliche finanzielle Hilfen zu verlassen, jobbt sie als Servicekraft und hat eine Ausbildung angefangen, um auf lange Sicht im deutschen Berufsleben Fuß zu fassen. Ihre Arbeitgeberin beschreibt sie als zuverlässig, lernwillig und gerade während der Pandemie als sehr hilfreich.

In Zeiten des Fachkräftemangels müssten wir Flüchtlinge wie Najana doch eigentlich mit offenen Armen willkommen heißen! Sicher, nicht jeder Flüchtling kann und sollte in Deutschland bleiben. Aber arbeitswilligen Menschen das Recht auf Arbeit zu entziehen, ist ja wohl der völlig falsche Weg.
Svenja Adamski

Redakteur:

Svenja Adamski aus Buchholz

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